Conversion Optimierung

So etablierst Du in Deinem Unternehmen ein Growth Mindset

Tim Herbig
 Lesezeit: 16 Minuten    
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“Strategie ist, was man hinterher drauf schreibt.”

“Wir brauchen eine Long-Term Strategie, die den Shareholder Value signifikant erhöht und unsere Stärken leveraged.”

 

Wer von uns kennt diese üblichen Phrasen rund um das Thema Strategie nicht?

Doch egal, wie Du es drehst und wendest, eines ist sicher:

Eine Strategie kann nur so gut sein, wie die Organisation, die sie ausführt.

Deswegen ist es für Deine Growth Strategie nicht nur wichtig, sie basierend auf soliden Analysen zu entwickeln und “sauber” aufzuschreiben. Die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung legst Du durch Einbeziehung des ganzen Unternehmens.

Nicht nur der Growth- oder Online Marketing-Verantwortliche im Unternehmen muss für die Strategie brennen. Auch Deine Kollegen aus den Bereichen Product, Design, Accounting, Analytics etc. müssen sich darin wiederfinden und begeistert die Umsetzung mitgestalten wollen.

In diesem Artikel möchten wir Dir daher zeigen, welche 3 Schritte notwendig sind, um Kollegen für Deine Growth Strategie zu begeistern, sie im Unternehmen zu verankern und erfolgreich umzusetzen.

  1. Mach Deine Strategie anfassbar – Eine erfolgreiche Growth Strategie zu evangelisieren, bedeutet mehr als ein Word Doc auf den Fileserver zu legen.
  2. Beziehe Deine Kollegen aktiv ein – Cross-funktionale und diverse Teams produzieren nicht nur nachhaltigere, sondern auch bessere Ergebnisse.
  3. Schaffe Transparenz über Deine Aktivitäten – Öffne die Growth Black Box und experimentiere in der “Öffentlichkeit”.

 

 Was ist eigentlich eine Growth Strategie?

Zunächst ist es wichtig, ein gemeinsames Verständnis des Begriffs Growth Strategie zu entwickeln. Eine Strategie ist die Brücke der Vision, Mission und der Prinzipien Deiner Firma hin zur Umsetzung mithilfe von Zielsystemen (wie OKRs) und agilen Vorgehensweisen (wie Sprints).

Während sich die Vision, Mission und die Prinzipien auf das WARUM einer Firma beziehen, und die Ziele und Sprints sich mit dem WAS beschäftigen, definiert die Strategie das WIE beim Erreichen der Ziele.

 

Während Strategien lange Zeit in Form von statischen Manifesten erarbeitet wurden, die beim Großteil der Mitarbeiter mehr Ehrfurcht als Neugier erzeugten, erleben wir im Zeitalter der Agilität einen Wandel.

Statt eines großen Dokuments, das 3-5 Jahre gültig ist, sollten Strategien wie agile Hypothesen gehandhabt werden, die spätestens alle 6 Monate durch neue Erkenntnisse überprüft werden. Diese veränderte Positionierung bedeutet auch, dass moderne Strategien stetiges Lernen über bessere Ausführung stellen.

Der Begriff Growth hat in den letzten Jahren so viele verschiedene Definitionsversuche erlebt, dass vermutlich auch in Deinem Unternehmen einige unterschiedliche Vorstellungen herrschen. Daher macht es Sinn, sich auf die Definition von Sean Ellis, einem der “Großväter” des Growth Marketings, zu besinnen:

 

”If you’re not running experiments, you’re probably not growing.”

 

Fügt man nun diese beiden Schwerpunkte Lernen entlang der Vision und Mission eines Unternehmens und Experimentieren zur Generierung von Wachstum zusammen, ergibt sich das Bild einer Growth Strategie.

Aber nicht jeder Deiner Kollegen wird sich sofort darin wiederfinden. Trotzdem ist es wichtig, dass du immer bei Dir und Deiner Mission bleibst: Eine Organisation zu schaffen, die gerne und viel experimentiert.

 

 

SCHRITT 1: Mach Deine Strategie anfassbar

Im ersten Schritt Deiner Mission ist es wichtig, die Growth Strategie in ein Format zu überführen, dass sowohl alle Aspekte der Zusammenarbeit im Unternehmen abdeckt, als auch alle Schritte der Wertschöpfungskette Eures Produkts.

Daraus leiten sich folgende Zutaten für eine anfassbare Visualisierung Deiner Growth Strategie ab:

Die Zutaten für eine Growth-Strategie
Die Zutaten für eine Growth-Strategie

 

Bei der detaillierteren Betrachtung ist es wichtig, jeden Schritt Deiner Wertschöpfung entlang eines klassischen Growth Funnels über die Aspekte People (WER macht was), Product (WAS wird gemacht) und Process (WIE wird es gemacht) zu betrachten.

