Wie gut kennst du eigentlich deine (potenziellen) Kunden?
Kennst du ihre Bedürfnisse, Motive und Konsumpräferenzen, sodass du dein Angebot darauf abstimmen und sie auf einem emotionalen Level gezielt ansprechen kannst? Das ist nämlich nötig, um sie in ihrer Kaufentscheidung zu deinen Gunsten zu beeinflussen.
Wenn nicht, bist du nicht allein. Viele Marketer, UX Designer und Conversion-Optimierer tun sich noch immer schwer, Kunden bei all der Reizüberflutung und dem Überangebot an Konsummöglichkeiten im Internet die Orientierung zu erleichtern. Hinzu kommt der zunehmende Drang nach Individualisierung der Konsumenten, dem Unternehmen durch eine zielgruppenspezifische oder gar personalisierte Ansprache in ihrer Kommunikation gerecht werden müssen. Nur so schaffen Marken herausragende Kundenerlebnisse und etablieren sich im Relevant Set ihrer Kunden.
Doch wie erreichen wir dieses Ziel? Woher nehmen wir die Insights über unsere Zielgruppe? Wie validieren wir bereits vorhandene Personas und setzen sie effektiv ein?
Der Lösungsansatz, den ich dir in diesem Artikel näher bringen möchte, ist nicht unbedingt neu für dich. Ich will aber sichergehen, dass du Limbic® in seinen vielen Facetten verstehst und das volle Potenzial für deine Marketingpraxis ausschöpfen kannst.
Limbic® ist, nach eigenen Aussagen der Gruppe Nymphenburg, “ein Motiv- und Entscheidungsmodell …, das sowohl in seiner wissenschaftlichen Fundierung als auch in seiner Praktikabilität für die Marketing-Praxis, die Markenstrategie und die Markenberatung … einzigartig ist”. Es ermöglicht
Limbic® beruht auf einem Ansatz, der die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung, der Psychologie und der Evolutionsbiologie mit empirischer Konsumforschung verknüpft. Der Grundgedanke besteht darin, dass unbewusste Motive und Emotionen das menschliche Handeln zu einem großen Teil beeinflussen. Das gilt auch für Kaufentscheidungen und Konsumverhalten.
“Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.” – Arthur Schopenhauer
Das namensgebende Merkmal des Limbic®-Ansatzes ist die Annahme, dass unser Handeln maßgeblich durch die Emotionssysteme bestimmt sind, die sich im limbischen System des menschlichen Gehirns bilden.
Entwickelt wurde das Modell von Dr. Hans-Georg Häusel und findet in verschiedenen Branchen Anwendung. Immer mehr Konsumgüterhersteller, Handelsunternehmen aber auch Banken und Dienstleister lassen sich heute mit Limbic® beraten.
Die Limbic® Map (siehe Bild unten) zeigt den Emotionsraum des Menschen, der die bekannten physiologischen Vitalbedürfnisse wie Schlaf, Nahrung und Atmung ergänzt. Er gliedert sich in drei Bereiche, die oft als “BIG 3” bezeichnet werden:
Da meist alle Emotionssysteme zugleich aktiv sind, gibt es Überschneidungen, die in der Karte entsprechend verzeichnet sind. Diese sind
Auf der Limbic® Map können wir alle Werte, Motive und Wünsche darstellen und in Relation zueinander setzen. Diese sind maßgebend für unser Konsum- und Kaufverhalten sowie unsere Markenpräferenzen. Deshalb treffen wir Entscheidungen auch alle unterschiedlich.
Interessant ist also vor allem die Frage, welche unterschiedlichen Limbic® Types sich von diesen Emotions(sub)systemen ableiten lassen und wie wir sogenannte Limbic® Codes wie Denkstil, Sprache oder Design-Präferenz im Marketing einsetzen können.
“Die Limbic® Types sind eine Verdichtung der komplexen emotionalen Persönlichkeitsstrukturen (Limbic® Personality)”, so die Gruppe Nymphenburg. Konsumenten werden über das Hauptemotionsfeld ihrer emotionalen Persönlichkeitsstruktur einem Limbic® Type (siehe Bild unten) zugeordnet.
Wie andere Modelle (z.B. Sinus-Milieus) sind auch diese Kundentypen sind natürlich zu einem gewissen Grad vereinfacht und werden durch Erziehung, Erfahrung und kulturelle Praktiken geprägt. Alle zwei Jahre werden dafür jedoch im Rahmen der größten deutschen Markt-Media-Studie b4p (best for planning) knapp 20.000 Konsumenten repräsentativ typisiert. Eine validierte Typisierung wie diese ist enorm hilfreich, um die eigene Zielgruppe besser zu erfassen. Daraus lässt sich auch eine Verteilung in der Bundesbevölkerung ableiten.
