Wer die Conversion Rate steigern will, muss die Brand Experience optimieren.
Für die schnelle Optimierung ist Testing super, für mehr aber auch nicht – so die Meinung vieler Marketer und Brand Experience Designer. Irgendwo ist es ja auch verständlich, dass das Thema Conversion Rate Optimierung mit diesem schlechten Ruf zu kämpfen hat.
…denn zu oft sind es nur die Resultate aus kleinteiligen Optimierungen, die an die Öffentlichkeit gelangen. Da wird ein Button schnell mal grün gefärbt, und schon verkauft der Shop 20% besser. Super – und wieder wurde ein neues Best Practice geboren…
Unter Conversion Optimierern ist jedoch längst bekannt, dass kleinteilige Änderungen und wahlloses Rumschieben von Seitenelementen nur selten zum Erfolg führen. Vielleicht ist der rein optische Kontrast solcher Testvarianten sogar recht hoch, bei der Entscheidung für oder gegen den Anbieter spielen diese Änderungen allerdings meist keine Rolle.
Bryan Eisenberg schrieb dazu bereits 2009 sehr treffend:
Don’t do slice and dice optimization. If you slice and dice lots of variations of a page, it takes time and resources and there’s an opportunity cost. Test for impact, not for variations.
Es ist also nicht damit getan, einfach Best Practices von Wettbewerbern zu übernehmen (auch wenn das sehr komfortabel wäre).
Stattdessen funktionieren erfahrungsgemäß die Testhypothesen am besten, die individuell an den Markenkern geknüpft sind und einen wirklichen Mehrwert erzeugen. Folglich geht es also auch bei der Conversion Optimierung darum, die Marke zu stärken oder anders gesagt: die Brand Experience zu verbessern.
Wie entsteht eigentlich Brand Experience?
Marty Neumeier (Autor von The Brand Gap) definiert den Begriff der Marke wie folgt:
A brand is a person’s gut feeling about a product, service or organization.
Dieses Bauchgefühl entsteht in den Köpfen mit der Zeit über alle Berührungspunkte mit dem Unternehmen. Immer mehr dieser Berührungspunkte (Touchpoints) finden heute online statt – wodurch die Marke zunehmend von digitalen Erlebnissen geprägt wird.
Besonders wichtig dabei: interaktive Begegnungen mit der Marke sind deutlich prägender als passive.
Diese Tatsache machen sich starke Anbieter zum Vorteil, indem sie aktiv die Interaktion mit ihren Nutzern fördern.
Ein paar Beispiele:
Hornbach Projektplaner
Nike Running App
Mister Spex Brillenanprobe
Amazon Oneclick
Shoepassion
Zugegeben: die gezeigten Beispiele sind nicht mal eben schnell als A/B-Test aufgesetzt. Gleichzeitig ist es aber auch sehr riskant, solche Dinge über Monate ins Blaue hinein zu entwickeln, ohne deren Erfolg abschätzen zu können. Was ist, wenn die „Optimierungen“ nicht oder nur schlecht funktionieren, oder nicht mit der Erwartungshaltung gegenüber einer Marke übereinstimmen?
Um dies zu verhindern, sollten Akzeptanz und Relevanz innerhalb der Zielgruppe möglichst früh geprüft und laufend optimiert werden. Neben qualitativen Methoden der Marktforschung lässt sich auch per A/B-Testing sicher stellen, dass die Qualität und Leistung mit den Erwartungen übereinstimmt.
Wie lässt sich das mit Testing realisieren?
Sogenannte Smoke Tests sind dazu ein sehr hilfreiches Werkzeug. In der Praxis sieht das so aus, dass neue Funktionen, Services oder Kommunikationsausrichtungen bereits als Testvariante live gestellt werden, bevor sie bis ins kleinste Detail fertig ausgearbeitet sind.
Anhand von Klicks zur neuen Funktion, oder Interaktionen mit einem reduzierten Prototyp, kann dann sehr schnell erkannt werden, ob eine Idee funktioniert oder nicht. Dies minimiert das Risiko und liefert über die echten Zahlen wertvollen Input für die nächsten Schritte.
Aber wieder zurück zum Thema: zu Beginn des Artikels stand die These, dass für die Steigerung der Conversion Rate immer auch die Brand Experience optimiert werden muss.
Aber wo fängt man da am Besten an?
Zunächst einmal ist es hilfreich, von guten Brand Experience Designern zu lernen.
Die oben gezeigten Praxisbeispiele von starken Marken à la Mister Spex, Hornbach, Amazon & Co. zeigen in dem Zusammenhang einige gemeinsame Erfolgsfaktoren:
- die Interaktion des Kunden wird aktiv gefördert
- die Experience ist an die Marke geknüpft (Brand-Fit)
- es werden aktiv Assoziationen erzeugt („bei Anbieter xy ist das so..“)
- Benefits werden nicht nur kommuniziert, sondern aktiv geleistet
- Branded Services (Services mit Brand-Fit und USP) erzeugen echte Differenzierung
Diese Faktoren eignen sich hervorragend als Basis für kontraststarke Testhypothesen. Im Kern geht es dabei immer darum, den Besucher beim Erreichen seiner (impliziten) Ziele zu unterstützen.