 

  • Acquisition: Das initiale Einsammeln von neuen Visits, Leads oder registrierten Nutzern.
  • Activation: Das Motivieren der Nutzer durch bestimmte Aktionen, wie die Interaktion mit dem Produkt/ der Seite oder der Verknüpfung weiterer Daten.
  • Conversion: Der Moment, in dem die aus Unternehmenssicht wichtigste Hürde genommen wird. Das Eingeben der E-Mail Adresse, das Abschicken der Bestellung oder der Abschluss des kostenpflichtigen Plans.
  • Retention: Die Motivation zur Wiederholung der Conversion. Sei es die wiederholte Bestellung, die Verlängerung des Abos oder kontinuierliche Interaktion mit dem Newsletter.

 

In jedem Schritt Deines Funnels spielen andere Bestandteile Deines Produkts eine entscheidene Rolle. Entsprechend sind auch andere Personen und Vorgehensweisen notwendig.

Beispielhaft könnte Deine Growth Strategie Matrix wie folgt aussehen:

Growth-Strategie Matrix
Growth-Strategie Matrix

 

Beim Ausfüllen und Vorstellen der einzelnen Zellen ist wichtig zu betonen, dass dies keinesfalls exklusive Angaben sind, sondern Du Dich lediglich auf die wichtigsten Personen/ Produkte/ Prozesse beziehen solltest.

So braucht es im Schritt Acquisition neben dem Online Marketing Manager sicher auch Unterstützung von Product, Conversion oder Data-Experten. Und auch, wenn sich agile Vorgehensweisen wie Sprints primär in der Umgebung von Softwareentwicklung und demnach dem Bereich des Product Managements wiederfinden, wird sich sicher auch der ein oder andere Bereich von Grundzügen der agilen Vorgehensweisen inspirieren lassen.

Beim Befüllen der Matrix ist es wichtig, nicht den Status Quo Deines Unternehmens zu erfassen, sondern den Zielzustand, den Ihr für die Exekution Eurer Vision und Mission braucht. Versucht also nicht, Tanja aus dem Online Marketing auf alle Funnel-Schritte zu setzen, nur, weil Ihr (noch) keinen Product Manager habt. Wichtig ist hier zunächst das Denken in Rollen und Verantwortlichkeiten, statt in statischen Stellenbeschreibungen. Schaut einfach, wer sich in der Organisation neue Verantwortlichkeiten nehmen will.

Im nächsten Schritt ist die ehrliche Bestandsaufnahme wichtig. Welche Rollen und Produktbestandteile hat die Organisation heute schon und welche kann sie gegenüber denen umsetzen , die noch keine Rollen oder Prozesse haben. Um schnell in die Umsetzung und demnach auch in das Lernen zu kommen, solltet Ihr Euch auf die Bereiche fokussieren, in denen Ihr heute schon gut aufgestellt seid. Da Ihr im Idealzustand in allen Bereichen handlungsfähig seid, muss parallel das Füllen der Lücken durch das Einstellen neuer Kollegen, Weiterbildung und Discovery-Phasen für die Identifikation neuer Produkte angestoßen werden.

 


Um noch tiefer ins Thema einzutauchen, kannst Du Dir hier die Aufzeichnung unseres Webinars anschauen:


SCHRITT 2: Beziehe Deine Kollegen aktiv ein

Egal auf welchem Kanal ein Experiment stattfindet, der Lebenszyklus besteht zumeist aus den 3 gleichen Teilen:

 

  1. Ideenfindung und Definition einer Hypothese sowie des Experiment-Setups
  2. Monitoring der Daten
  3. Betrachtung und Teilen der Daten, Interpretation des Ergebnisses und Ableitung der nächsten Schritte

 

Dem Lean Startup-Prinzip Build-Measure-Learn folgend, sollte sich dieser Kreislauf möglichst häufig im Rahmen Deiner Growth Strategie wiederholen.

Insbesondere Punkt 1 und 3 eignen sich hervorragend für die Einbeziehung Deiner Kollegen aus der ganzen Firma. Um die gemeinsame Arbeit an diesen Schritten so interessant und effektiv wie möglich zu gestalten, ist es wichtig, dass Du für das richtige Klima und die richtige Arbeitsatmosphäre sorgst.

Was heißt das konkret?

