Theorie

Werbung vs. Neuromarketing – Kontrolle über das Gehirn

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RIP TV-Werbung und Marketing
Ein Beitrag über TV-Werbung lies mich unlängst darüber nachdenken, wie sich Werbung und Marketing in den letzten 50 Jahren verändert haben und welche Rolle das Neuromarketing heute spielt. Der Beitrag nahm den Zuschauer auf eine Reise durch 50 Jahre TV-Werbung mit. Im wesentlichen lässt sich sagen: Früher war alles erlaubt;-) Sei es die Palmolive Werbung aus den 60er Jahren, die aus heutiger Sicht unverschämt, jedoch extrem effektiv Leidensdruck aufbaut.

Palmolive Werbung 1963 – Jünger aussehen – MyVideo

Oder die Spots zu > Zigaretten von Güldenring: In der rauchenden Familienidylle fragt der kleine Sohnemann freundlich seinen Vater: „Na? Schmeckts?“.

Die Sicht der Werber

Im Beitrag nennt Ex-Springer & Jacobi Chef Reinhard Springer „die gute Idee“ als Ausschlag gebenden Wert in der Werbung. Diese Behauptung stützt in etwa das Bild, dass die meisten heute von Werbung haben: Sie nervt, sie lügt, manchmal ist sie witzig – und manchmal bleibt vielleicht auch mal was hängen.

Meiner Meinung nach schafft TV Werbung nur eines: Ich lerne eine Marke kennen, neu-deutsch Brand Awareness genannt. Eine echte Wirkung wird nicht erzielt. Und ein Verlangen oder eine emotionale Bindung zu einem Produkt bzw. Marke wird ebenfalls nicht hergestellt.

Die Rolle des Neuromarketing

Der Topwerber sagt, die gute Idee sei wichtig, Neuromarketing sei „nice-to-know – what the heck?“. Im Beitrag selbst werden Untersuchungen im fMRT und das Belohnungsystem im menschlichen Gehirns nur kurz angegangen. Hier zeigt sich, dass die Belange des Kunden, seine emotionale Reaktion in der Werbung absolut vernachlässigt werden. Vielleicht möchte TV-Werbung das auch gar nicht erreichen?

Dem entgegen steht allen voran die Marke apple. Hier zeigt sich in aller Deutlichkeit, welche Rolle Emotionen und das Phänomen der Spiegelneuronen bei der Bindung an Produkte einer Marke spielen. Zu diesem Thema empfehle ich das Buch „Buyology: Warum wir kaufen, was wir kaufen“ von Martin Lindstrom. In diesem Buch wird die Bedeutung von Neuromarketing  im Gegensatz zu Demoskopie beschrieben.

Authentizität und Identifikation

Interessanterweise gab es eine Kampagne, die es tatsächlich schaffte, eine starke Identifikation zu schaffen: Dove startete Anfang der 00er Jahre Spots und Printwerbung mit „normalen Frauen“ und nicht mit perfekten gestylten Models. Ob das besser verkaufen kann, sei dahin gestellt. Die anderen Gesprächspartner im oben genannten TV-Beitrag sagten übrigens, dass ihnen die Werbung im Gedächtnis blieb, die authentisch war – beispielsweise die gute Klementine von der Ariel-Werbung.

Wie bedenklich ist Neuromarketing?

Ein jüngeres Beispiel zeigt, dass der Einsatz von Techniken des Neuromarketing durchaus fragwürdig sein kann: Eine Bank trainiert seit Jahren die eigene Vertriebsmannschaft. Diese wird auf bestimmte limbische Typen vorbereitet, um im Gespräch die richtigen Trigger zu setzen, um folglich die passenden Produkte anbieten zu können. Das ist höchst bedenklich, da es hier um den Verkauf von Finanzprodukten, Bankdarlehen und Versicherungsverträgen geht.

Außerdem herrscht eine etwaige Angst, dass dieses Wissen soweit ausgenutzt werden kann, so dass Menschen im wahrsten Sinne über das Gehirn kontrolliert und manipuliert werden können.

Wohin geht’s?