Es ist wichtig, die Limbic® Types der eigenen Zielgruppe zu kennen, damit Marken, Produkte und Dienstleistungen gleichermaßen eine “emotionale Heimat” finden. Denn nur wenn diese mit dem Wertesystem der Zielgruppe im Einklang stehen, erzeugen sie eine Resonanz.
Das emotionale Nutzenversprechen bildet demnach die Grundlage für die weitere Anwendung des Limbischen Systems in Bereichen wie Marketing, Design, Service oder Vertrieb. Von der Zielgruppe hängt also ganz konkret ab, welches Layout der Website und welche Marketingbotschaften eine verkaufsfördernde Wirkung erzielen und auf welche Art und Weise Produkt-Features und Informationen kommuniziert werden müssen, um eine Resonanz zu erzeugen.
Limbic® Types können bei der Markenbildung und -führung sowie der Marketingkommunikation, sowohl textlich wie auch visuell, herangezogen werden. Erfolgreiche Marken unterscheiden sich von weniger erfolgreichen dadurch, dass sie einen festen Platz im menschlichen Emotions- und Werteraum einnehmen und sich vom Wettbewerb neben anderen Merkmalen in einem von ihnen markentypisch besetzten Werteraum unterscheiden.
Ein bekannter Vergleich ist der zwischen Beck’s und Radeberger. Wo würdest du diese beiden Marken auf der Karte verorten?
Denselben Vergleich könnten wir auch mit anderen Marken, etwa Burger King und McDonald’s, herstellen. Was dadurch deutlich wird: Marken, die vermeintlich ähnliche Produkte (Bier bzw. Fast Food) anbieten, sprechen nicht grundsätzlich auch dieselbe Zielgruppe an und können daher bestens koexistieren.
Ein anderes Beispiel ist der Instagram-Account von IKEA: Täglich publiziert der Möbelgigant die Fantasie anregende Fotos und lockt damit genau die richtigen Limbic® Types “im Südwesten der Karte” in seine Möbelhäuser: Junge Leute und Familien, die sich stets über neue Einrichtungsideen erfreuen, dabei jedoch nicht an Kreativität sparen wollen.
Ein aktuelles Beispiel aus dem Bereich der Markenpositionierung ist der (inzwischen gescheiterte) Sponsoring-Deal von BMW und dem FC Bayern München. Verorten wir diese beiden Brands auf der Limbic® Map, stellen wir fest, dass der Fußballclub klar in der Dominanz-Region angesiedelt ist, der Autobauer hingegen im Stimulanz-Bereich (verdeutlicht durch den Slogan “Freude am Fahren”). Die Partnerschaft hätte BMW auf lange Sicht dazu gedient, sich weiter rechts zu positionieren und in einem Marktsegment Fuß zu fassen, in dem Geld vorhanden ist, schließlich wollen Performer immer nur das Beste, koste es, was es wolle. Ohne diesen Deal bleibt Audi weiterhin Sponsor des FCB und dominiert als quasi einziger Autobauer diesen Emotionsraum – und kommuniziert das zielgruppengerecht mit dem Slogan “Vorsprung durch Technik”.
“Eine prägnant positionierte und gut inszenierte Marke führt”, so Prof. Dr. Hans-Willi Schroiff und Tina Müller in ihrem Buch Warum Produkte floppen (erschienen 2013 im Haufe Lexware Verlag), “zwangsläufig zu Wahrnehmungsveränderungen in Richtung der Positionierung. Einem als ‘sicher’ positionierten Automobil wird nach der aktiven Erprobung auch eine größere Sicherheit attestiert. Die emotionale Einfärbung im Zwischenhirn verändert aktiv die Perzeption und stärkt die Urteilssicherheit der Bewerter. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn in diesem Sinne gut positionierte Marken kommen eben auch schlechter von ihrem Ross wieder herunter.”
Alle eben genannten Marken haben einen sehr starken “Limbic® Load”, das heißt, sie werden in ihrer Wahrnehmung extrem durch die ihnen beigemessenen Werte beeinflusst. Die erwähnten Slogans der Autohersteller verdeutlichen diese Bewertung und auch der FC Bayern wird oft mit Attributen wie dominant, siegreich und stolz in Verbindung gebracht.
