Strategie

Einfach weg testen – 9 Ideen für geringe Opportunitätskosten

mbrueckmann
 Lesezeit: 6 Minuten    
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Die Grundidee von A/B Testing ist einfach: Optimierungsideen durch echte Nutzer testen und mit Kennzahlen belegen. Mit anderen Worten: Bevor man Geld verbrennt weil man auf das falsche Pferd gesetzt hat, das Risiko minimieren und testen. Aber warum sich dabei auf Optimierungsideen beschränken?

Die Opportunitätskosten lassen sich genau wie Optimierungsideen im Voraus testen, so dass auch bei strategischen Entscheidungen das Risiko zur Fehlentscheidung minimiert werden kann. In diesem Artikel findest du 9 Beispiele aus der Praxis mit Ideen, Tipps und Ansätzen zur Beantwortung von Fragen wie:

„Was kostet es mich, wenn ich etwas technisch einbinde, oder eben nicht einbinde?“

„Welche Kosten entstehen, indem ich eine Investitionen nicht tätige und damit potenzielle Gewinne nicht realisiere?“

„Lohnt sich die Investition? Habe ich einen ROI und wenn ja wann?“

„Spare ich Geld, wenn ich etwas abschalte? Kostet es mich unter’m Strich mehr, ein Feature laufen zu lassen?“

„Kann ich meine Gewinne durch die Investition steigern?“

Strategische Entscheidungen

In diesem Kontext läuft es grundsätzlich auf zwei betriebswirtschaftliche Entscheidungen hinaus: Kosten reduzieren oder investieren und expandieren.

Als Unternehmen mit Gewinnabsicht zählt unter’m Strich nur eins: Lohnt sich die Ausgabe (noch), ja oder nein?

Das mag im ersten Moment etwas hart klingen, insbesondere in Zeiten wo „User centered“ und „Customer Experience“ groß geschrieben werden. Bricht man diese Themen jedoch herunter, so bleibt am Ende genau das: der Return on Invest (ROI).

Behält man das im Hinterkopf, so unterscheiden wir zwei mögliche Testszenarien:

  1. Negativer Ansatz: Kann ich Kosten sparen?
  2. Positiver Ansatz: Lohnt sich die Investition (ROI Forecast)?

Negativer Testansatz

Beispiel Rechnung Kosten sparen
Die vereinfachte Rechnung zeigt, dass sich in diesem Beispiel die Einsparungen nicht lohnen.

Beim negativen Testszenario lassen wir Elemente weg und prüfen, ob und welchen Einfluss diese auf die Conversion Rate und den Umsatz haben.

Was lernen wir dabei?

Anhand der Veränderung der Conversion Rate erfahren wir,

  1. ob das Entfernen überhaupt Einfluss auf den Nutzer hat und
  2. wie viel Einfluss es hat. Außerdem sehen wir dabei gleich,
  3. ob und wie viel Umsatz dadurch verloren geht. Anschließend können wir die Ersparnis den Verlusten gegenüberstellen und bewerten, ob sich eine Abschaltung lohnt.

Beispiele aus der Praxis

  • Zahlungsart weglassen
    Der Anbieter ist teuer oder die Zahlungsausfälle sind hoch? Ein Test der Zahlungsarten kann hier Klarheit schaffen.
  • Gastbestellung weglassen
    Ein gängiges Szenario: Die Kollegen aus dem Marketing brauchen mehr Adressdaten. Das Entfernen der Gastbestellung kann hier aufzeigen, ob ein Umsatzrückgang mit dem Plus an Adressdaten im Verhältnis steht.
  • Hotline ausblenden
    Wenn die Call-Center Kosten hoch und ein Anbieter Wechsel nicht in Frage kommt, kann ein Test ohne Hotline-Nummern den Einfluss aufzeigen.
  • Versandmethode weglassen
    Insbesondere bei negativen Erfahrungen mit Retouren oder bei hohen Transportkosten kann das Entfernen einer bestimmten Versandmethode oder -anbieters zeigen, welchen Einfluss diese auf den Nutzer haben.
  • Einzellizenzen entfernen
    Das Beispiel zeigt, dass sogar Veränderungen am Geschäftsmodell im voraus getestet werden können, in dem alle Hinweise auf Einzellizenzen entfernt und nur noch Abo-Produkte angezeigt werden.

Positiver Testansatz

Beispiel Rechnung ROI
Eine vereinfachte Beispielrechnung zeigt, dass die zukünftige Investition einen positiven ROI hat.

Das positive Testszenario prüft, ob sich eine Investition lohnt und wann der Gewinn die Kosten voraussichtlich decken wird. Bevor viel Geld für ein neues Feature in die Hand genommen wird, kann dieses in einer „Trial-Phase“ getestet werden. Häufig sind Anbieter zu einer solchen Phase bereit. Falls nicht, ist eine kurze Kündigungsfrist ähnlich zielführend. Wer mehrere (Dritt-)Anbieter zur Auswahl hat, testet diese einfach gegeneinander.

Aber nicht nur neue Features und Services lassen sich im Voraus testen. Ist eine neue Funktion geplant, welche allerdings einen höheren Entwicklungsaufwand (Zeit, Kosten) bedeutet, so lässt sich deren Einfluss auf die Conversion Rate bereits im Vorfeld mit einem sogenannten „Smoke-Test“ prüfen. Dieser simuliert eine Funktion, die es noch gar nicht gibt (z. B. ein zusätzliches Formularfeld, dessen Auswirkungen auf die CR zwar validiert wird, im Backend jedoch (noch) gar keine Verwendung findet).