  • Nimm die Ernsthaftigkeit rausAuch wenn es bei Growth Experimenten oft um “echtes” Geld geht, solltest Du einen spielerischen Ansatz für den Prozess der Ideenfindung verfolgen. Nimm dabei weder Dich noch Deinen Job zu Ernst.
  • Reduziere BerührungsängsteSei empathisch im Umgang mit Deinen Kollegen. Viele von ihnen fühlen sich während der Arbeit an einem für sie oftmals völlig neuen Themenfeld vielleicht unsicher und agieren entsprechend. Denk einfach an Deine ersten Experimente zurück und wie unsicher Du Dich vielleicht dabei gefühlt hast.
  • Agiere auf AugenhöheNimm jeden Kollegen, unabhängig von Jobtitel oder Berufserfahrung als vollwertig wahr und wertschätze seinen Input gleichermaßen. Dabei gilt es sowohl offizielle, als auch inoffizielle Hierarchien bei der Zusammenarbeit zu eliminieren.
  • Schaffe ein gemeinsames Vokabular – Denk dran, dass nicht jeder täglich mit Uplifts, CAC, CTR, CTAs und Signifikanz zu tun hat. Am besten kreierst Du eine Art Mini-Wörterbuch, in dem Du die wichtigsten Growth-Begriffe kurz erklärst. Dieses kannst Du dann z.B. in Vorbereitung eines Workshops verschicken, in Eurem Wiki verfügbar machen oder auf einem Flipchart an die Wand hängen. Nichtsdestotrotz solltest Du versuchen, unnötiges Fachchinesisch zu vermeiden.
  • Sicheren Umgang mit falschen Ideen schaffen – Mach Deinen Kollegen klar, dass es so etwas wie “falsche” Ideen nicht gibt. Jeder Gedanke spiegelt eine neue Perspektive auf ein Problem wieder und wird gleichberechtigt diskutiert und von der Gruppe bewertet. Das kann für viele in der Firma besonders fremd wirken, wenn sie aus hierarchischer geprägten Abteilungen dazustoßen oder primär mit binären Herausforderungen arbeiten (z.B. im Accounting).

 

In der Umfrage unseres Webinars zur Growth-Strategie haben wir alle Teilnehmer gefragt, ob sie schon einmal Ideen von außerhalb des Growth-Teams umgesetzt haben.

Das erfreuliche Ergebnis ist, dass bereits über die Hälfter aller Teilnehmer schon mal Ideen von Kollegen außerhalb ihres eigenen Teams getestet haben. Knapp 40% lassen aber hier noch Potenzial liegen, in dem sie Kollegen noch nicht aktiv genug in ihre Experimente einbezogen haben.

 

Was unsere Webinar-Teilnehmer zum Thema "Ideen extern testen" gesagt haben
Was unsere Webinar-Teilnehmer zum Thema “Ideen extern testen” gesagt haben

 

Nachdem Du die Grundlagen für die Zusammenarbeit geschaffen hast, bleibt natürlich noch die Frage, in welchen Formaten Du Deine Kollegen sowohl für die Ideengenerierung, als auch die Betrachtung von Ergebnissen, am besten einbeziehst.

 

Formate für die Ideengenerierung und Bewertung

Je nach Organisation Deiner Firma und dem Zeitkontingent Deiner Kollegen macht es Sinn, über zeitlich synchrone oder asynchrone Formate nachzudenken.

 

Ideen Einreichungsformular

Mit einem schnell aufgesetzten öffentlichen Formular für die Einreichung von Ideen schaffst Du eine dauerhafte Anlaufstelle für die Gedanken Deiner Kollegen. So ein Formular lässt sich schnell mit Google Forms oder Typeform erstellen und für die gesamte Firma bereitstellen. Für noch mehr Struktur kannst du aber auch gleich auf ein voll integriertes CRO-Tool wie iridion setzen. Folgende Informationen lohnt es sich, direkt bei den Kollegen zu erfragen:

 

  • Name – Damit du weißt, von wem eine Idee kommt, um die Person auf dem Laufenden zu halten
  • Abteilung – Wird Dir aufschlussreiche Einblicke geben, aus welchen Abteilungen du den meisten Input bekommst und hilft Dir, die Ideen in den Kontext zu setzen.
  • Idee/Hypothese– Für eine gute Strukturierung Deiner Daten bietet es sich an, Ideen in einem vorgegebenen Format einreichen zu lassen. Eine simple Hypothesen-Vorlage reicht hier schon aus:
    • I believe [doing this]
    • For [group of people]
    • Will achieve [change in behavior/ outcome]

 

Für noch mehr Struktur in Deinen Daten kannst Du optional auch schon den betroffenen Produktbereich abfragen oder Platz für generelle Notizen wie bekannte Best-Practices lassen. Durch ein Ideen Einreichungsformular lässt sich Dein Ideen-Backlog wunderbar asynchron befüllen und bildet die Grundlage weiterer Experimente. Wichtig ist dabei nur, dass Du den Status von eingereichten Ideen transparent machst. Ob Du das mit direkten Status-Updates 1:1 an die Einreicher oder einem komplett transparenten Backlog machst, bleibt dabei Dir überlassen. Spätestens beim nächsten Schritt, dem Qualifizieren und Priorisieren, bietet sich allerdings wieder eine synchrone Zusammenarbeit in einem cross-funktionalen Team an (s.u.).