Auch in der visuellen Marken- und Marketingkommunikation kann Limbic® eingesetzt werden. In einer eigenen Studie fanden wir beispielsweise heraus, dass es je nach Limbic® Type Präferenzen in Bezug auf Form, Farbe, Bildsprache und Schrift gibt. Schon der erste Eindruck deiner Website entscheidet also darüber, ob du den Nutzer emotional ansprichst oder nicht. Dazu drei Beispiele:
Während im Balance-Bereich Naturfarben Anklang finden, so sind es im Dominanz-Bereich eher Rot, Schwarz und Gold und im Stimulanz-Bereich sommerliche Farben wie Gelb und Orange.
Im Dominanz-Bereich punkten Bilder, die einen gewissen Status widerspiegeln (z.B. Männer in Anzügen), wohingegen im Stimulanz-Bereich die Individualität und Freiheit zum Ausdruck kommen sollten. Im Balance-Bereich kommt es vor allem auf Klarheit, bekannte Motive und eine gewisse Zurückhaltung an.
Auch die Texte auf deiner Webseite sollten sich gezielt an einen Limbic® Type richten. Die Wortwahl ist dabei genauso wichtig wie Schriftart, -größe und -schnitt. Die folgenden Textbeispiele haben wir im Rahmen unserer Neuromarketing-Studie validiert:
Der Erfolg eines Verkaufsgesprächs hängt zum Großteil davon, ob es dem Verkäufer gelingt, den Interessenten auf einer emotionalen Ebene zu erreichen und zu überzeugen. Das geschieht im wahren Leben als Verkäufer deutlich einfacher, denn ein Verkäufer kann den Kunden bereits durch sein Auftreten, den Kleidungsstil und die Wortwahl bestens einschätzen. Auf einer Webseite ist das nicht so einfach. Denn du kennst vielleicht das Beispiel, dass keiner eine Bohrmaschine kaufen will, sondern ein Loch in der Wand. Oder um es noch weiter zuzuspitzen: Keiner will ein Loch in der Wand, sondern eine Schraube, um ein Bild aufzuhängen, an dem wir uns bei jedem Vorbeigehen erfreuen. Bei einem Verkaufsgespräch spielt die – vor allem mentale (Stichwort: Kopfkino) – Gesprächsumgebung daher eine ebenso wichtige Rolle wie die Argumentation selbst.
Das Ziel als Verkäufer ist es folglich, bewusst in das Unterbewusstsein des Interessenten zu gelangen. Dafür muss er die Emotionswelt seines Gegenübers erkennen und zu nutzen wissen; sprich, durch seine Kommunikation die richtigen Gefühle erzeugen.
Bleiben wir für ein Beispiel in der Automobilbranche: Ein Verkäufer sollte ein und dasselbe Auto einem Familienvater unbedingt anders anpreisen als Herrn Arthur von Greven, Junior – sofern er es denn beiden Kunden erfolgreich verkaufen möchte. Dafür bedient er sich der Emotions- und Wertewelt und umschreibt ausgewählte Produkteigenschaften so, dass sie eine Resonanz erzeugen:
Der Familienvater springt auf einen Mercedes Benz GLS eher an, wenn ihm der Verkäufer von der effizienten Start-Stopp-Automatik, dem eingebauten Entertainment-System für die Kinder und dem automatischen Abblendlicht erzählt, anstatt sich auf dieselben Argumente für Herrn von Greven zu verlassen. Denn ein Sportauspuff, der neueste Sprachassistent zum Vorlesen eingehender E-Mails oder der LED-Frontscheinwerfer spielen für ihn keine Rolle.
Ich denke, das Prinzip ist klar, oder?
Natürlich besitzt der Limbic® Ansatz – wie jedes andere Modell auch – keine Allgemeingültigkeit. Wir Menschen unterscheiden uns durch verschiedene Hauptmotive, Präferenzen und Emotionen voneinander, weshalb jeder von uns in bestimmten Situationen anders reagiert. Aber insbesondere dann, wenn über die anzusprechende Zielgruppe wenige oder auch gar keine Informationen vorhanden sind, ist dies ein guter Ansatzpunkt, die eigenen Werbemaßnahmen zu analysieren und zu optimieren. Das Modell bietet dahingehend einige Vorteile gegenüber anderen Segmentierungsmodellen:
Indes verleitet das Modell zu der Annahme, dass wir uns in der Kommunikation auf eine bestimmte Art von Mensch konzentrieren können. Das wird jedoch spätestens dann problematisch, wenn Unternehmen, zum Beispiel mit einem Online-Shop, mehrere Typen bedienen wollen.
