Experimentation

Konversionsrate verbessern: Numbercrunching oder Psycho-Kram?

André Morys
 Lesezeit: 4 Minuten    
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Achtung, festhalten, jetzt kommt eine Binsenweisheit: Menschen, die etwas kaufen, haben ein Motiv.

Puh. Jetzt ist es raus. Ich denke trotzdem einfach laut weiter: Motivation hat etwas mit “Motiv” zu tun. Oder? Der Begriff “Motivation” beschreibt genau gesagt die Handlungsbereitschaft, also die zielgerichtete Energie, um das Motiv zu verwirklichen.

Soweit so gut. Lassen wir es nun ein wenig komplexer werden: Motive sind vielschichtig – “das” Motiv gibt es nicht. Ein Beispiel: Ich kaufe eine Hose, weil ich eine Hose brauche. Wirklich? Ich kaufe einen Marken-Artikel, weil ich möchte, dass niemand denkt, ich könnte mir das nicht leisten. Ich suche im Internet nach einem Schnäppchen, weil ich ein gutes Gefühl beim Sparen habe. Wenn das Päckchen ankommt, fühle ich die Belohnung – “das habe ich mir verdient”. Das sind eine Menge Motive und Gefühle, die da eine Rolle spielen… Je emotionaler das Kauferlebnis ist, desto mehr Klamotten landen im Einkaufskorb, oder?

Ein Tipp: Mit Hilfe von Personas, Mental Models oder der Methodik der “Commercial Ethnography” lassen sich solche Motiv-Geflechte viel besser begreifen als mit der oberflächlichen Zielgruppen-Denke des letzten Jahrhunderts. Wer effektiv seine Konversionsrate verbessern möchte, sollte sich mit diesen Dingen auseinander setzen.

Warum lohnt es sich, über das komplexe Gefüge der Kunden-Motive Klarheit zu haben?

Zwischen dem ursprünglichen Grund-Motiv eines Nutzers und dem, was wir “Konversion” nennen – also der Abschluss einer von uns definierten Aktion –  liegen noch zahlreiche Steine im Weg. Motivation = Konversion; wer die Mechanismen kennt, kann den Entscheidungsprozess zu seinen Gunsten entscheiden. Die Motivation ist ein fragiles Konstrukt, mit dem richtigen Wissen über die Motivationsprozesse lässt sich sogar eine schwache Motivation zur Handlung steigern. Gelingt es uns, können wir das Resultat in Form einer hohen Konversionsrate messen.

Deshalb sage ich: Konversionsraten-Optimierung ist Psycho-Kram. Erwartungen, Bedürfnisse, intrinsische und extrinsische Motivation, Konsumpsychologie, Neuro-Marketing, und so weiter. Für die meisten eingefleischten Number-Cruncher und Zahlen-Füchse unter den Online-Versandhändlern ist es ein hartes Los, sich auf einmal mit solchen “weichen Faktoren” herumschlagen zu müssen…

Gute Onlineshops sind wie gute Verkäufer – sie kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden.

Ein Vergleich mit der realen Welt macht es deutlich. Bei realen Verkäufern zählen die Soft-Skills wie “Empathie”, “Glaubwürdigkeit” oder “Authentizität”. Wir wissen: Persönlichkeiten verkaufen besser. Jeden plumpen Versuch der Manipulation oder Überrumpelung entlarven wir bei einem schlechten Verkäufer sofort. Aber was unternehmen wir, um die Soft-Skills der Online-Portale zu optimieren? Wir glauben immer noch, 41% Uplift beim Vergleich zwischem gelben und grünem Button seinen effektive Verbesserungen. Wir halten es für Systematik. In Wirklichkeit stochern wir im Dunkeln.

Es lohnt sich daher, den Vergleich zu realen, zwischenmenschlichen Interaktions- und Kommunikationsformen zu ziehen. Wir können zur Verbesserung von Konversionsraten die bekannten psychologischen Erkenntnisse nutzen.

Warum erzähle ich das alles?