Ideen Einreichungsformular in iridion
Ideen Einreichungsformular in iridion

 

Audit-Workshop

Eine deutlich interaktive Form der Ideengenerierung direkt am Produkt kannst Du in Form eines Audit-Workshops aufsetzen. Dabei wird gemeinschaftlich in einem möglichst diversen Team über Verbesserungen des eigenen Produkts nachgedacht. Solche Workshops können sowohl co-located als auch Remote hervorragend durchgeführt werden. Bei einem Workshop, bei dem alle im gleichen Raum sein können, druckt Ihr am besten die zu analysierenden Produktbereiche größtmöglich aus. Basierend auf einem Analyseframework Eurer Wahl (z.B. 7E-Framework) werden dann (zunächst in Stillarbeit) von jedem Kollegen möglichst viele Verbesserungen in Form von Klebezetteln erarbeitet und anschließend dem Team vorgestellt. Wichtig ist dabei der Fokus auf Quantität, statt Qualität, um möglichst breit zu denken und in der frühen Phase viele Ideen aufzuschreiben.

Nach einer anschließenden Runde, in der ihr doppelte Ideen entfernt und Ähnliche in sogenannten Clustern zusammenführt, sollte sich eine ordentliche Menge an Input für Euer Backlog ergeben haben. Sollte Euer Output  immer noch zu groß sein, könnt Ihr die Liste durch pragmatisches Dot Voting (hier stimmt jeder durch das Vergeben von vorher ausgegebenen Klebepunkten ab) ausdünnen, bevor die Ideen strukturierter priorisiert werden.

 

Ideen-Scoring

Wie bereits oben schon erwähnt, ist die Erarbeitung von Ideen nur die halbe Arbeit. Bevor es in die Umsetzung geht, muss Euer Backlog noch priorisiert werden. Da es hier um den echten Einsatz von Ressourcen geht, bietet sich eine strukturierte Vorgehensweise als simples Dot Voting an.

Für erfolgreiches Scoring, bei dem sich auch Eure Kollegen gehört fühlen, sind zwei Dinge wichtig:

 

  1. Ein einheitlicher Framework, der sowohl die Bewertung als auch Vergleichbarkeit von Ideen ermöglicht.
  2. Die Einbeziehung aller Stakeholder, die zu den Bewertungskriterien eine fachliche Bewertung abgeben können.

 

Der größte Fehler, den Ihr machen könnt, ist für Euch im Growth-Team “alleine” zu priorisieren. Damit zerstört Ihr die vielleicht gerade erst mühsam erzeugte Begeisterung bei Euren Kollegen aus der Ideenfindungsphase. Bezieht sie aktiv ein.

Bezüglich des Frameworks sind Eurer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Grundsätzlich bietet sich eine Unterteilung in Faktoren für den Aufwand und die Wirkung an und eine ansteigende simple Skala von 1-5. Kriterien für den Aufwand können sowohl technischer Natur sein, als auch unternehmenspolitische Abhängigkeiten berücksichtigen. Für die Wirkung empfiehlt es sich auf Faktoren wie den Traffic des Seitenbereichs zu schauen, sowie den Kontrast was die visuelle Gestaltung oder Verhaltensänderungen angeht.

Scoring einer Hypothese in iridion mit dem konversionsKRAFT Scoring
Scoring einer Hypothese in iridion mit dem konversionsKRAFT Scoring

 

Für die eigentliche Bewertung eignet sich das Vorgehen aus dem sogenannten “Planning Poker” von agilen Arbeitsweisen wie SCRUM. Nachdem dabei der zu bewertende Sachverhalt von allen Teilnehmern verstanden wurde, wird “im Stillen” ein Score aufgeschrieben und dann gleichzeitig im Team “aufgedeckt”. Dadurch vermeidet Ihr Bias bei den Teilnehmern. Sollten die Scores zu stark voneinander abweichen, sollte diskutiert werden, warum welcher Teilnehmer wie viel Komplexität oder Wirkung bewertet hat. So werden alle diversen Perspektiven der Teilnehmer gehört und Ihr werdet überrascht sein, welche interessanten Standpunkte Ihr vielleicht sonst vergessen hättet.