It‘s a necessity to understand your customer and create value to build brand preference. – Christian Vatter, Brand Experience Consultant
Genau dieser Aspekt sollte auch bei jeder guten Testhypothese im Fokus stehen. Welche Wünsche haben die Besucher also wirklich, und wie können Sie diese erfüllen? Möglicherweise reicht es schon, die relevanten Services & Vorteile überhaupt erst richtig sichtbar zu machen.
Fazit
Brand Experience Optimierung und Conversion Optimierung sind für viele immer noch zwei paar Schuhe. Wenn der richtige Ansatz gewählt wird, schließen sich diese beiden Disziplinen aber keineswegs aus. Vielmehr können sie gegenseitig voneinander profitieren.
So werden Testvarianten deutlich stärker – und die Auswirkungen von Brand Experience Optimierungen endlich messbar.
Dazu abschließend nochmal alle wichtigen Faktoren zusammengefasst:
Starke Hypothesen mit Brand-Fit…
- sind individuell auf die Marke zugeschnitten (Wording, Bildsprache, Werte)
- gehen gezielt auf die Wünsche, Fragen und Bedenken der Besucher ein
- erzeugen einen echten Mehrwert (oder machen ihn erstmals sichtbar)
- fördern die Interaktion mit dem Anbieter
- berücksichtigen die Customer Journey des Kunden
- unterstützen den Besucher beim Erreichen seiner (impliziten) Ziele
Wie sind Ihre Erfahrungen? Konnten Sie Optimierungen der Brand Experience bereits über A/B-Testing messbar machen? Über Kommentare freue ich mich.
2 Kommentare
Sebastian Keitel,
Markenbildung ist von Natur aus ein langfristiger und ganzheitlicher Vorgang bzw. Ansatz. Daher geht es auch immer darum, das Ganze im Kontext mit den anderen Persönlichkeitsmerkmalen – Kommunikation, Verhalten, Kultur, Service – zu betrachten. Letztlich stellt sich ja immer die Frage, welches Image aufgebaut und transportiert werden soll. Das Ganzheitliche geht aber auch in die Gestaltung und Designdetails – Formgebung, Bildsprache, Wording, Farbe, Tonalität etc.. Auch der Designstil einer Website kann (sollte) auf das angestrebte Image und die Positionierung abgestimmt werden. Dadurch werden ja letztlich auch die Zielgruppen besser bedient. Nur irgendwie die Conversion Rate zu verbessern hat jedenfalls nichts mit Markenbildung zu tun. Das ist allenfalls „Performance Marketing“.
Schuhbido,
“Dieses Bauchgefühl entsteht in den Köpfen”. Ein kleiner Fauxpas in einem ansonsten sehr interessanten Beitrag. So wie man schätzt, dass nur weit unter 10% der Leser eines Blogs auch kommentieren, würde mich interessieren, wer wirklich bei den Nutzern aktiv wird.
Kleines Beispiel: Ein sehr bekannter Süßwarenhersteller forderte Kinder und Eltern auf seiner Webseite und in den sozialen Medien auf, lustige Geschichten einzureichen die mit einem Produkt des Herstellers passiert sind. Die Teilnahmequote war am Ende so gering, dass Praktikanten selbst Geschichten erfinden und schreiben mussten… für den schönen Schein. 😉
Weil wir entfernt aus der ähnlichen Branche kommen, nehme ich das Beispiel Shoepassion mit der Größenschablone: Entscheidend ist aus meiner Sicht auch, dass der Umgang mit der Schablone über den Download bis hin zur Nutzung einen positiven Eindruck beim Nutzer hinterlässt. Es muss originell sein. Es muss einfach sein und es muss einen Mehrwert mit Spaß vermitteln. Und weil ihr hier nur einen Teil der Schablone als Beispiel genommen habt und die anderen 2 Seiten textlastigen Anweisungen wahrscheinlich nicht mit reingepasst haben: Das ist genau das Beispiel, wie man aus einer guten Idee heraus die Nutzer verärgern könnte. Noch komplizierter und umständlicher geht es kaum. 😉
Zitat “Unter Conversion Optimierern ist jedoch längst bekannt, dass kleinteilige Änderungen und wahlloses Rumschieben von Seitenelementen nur selten zum Erfolg führen”.
Da wir selbst optimieren… kleines Beispiel: Wir haben einen neuen Wettbewerber (eher ein Copycat). Um uns gebührend abzuheben, haben wir auf der Startseite einen Satz mit drei Wörten geändert. Die Conversionsrate ging sofort auf Null. Richtig: Auf Null! Vorhergehenden Satz wieder eingefügt, Conversionsrate ging sofort wieder hoch. Das Spiel haben wir zweimal gespielt, hat immer funktioniert. Manchmnal sind es nur drei Wörter, die ein völlig anderes Bild in den Köpfen der Menschen entstehen lassen, Deswegen würde ich eure Meinung zu den kleinteiligen Änderungen nicht blind unterschreiben. 😉