Weil so unendlich viel Geld für die falschen Sachen verschwendet wird. Weil unser Gehirn uns vorgaukelt, wir würden die rationale Ebene der Fakten beherrschen. Multivariates Testing und Web Analyse sind nicht falsch – aber auch nicht die ganze Wahrheit. Es gibt noch ganz andere Dimensionen der Konversions-Optimierung. “Was wir nicht verstehen, dass können wir auch nicht kontrollieren.” Wir glauben, Konversion passiert im Web-Analyse-System oder im Portal. Das stimmt nicht – Konversion passiert im Kopf des Konsumenten. Haben Sie daher den Mut, die Welt der weichen Faktoren zu betreten.

Vier Tipps, um noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft die Konversionsrate zu verbessern:

1.) Design-Anpassungen oder gar ein Redesign des ganzen Portals “aus dem Bauch heraus” sind nicht die besten Antworten auf zu niedrige Konversionsraten. Schließlich rufen erfolgreiche Einzelhändler auch nicht die Werbeagentur zur Optimierung des Einkaufs-Erlebnis in ihrem Flag-Ship-Store 🙂 Gehen Sie methodischer vor und versuchen Sie die Kauf-Motive und -Mechanismen ihrer Kunden zu verstehen.

2.) Begreifen Sie die Wirkung Ihres Portals auf die Nutzer. 90% der Kaufentscheidungen sind unterbewusst und irrational. Holen Sie sich offenes Feedback, z.B. in Form eines MotivationLabs®, um motivationale Barrieren zu erkennen und zielgerichtet zu beseitigen.

3.) Sorgen Sie für die richtige emotionale Resonanz. Im Hosen-Beispiel ganz zu Beginn zeigt sicht, dass emotionale Faktoren die Kaufentscheidung ganz drastisch beeinflussen. Dabei ist ein günstiger Preis oder das “Schnäppchen” eher ein Gefühl als das Produkt rationaler Entscheidungsprozesse. Eindeutig positionierte Shops (“Persönlichkeiten”) haben eine mehr als doppelt so hohe Konversionsrate wir der Gesamtdurchschnitt (Quelle: Konversionsraten deutscher Onlineshops, Hightext Verlag)

4.) Jetzt kommen Web-Analyse und Testing zum Einsatz: Gehen Sie schrittweise vor und testen Sie Verbesserungsvorschläge bevor Sie sie live schalten (A/B-Testing). Im Optimalfall testen Sie Kombinationen verschiedener Ideen um die beste Wirkungsweise zu identifizieren. Erfolgreiche Konversionsraten Optimierung ist ein kontinuierlicher Prozess und kein einmaliges Projekt.

und als Zugabe:

5.) Folgen Sie nicht blind den Empfehlungen und Tipps der Anderern. Nur weil ein anderer Shop mehr Konversionsrate durch die Integration von Videos hat, muss das noch lange nicht auf Sie zutreffen. Finden Sie es heraus – jeder Markt und jeder Shop hat in vielen Bereichen seinen eigenen Mechanismus.

Was sind Ihre Erfahrungen mit Redesigns, Numbercrunching und Testing?

Ich freue mich auf Kommentare, Fragen und Anregungen.

Über den Autor

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André Morys

Vorstand (Vors.)

André Morys (geb. 1974) ist Gründer und Vorstand (Vors.) von konversionsKRAFT, Deutschlands führender Agentur für Conversion-Optimierung und strategische Beratung in puncto digitales Wachstum. Darüber hinaus ist André Morys Initiator und Gründer der GO Group Digital, die ein weltweites Netz von Experten für digitale Transformation bildet.

Zu seinen Veröffentlichungen zählen “Die digitale Wachstumsstrategie” (2018) und „Conversion Optimierung” (2011) sowie zahlreiche Fachbeiträge in einschlägigen Medien zu Online-Marketing. Er ist zusätzlich als Dozent an der Fachhochschule Würzburg tätig und hält zahlreiche Keynotes und Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen zu den Themen digitales Wachstum, E-Commerce und Optimierungsstrategien.

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