Asynchrone Formate eignen sich, wenn Du mit einem eingespielten oder erfahrenen Team an Kollegen über neue Ideen nachdenken möchtest. Dabei kennen alle die Rahmenbedingungen und haben solch einen Ideation-Prozess schon einmal durchlaufen.

Wenn Du allerdings mit Kollegen zum ersten Mal gemeinsam an neuen Ideen für Hypothesen und Experimente arbeitest, empfehle ich Dir eines der synchronen Formate. Dadurch kannst Du besser Hilfestellungen geben und eventuelle Unklarheiten bei den Beteiligten schneller ausräumen. Zudem habt Ihr dabei meistens auch noch mehr Spaß und lernt Euch besser kennen. 😉

Wichtig ist für Euch zu verstehen, dass sich der Prozess der Ideenfindung zu Eurem bisherigen Vorgehen im “Growth-Silo” verändern wird und muss, wenn Ihr dabei Kollegen mitnehmen wollt. Das wird sich vor allem mittel- bis langfristig auszahlen, kann sich aber kurzfristig auch wie ein Rückschritt anfühlen.

Vor allem beleidigte Egos durch Nicht-Berücksichtigungen von Ideen oder scheinbar endlose Diskussionsrunden über die “richtige” Idee oder Bewertung und damit langsamerer Fortschritt  wären sonst im reinen Experten-Team vielleicht eher selten. Vertraut daher immer auf die Wirksamkeit Eures Prozesses über den Augenblick hinaus.

 

Einbeziehung in die Ergebnisbetrachtung

Am Ende eines jeden Experiments steht das Ergebnis – egal ob als Bestätigung der Hypothese oder Ablehnung. Für eine nachhaltige Zusammenarbeit im ganzen Unternehmen entlang Eurer Growth-Strategie solltet Ihr hier wieder den Kontakt zu Euren Kollegen suchen, um sie auch zu lernenden (nicht einzelnen) Kämpfern zu machen.

Als Tools für diesen Schritt im Prozess bieten sich zum Beispiel spielerische Maßnahmen wie das Wetten auf Ergebnisse an und die Einführung eines virtuellen Experiment-Leaderboards. Lasst Kollegen dabei vielleicht sogar mit virtuellen Währungen auf den Ausgang eines Experiments wetten (sei es auf konkrete Metriken oder einfach nur den Gewinner) und kührt einmal im Monat den King oder die Queen of Experiments, die an der Spitze des Leaderboards stehen.

 

Einbeziehung spielerischer Maßnahmen bei der Ergebnisbetrachtung
Einbeziehung spielerischer Maßnahmen bei der Ergebnisbetrachtung

 

Dabei ist wichtig, dass Ihr Euch selbstlos aus dem Rampenlicht nehmt. Sorgt für die (kleinen) Erfolgsmomente bei Euren Kollegen, damit sie den Prozess der einzelnen Growth-Experimente, und damit langfristig Eure ganze Strategie, als etwas Tolles wahrnehmen, bei dem sich das Engagement gut anfühlt.

 

SCHRITT 3: Schaffe Transparenz über Deine Aktivitäten

Ein Symptom dysfunktionaler Organisationen ist die Bildung künstlicher Hoheiten durch das Ein-/ Vorbehalten von Wissen. Dabei ist meistens nicht der oder die Einzelne “schuld”, sondern das System, dass dieses Verhalten honoriert. Deswegen mag es sich in der Vergangenheit vielleicht auch für Euch gut angefühlt haben, beim Thema Growth der oder die Schlauste im Raum zu sein und als Einzige/r diesen Aspekt in Projekten zu vertreten.

Die schlechte Nachricht ist: Für eine nachhaltige Begeisterung des Themas Growth bei Dir im Unternehmen muss damit Schluss sein.

Die gute Nachricht: Wenn Du die Transparenzschwelle einmal überschritten hast, willst Du nicht mehr zurück. Glaub mir.

 

Transparenz schaffen und Wissen teilen
Transparenz schaffen und Wissen teilen (Quelle: www.steinbeis-edition.de)

 

Du musst aufhören, Deine Growth-Strategie und die Taktiken dahinter wie einen kostbaren Schatz zu behandeln, nur um ihn vor Deinen Kollegen zu schützen. Stattdessen geht es darum, Dein Vorgehen für Deine Kollegen so transparent wie möglich zu machen. Mögliche Ansatzpunkte dafür können sowohl quantitative Maßnahmen, wie öffentliche Monitore/ Dashboards mit aktuellen Experiment-Metriken sein, als auch qualitativ ausgerichtete Dinge wie regelmäßige Growth-Reviews oder die Einladung zur Beobachtung von Nutzer-Interviews.