Generell lässt sich in einer solchen Prototypen-Phase früh die Akzeptanz bei den Kunden testen. In der Produktentwicklung spricht man hier von sog. Minimum Viable Products (MVP). Diese haben ein hohes Renditepotential, beinhalten vorerst nur das absolute Minimum an Funktionen, um überhaupt veröffentlicht zu werden.

Was lernen wir dabei?

Mit dem frühzeitigen Testen von neuen Features, Services und Funktionen können wir bereits vor der (größeren) Investition prüfen, ob sich diese lohnen werden. Anhand der Veränderung der Conversion Rate und des Umsatzes sehen wir,

  1. ob die Investition einen ROI hat. Zusätzlich können wir beurteilen,
  2. wann der ROI eintreten wird und damit
  3. Argumente für oder gegen eine Investition sammeln.

Sind die Kosten geringer als das Umsatzplus und passt der Zeitraum des ROIs zu meinem Business Plan, so macht die Investition Sinn.

Beispiele aus der Praxis

  • Recommendation-Engines gegeneinander testen
    Ein klassisches Beispiel sind Features wie Recos: „Welcher Anbieter hat eine bessere Reco?“ Hier lässt sich eine Entscheidung auf Basis eines Tests leichter treffen.
  • Adressvervollständigung testen
    Auch einen Service wie externe Adressvervollständigung oder Bonitätsprüfung lässt unter dem Gesichtspunkt „Welcher Anbieter liefert die hilfreichsten Daten?“ testen.
  • zusätzliche E-Mail Adresse im Antragsprozess als „Smoke-Test“
    Zusätzliche Eingabefelder haben Erfahrungsgemäß einen negativen Einfluss auf die CR. Wer sicher gehen will testet vorher mit einem Smoke-Test, ob die Nutzer durch zusätzliche Felder für eine zukünftige Datenverarbeitung beeinflusst werden.
  • SEO-Texte integrieren
    Auch OnSite-Optimierungen bzw. Veränderungen die per se erst mal nichts mit Conversion Optimierung zu tun haben lassen sich vorab testen: „Reagieren die Nutzer negativ auf die zusätzlichen SEO-Texte?“.

Was ist zu beachten?

Insbesondere Test-Szenarien mit negativen Ansatz werden voraussichtlich negativen Einfluss auf die Conversion Rate und den Umsatz haben. Schließlich ist es ja genau dass, was sie beweisen sollen.

Die strategische Frage:

„Wie viel ist mir die Antwort wert?“ als eine Art „Schmerzensgeld“

Reicht es mir bereits zu sehen, dass die Variante mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ ist? Oder möchte ich wissen, wie viel negativ sie ist? Hier kommen statistische Signifikanz und die Validität der Aussage zur Geltung.

Neben der Frage des Schmerzensgeld gilt es, die richtigen Zielmetriken zu definieren. Nicht immer ist „Kaufen“ das primäre Ziel. Beispielsweise kann auch die Retourenquote eine sinnvolle Metrik sein, die Häufigkeit von Beschwerden im Call-Center oder die Qualität (Fehlerrate) von Adressdaten.

Fazit

Mit Hilfe solcher Tests lässt sich bereits vor (größeren) Inventionen prüfen, ob sich diese überhaupt lohnen und wann der Gewinn die Kosten deckt. Neben dem ROI erfahren wir mehr über den potentiellen Umsatz, der uns entgehen wird, sollten wir die Investition nicht durchführen.

Es lassen sich damit hohe Kosten (Verluste) vermeiden und das Risiko von Fehlentscheidungen minimieren. Letztlich können dadurch auch interne Ressourcen sinnvoller verwendet werden, sollten sich z. B. „Smoke-Tests“ als unrentabel herausstellen.

Randnotiz

Oft können Testergebnisse zum Thema „Entfernen von (scheinbar) essenziellen Aspekten“ auch erfahrene Conversion Optimierer überraschen. Deshalb gilt immer: Testen! Testen! Testen! 😉

Weiterführende Artikel:

Über den Autor

manu-brueckmann

Manuel Brückmann

Principal Technology Consultant

Manuel Brückmann, Jahrgang 1982, ist als Principal Technology Consulting bei konversionsKRAFT – Deutschlands führende Agentur für Conversion Optimierung – für den Bereich Technologie Beratung verantwortlich.

Sein Werdegang begann 2007 im Bereich Design & Usability. Mit dem Abschluss als Dipl. Ing. (FH) Medieninformatik sammelte er als Consultant und Projektmanager in den darauf folgenden 2 Jahren Erfahrungen, bis er 2009 in den Bereich Interaction Design & Interface Development wechselte. Zwei Jahre später sammelte er in der Rolle des Senior User Experience Engineer Erfahrungen im UX-Bereich. In den folgenden Jahren übernahm er seit Anfang 2012 die Verantwortung für den Bereich Conversion Engineering bei konversionsKRAFT und führte eine interdisziplinäre Business Unit. Seit Anfang 2016 gehörte er zur Geschäftsleitung und übernahm dort die Führung der Technologie im Unternehmen. Seit 2019 konzentriert er sich als Principal Technology Consultant auf die technischen Beratungsthemen im Unternehmen.

Neben umfangreichen Kenntnissen aus dem Bereich Technologie und Webentwicklung (Web Oberflächentechnologien, Medien, User Experience, Mobile, SEO) weist er 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Conversion Optimierung, E-Commerce, Lead-Generierung, Konsumpsychologie, Usability, Projekt-, Account -und Team-Management vor.

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1 Kommentar

  1. Gravatar

    Patrick Lemke,

    Hätte ich das nur bei meiner Webseite mal beachtet.

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