Der wahre Wert von Limbic® liegt in der Unabhängigkeit von soziodemografischen und soziologischen Daten. Während es mit derartigen Modellen passieren könnte, dass du Prince Charles und Ozzy Osbourne – beide männlich, verheiratet, über 50, aus Großbritannien und wohlhabend – auf dieselbe Art und Weise ansprichst, bist du mit Limbic® vor dieser Gefahr gefeit. Es bewährt sich in der Praxis immer wieder, mit Persönlichkeitstypen zu beginnen und soziodemografische Daten zu ergänzen.
Die Kombination ist auch deshalb sinnvoll, weil sich unser Werte- und Emotionssystem mit zunehmendem Alter verändert. Beispielsweise nehmen Testosteron und der Stimulanz-Neurotransmitter Dopamin mit dem Alter ab. Dadurch lassen Neugier und Risikobereitschaft stark nach und Status wird weniger wichtig. Im Gegenzug nimmt die Konzentration des Stresshormons Cortisol mit dem Alter zu, weshalb wir versuchen, Unsicherheiten zu vermeiden. Das heißt natürlich nicht, dass ein Performer von heute auf morgen zum Harmoniser wird. Die Veränderungen sind eher schleichend, können sich aber im (Kauf)Verhalten widerspiegeln.
Das spiegelt sich dementsprechend auch in der Alters- und Geschlechterverteilung wider:
In der Praxis bedeutet das für uns Marketer also, klassische “Buyer Personas” um Limbic® Types zu erweitern bzw. diesen zuzuordnen und durch einen entsprechenden Mix aus Forschung und eigenen Daten zu validieren. Und zwar sowohl auf einem allgemeingültigen Level als auch einem ziel- und aufgabenspezifischen Level. Denn je nach Fragestellung (Wie profitieren wir durch Personas?) verändert sich die Zielgruppe…
Die meisten Unternehmen haben in Form ihrer Web-Analytics bereits eine gute Datenquelle für die Entwicklung ihrer Limbic® Personas. In Kombination mit Daten aus ihrem CRM-System lassen sich bereits erste Vermutungen über Limbic® Types anstellen, die im Anschluss durch gezielte Tests validiert werden können. Das Aufstellen und Testen dieser Hypothesen zum Nutzerverhalten ist allerdings nur ein Teil der Validierung. Jedes Unternehmen muss die relevanten Faktoren für die eigene Website überhaupt erst identifizieren. Auch wir haben kein allgemeingültiges System zur Identifizierung von Limbic® Types anhand von Onsite-Metrics und ziehen daher immer wieder diverse Daten heran – in manchen Projekten über 150 verschiedene Messpunkte. Zum Beispiel:
Neben den vorhandenen Daten aus CRM & Web-Analytics sind wir bei konversionsKRAFT große Verfechter des User Research. Es spricht nichts dagegen bzw. ist im Gegenteil meist eine sehr sinnvolle Investition, die eigene Zielgruppe (ergo Kunden und potenzielle Kunden) direkt zu befragen.
Unser Vorgehen sieht meist so aus, dass wir Limbic Personas zunächst qualitativ erarbeiten – dazu laden wir gezielt bestimmte Typen in unser Lab ein – und diese dann quantitativ validieren.
Mithilfe von Methoden wie Jobs-to-be-done können wir enorm wertvolle Erkenntnisse nicht nur über den Limbic® Type gewinnen (z.B. aus der Verwendung bestimmter Schlüsselbegriffe), sondern auch über den gesamten Entscheidungsfindungsprozess unserer Kunden.
Dabei können die Kollegen aus Service und Vertrieb im ersten Schritt oft schon selbst passende Antworten liefern, da sie im stetigen Kontakt mit der Zielgruppe stehen und gelernt haben, deren Sprache zu sprechen. Typische Beschwerden, Wünsche oder Fragen lassen sich ggf. schon bestimmten Limbic® Types zuordnen.
“Wesentliche Entscheidungen sind ohne Emotionen undenkbar, weil Emotionen erst den Wert und das Ziel jeglicher Entscheidung vorgeben,” fasst Häusel in einem seiner Fachbeiträge über Neuromarketing zusammen. Sein Modell stellt eine objektive Entscheidungshilfe für die konsistente Markenführung und zielgerichtete Kommunikation dar und ergänzt andere Marketinginstrumente wie Personas.
Mit dem Wissen aus diesem Artikel und dem ergänzenden Bonusmaterial bist du in der Lage, den bzw. die verschiedenen Limbic® Types deiner Zielgruppe zu bestimmen und die Kommunikation über deine Website dahingehend zu optimieren. Damit gehst du einen guten Schritt in Richtung Personalisierung und wirst hoffentlich schnell erste positive Ergebnisse messen können.