Dieser “Umzug” ins Öffentliche verlangt Dir neben Geduld aber auch noch eine weitere Fähigkeit ab: Deine Kollegen nicht nur zu belehren, sondern nachhaltig schlauer zu machen.

Zum Beispiel in Momenten, in denen Leute alle 2 Tage fragen “ob der Test schon fertig ist”, obwohl “man” natürlich wissen müsste, dass A/B-Tests als Faustregel 2 Wochen laufen sollten. Aber wer wenn nicht Du sollte Deine Kollegen an die Hand nehmen und sie in einer gemeinsamen Session über Laufzeit- und Signifikanzberechnungen aufklären? Stell Dich Deiner Verantwortung, Experimente nicht nur selber bestmöglich umzusetzen, sondern auch Deine Kollegen dahingehend zu unterstützen, selber Growth-Wissen aufzubauen.

Beispiel einer individuellen Laufzeitberechnung für ein Experiment
Beispiel einer individuellen Laufzeitberechnung für ein Experiment

 

Der größte Aufwand im Umdenkens wird Dir sicherlich in Bezug auf Fehler bzw. fehlgeschlagene Experimente begegnen. Erinnerst Du Dich noch an meine Anmerkungen bezüglich binärer Arbeit? Genau das wirst Du auch hier meistern müssen. Während z.B. im Accounting, selbst kleine Fehler oft große (schmerzliche) Auswirkungen haben, geht es beim Experimentieren um kontinuierliches Lernen. Und am meisten lernt man nun mal aus Fehlern.

Daher sollte Dein Augenmerk darauf liegen, die richtige Fehlerkultur im Umgang mit Experimenten zu etablieren. Und damit meine ich nicht das sinnlose und überzogene Glorifizieren von Fehlern. Stattdessen meine ich das schnörkellose Eingestehen von Fehlern, sowie der offene Umgang mit diesen. Auch vor versammelter Mannschaft.

Letztendlich ist nämlich nicht die Anzahl Deiner erfolgreichen Experimente ein Indikator für das Wachstum des Unternehmens, sondern die Gesamtanzahl. Es geht darum, Experimentieren als anfassbar und selbstverständlich zu etablieren. Hab lieber einen Test draußen, der verliert, als eine Idee nicht zu testen. Insbesondere, wenn es darum geht, auch den Kollegen außerhalb des Growth-Teams eine Bühne zu geben.

 

Was unsere Webinar-Teilnehmer zum Thema "Learnings aus verlorenen Varianten" gesagt haben
Was unsere Webinar-Teilnehmer zum Thema “Learnings aus verlorenen Varianten” gesagt haben

 

 

Zusammenfassend möchte ich Dir drei Dinge mit auf den Weg geben, die Dir dabei helfen werden, Deine Kollegen nachhaltig für Eure Growth-Strategie zu begeistern:

  1. Verändere die Wahrnehmung einer Strategie von einem statischen Manifest hin zu einer agilen Hypothese, die gemeinsam erarbeitet und regelmäßig überprüft wird.
  2. Vertraue auf Deinen Growth-Prozess und setze darauf, dass diverse Teams mittel- und langfristig für bessere Experimente sorgen. Auch, wenn sich dabei kurzfristige “Wachstumsschmerzen” einstellen.
  3. Öffne die Black-Box Deines Growth-Prozesses und mache sowohl den Fortschritt, als auch die Misserfolge sichtbar und anfassbar.

Über den Autor

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Tim Herbig

Director Iridion

Tim ist Director iridion und damit verantwortlich für die Weiterentwicklung der führenden Conversion Management-Plattform. Mit seiner Leidenschaft für nutzerzentrierte Produktentwicklung und Agilen Teams sorgt er dafür, dass digitale Produkt nicht nur zum Selbstzweck gebaut werden, sondern echte Probleme lösen.
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11 Kommentare

  1. Gravatar

    Hannes Schrader,

    Ein vermutlich interessanter Artikel, würde er sich nicht am Anfang über Buzzword-Bingo lustig machen um einen Absatz später selber damit anzufangen. Was ist denn nen nun eine “Growth”-Strategie? Das wird in der entsprechenden Box vor lauter toller Begriffe nicht wirklich klar. Und was ist der Unterschied zwischen “Growth” und plattem “Wachstum”? Fragen über Fragen. Nach dem Absatz, was Growth-Strategie sein soll bin ich ehrlich gesagt ausgestiegen.