Nun, meiner Meinung nach helfen uns die Erkenntnisse des Neuromarketing vor allem dabei, emotionale Resonanz zu erhalten und damit einfach unsere Kunden besser zu verstehen. Kundenwünsche werden nach wie vor übergangen oder ignoriert – es herrschen eigene Überzeugungen über dem, was wirklich notwendig sein kann. Dabei wollen wir doch alle nur unsere Kunden nachhaltig zufrieden stellen, oder?

Über den Autor

Mitarbeiter Ronald Grimminger

Mitarbeiter

Ronald Grimmiger beschäftigt er sich mit der Optimierung von digitalen Strategien. Dabei setzt er sich mit Modellen der Kommunikation, Neuromarketing und Konsumpsychologie sowie Verhaltensökonomie und deren Zusammenhang mit Automation von digitalem Marketing auseinander. Zudem ist er als Dozent für Onlinemarketing und Conversion Optimierung an der Hochschule Darmstadt (h_da) tätig. @RonGrimminger auf twitter /// xing /// linkedIn
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8 Kommentare

  1. Gravatar

    don schlonzo,

    soll das hier “Einen interessanten Beitrag zum ethnischen Aspekt” eventuell “ethisch” heißen?

  2. Gravatar

    Ronald Grimminger,

    Hallo don schlonzo,

    danke für den Hinweis – hab es korrigiert.

  3. Gravatar

    Horst,

    Ist das Buch Buyology wirklich empfehlenswert? Die Amazon Rezensionen raten ja eher ab.

  4. Gravatar

    André Morys,

    Zu BUY-OLOGY: Martin Lindstrom ist schon ein guter Geschichtenerzähler. Wer einen ersten Ein- und Überblick über Neuromarketing haben will, der findet in dem Buch eine anschauliche Sammlung von Studien und ihren Ergebnissen. Was fehlt ist irgend eine Ableitung, Lessons Learned, Anwendungen, konkrete Handlungsempfehlungen. Es ist einfach eine Zusammenstellung interessanter Geschichten. Für Neuromarketing-Profis ist das Buch wahrscheinlich vom Niveau mit Rosamunde Pilcher zu vergleichen. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit (aber es liest sich gut).

  5. Gravatar

    Horst,

  6. Gravatar

    Patrik,

    Tut mir leid, aber die Aussage, das TV-Werbung nur für die Brand-Awarness gut ist spricht gegen ganz viele Ergebnisse: das Image ist messbar und sehr wohl auf TV-Werbung zurück zu führen. Denken Sie mal nach an was Sie bei Dallmayer denken, kommt da etwa nicht das Münchner Stammhaus? Rügenwalder: haben Sie da nicht die soziale Gemeinschaft unter dem Baum im Kopf? Bleibt bei Apple bei Ihnen nur der Name hängen, Sie wissen also nicht, was das IPad oder IPhone kann? Ich finde diese Aussage höchst unseriös und bei kurzem Überlegen kommt man auf ein anderes Resultat, wie auch bei Image-Messungen, bei denen sehr wohl das innere Bild, dass der Konsument von einer Marke hat, auf TV-Werbung zurück zu führen ist.

  7. Gravatar

    Ronald Grimminger,

    Hallo Patrik,

    danke für Ihre Antwort. Sie haben Recht, gewisse Bilder bleiben bestimmt bei der einen oder anderen Person im Kopfe hängen (by the way: ich kenne das Stammhaus gar nicht, aber an die nette Dame kann ich mich gut erinnern;-)). Die Frage ist nur, ob jeder Empfänger tatsächlich die Interpretationsleistung schafft, die vom Werber beabsichtigt ist und ob diese tatsächlich einen Wert oder gar die richtige Botschaft enthält?

  8. Gravatar

    Marc,

    Hallo, ich denke wer über die Geschichte und den wandel der Werbung etwas mehr erfahren möchte, ist mit dem Buch von David Ogilvy “Geständnisse eines Werbemannes” sehr gut bedient. Es ist ein abendfüllendes Thema, der Grund für den Wandel der Werbung liegt ja auch schon in der Menge der heutigen Werbung begraben, wie oben die Palmolive Werbung von 1963 – Jünger aussehen zeigt, gingen die Spots über eine Minute, heute unbezahlbar und dem extremen Informationsfluss nicht gerecht!

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