    • Gravatar

      Tim Herbig,

      Vielen Dank für dein Feedback, Hannes! Die Nutzung des Begriffs “Growth” gegenüber des inhaltlich gleichem “Wachstums” hat formal sicherlich keinen Unterschied. Jedoch nutze ich den Begriff lieber, da damit oft mals bei den Lesern auch ein anderes Mindset getriggert wird. Eines, dass sich eben noch stärker an Experimenten, statt dem Füllen kumulierter Wachstumsscharts für den Vorstand ausrichtet (meine überspitzte Meinung).
      Für mich ist eine Growth-Strategie im Kern die Erreichung der Firmenziele (monetär, aber auch nicht-monetär) durch firmenweites Experimentieren (+das dazugehörige Lernen). Es ist super wertvoll zu hören, dass ich diese Botschaft für dich noch nicht im Beitrag rüberbringen konnte. Die nächste Iteration des Artikels kommt daher bestimmt. 😉

  2. Gravatar

    sven.esser,

    Super Artikel!

    “Statt eines großen Dokuments, das 3-5 Jahre gültig ist, sollten Strategien wie agile Hypothesen gehandhabt werden, die spätestens alle 6 Monate durch neue Erkenntnisse überprüft werden.”

    …das bedeutet aber auch, das man -wenn man alle 6 Monate die Strategie überprüft- die Vision drüber hat der die verschiedenen Strategien alle folgen. Wenn nicht wird es ein Chaos und ist zum scheitern verurteilt.

    • Gravatar

      Tim Herbig,

      Vielen Dank, Sven! Du hast absolut Recht. Um so wichtiger ist es, der initialen Definition deiner Vision genug Zeit einzuräumen, damit diese eben auch Veränderungen der Strategie abdecken kann. Bzw. ist die Vision sicher als eine der wichtigsten Leitplanken für sich veränderne Strategien zu sehen.

  3. Gravatar

    sven.esser,

    Eine Vision sollte immer so groß sein, das sie die Strategie jederzeit abdeckt… außerdem folgt die Strategie der Vsision und nicht umgedreht. Schafft es die Strategie nicht mehr der Vision zu folgen läuft etwas schief. Zuerst gilt es dann die Strategie zu überprüfen. Diese darf, im Gegensatz zu der Vision, angepasst werden. Die Vision kann man anpassen, dies sollte aber nur in sehr wenigen Ausnahmen und sehr selten passieren.

  4. Gravatar

    Maxi,

    Wirklich ein super interessanter und ausführlicher Artikel. In einem Startup lässt sich das Mindset sicher ohne größere Probleme umsetzen. Bei einer etablierten Organisation stelle ich mir das allerdings unheimlich schwer vor.

    • Gravatar

      Tim Herbig,

      Vielen Dank für dein Feedback, Maxi. Dass dieser Veränderungprozess in einem etablierten Konzern schwieriger ist, als in einem (ohnehin schon agilen) Startup-Team, will ich nicht von der Hand weisen. Ich persönlich sehe es aber als die spannendere Herausforderung. Auch in Großkonzernen lässt sich zumeist schnell eine “Allianz der Willigen” finden, mit denen du ein crossfunktionales Team für erste Experimente finden kannst. Von dieser kleinen Keimzelle ausgehend, könnt ihr mit noch so kleinen Erfolgserlebnissen gut den Rest des Unternehmens “infizieren”. Wichtig ist dabei das proaktive Angebot des Teiles der Ergebnisse und der Einbeziehung. Auch, wenn ihr bei den ersten 3-4x vielleicht noch alleine in der Review euer Ergebnisse seid – Lasst euch davon nicht entmutigen. 🙂

  5. Gravatar

    timbowaffel,

    Was kann man machen wenn man durch nicht genügend Besucher/Conversions keine A/B Tests machen kann? Wie kann ich meine Hypothesen prüfen um zu wissen was ich verändern muss?

    • Gravatar

      Tim Herbig,

      Hi, vielen Dank für deine Frage. Das wichtigste hierbei ist, Stakeholder davon abzuhalten, A/B-Testing zum Selbstzweck zu machen, “weil man das doch so macht”. Stattdessen solltet ihr schauen, ob ihr einzelne Aspekte eurer Hypothesen bzgl. Nutzerverhalten (z.B. Orientierung im Product oder Erwartungshaltung/Assoziation mit einem neuen Bereich) so isolieren kann, dass ihr sie auch qualitativ untersucht. Dabei geht es dann nicht um 100% wasserdichte Beweise, sondern schlichtweg um das Sammeln von Indikatoren, dass ihr auf dem richtigen Weg seid. So bieten sich z.B. kurze Nutzerinterviews mit einem Prototypen an, den Nutzer explorieren können und ihr das Verhalten mit gezielten Fragen weiter versteht. Alternativ könntet ihr noch schauen, ob sich die Hypothesen in anderen Kanälen validieren lassen, in denen ihr höhere Fallzahlen erreichen könnt. Das könnten beispielweise e-mail newsletter sein, oder neue Landingpages, für die ihr gezielt Traffic auf via FB Ads oder Google AdWords einkauft.

  6. Gravatar

    timbowaffel,

    Hallo Tim, vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Damit sind wir einen großen Schritt weiter.

    2 Fragen hab ich noch zu: qualitativen Research.

    1. Wir wollen Kunden die bei uns bestellt haben ( kurz nach Erhalt der Ware)
    eine Umfrage senden. Wir wollen die Umfrage so kurz wir möglich halten. Welche
    Fragen wären essentiell? Unsere Auswahl bisher:
    Warum hast du dich für uns entschieden?
    Warum hast du dich für unser Produkt entschieden?
    Was hat dich fast davon abgehalten bei uns zu kaufen?

    2. Wir wollen auch Remote-User-Tests durchführen. Welche Aufgaben und Fragen sind
    hier besonders wichtig um Insights über die wirklich Wünsche und Bedürfnisse zu bekommen? Um herauszufinden warum nicht gekauft wird.
    “Such dir ein Produkt raus welches dir gefällt und spiele den Checkout durch. ”
    “Schau dich auf der Webseite um, was fällt dir positiv o. negativ auf?
    Sehen wir oft als Beispiele aber ist sowas wirklich sinnvoll?

    Über eine weiter Antwort würde ich mich extrem freuen.

    • Gravatar

      Tim Herbig,

      Hi! Vielen Dank für deine Fragen. Hier mal meine Meinung dazu in Kurzform:

      Re 1.: Die Fragen klingen auf jeden Fall nicht falsch. Vermeidet auf jeden Fall hypothetische und suggestive Fragen, da die ohne den richtigen Kontext keinen belastbaren Erkenntnisgewinn bringen. Fokussiert euch auf reale Dinge. So könnte man die letzte Frage auch umformulieren in: “Was hat dich im Kaufprozess am meisten gestört und warum? Interessant wären auch Fragen in die Richtung, was der Nutzer mit dem gekauften Produkt erreichen wollen. Grundsätzlich hängen die “richtigen” Fragen an der Stelle aber natürlich von einem ab: Was ist euer Ziel mit dieser Umfrage?

      Re 2.: Das Durchspielen lassen von Aufgaben eignet sich auf jeden Fall für Remote User Tests. Wichtig ist dabei immer eine aktive Webcam, damit ihr die Gestik/Mimik des Nutzers nachvollziehen könnt und so z.B. ein Stirnrunzeln erkennt, auch wenn sie/er sagt “Alles ist verständlich”. Wie in jedem Nutzertest, ist es auch Remote wichtig, dass ihr das Feedback des Nutzers in Kontext setzt. Also, beginnt auf jeden Fall mit Fragen rund um Demographie, sonstiges Einkaufsverhalten, genutzte Geräte etc. Praktisches Beispiel aus meiner Erfahrung: In einem Prototypen für ein neues internes CRM habe ich in der Vergangenheit mit meinem Team die Material UI von Google verwendet. In den Fragen vor dem eigentlichen Test haben wir dann auch abgefragt, welche Geräte/Betriebssysteme die Nutzer als Smartphone/Tablet einsetzen. Somit konnten wir Hürden wie, dass ein bestimmter CTA nicht gefunden wurde, einordnen, ob jemand schon Android-Nutzer (und damit viel vertrauter mit den Elementen war) oder iOS Nutzer war. Ohne diesen Kontext hätten wir den Split der Probleme, die Nutzer hatten, einfach als Zufall akzeptiert.

      Ansonsten ist beim Remote Testing das belastbare Tooling (z.B. Zoom und InVision) relevant. Eine meiner Lieblings-“Übungen” für User test ist Story-Mapping durch die Nutzer. Darin lässt du sie in einem Online Whiteboard (z.B. stickies.io oder Mural) jeden einzelnen Schritt zwischen dem Start und dem Ende einer vergangenen Experience (z.B. Bestellvorgang) durchgehen. So kannst du bei jedem Schritt im Detail einhaken und entdeckst neue Hürden und Gedankengänge, die du sonst nicht auf dem Zettel gehabt hättest.

      Ich hoffe, das hilft dir/euch noch mal weiter. 🙂

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