Trends

8 Trends, die den E-Commerce 2024 und darüber hinaus verändern werden

Ann Marie Rohwedder
 Lesezeit: 10 Minuten    
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In einer Welt, in der Technologie und Innovation schneller voranschreiten als je zuvor, stehen Organisationen vor einer entscheidenden Frage:

Wie bleiben wir relevant und wettbewerbsfähig?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir verstehen, wie sich der Markt verändert.

Im Rahmen einer Projektarbeit mit der TU München haben wir – das sind Daniela Kurcz, Nike Hinz und ich – acht E-Commerce-Trends identifiziert, die die Digitalstrategie beeinflussen und die Sichtweise auf den Markt verändern. Davon jeweils drei, auf die wir unmittelbar reagieren bzw. uns aktiv vorbereiten müssen und zwei, die wir beobachten sollten.

Trend 1: User-generated Content

„User-generated Content“ (UGC) bezeichnet die Beteiligung von Nutzer:innen an der Erstellung und Verbreitung von Inhalten. Diese Mitwirkung erstreckt sich über diverse digitale Plattformen und kann in Form von Bewertungen, Rezensionen, Kommentaren, Bildern und Videos auftreten, aber auch in längerfristigen Kooperationen und Co-Creations. Dabei nehmen Nutzer:innen eine aktivere Rolle ein und gestalten die digitale Landschaft mit eigenen Beiträgen mit.

Die zunehmende Verbreitung von UGC hat bedeutende Auswirkungen auf Unternehmen und Branchen: Sie ermöglicht es Unternehmen, authentische Kundenstimmen einzufangen und zu nutzen, um Produkte und Dienstleistungen zu bewerben. Kundenbewertungen, Erfahrungsberichte und Empfehlungen werden zunehmend zu einer wertvollen Ressource, um Vertrauen aufzubauen und Interessent:innen und potenzielle Kund:innen zu überzeugen.

Das Schmucklabel Purelei zeigt bspw. in Carousel Posts auf Instagram Tragebilder von Käufer:innen (siehe Screenshot unten) und macht sich damit Behavior Pattern wie Social Proof, Self Expression, Faces and Views und Testimonials zunutze.

Screenshot: Purelei auf Instagram
Das Schmuck-Label Purelei setzt auf authentische Bilder von Kund:innen (Quelle: OMR Reviews)

UGC ist eine spannende Möglichkeit für Unternehmen, die Stimmen von Kund:innen in ihre Strategie zu integrieren und gleichzeitig auf eine Weise mit ihnen zu interagieren, die in der Vergangenheit nicht möglich war. Dieser Trend markiert einen Schritt in Richtung einer aktiven Beteiligung der Kund:innen und trägt zur Schaffung einer dynamischen und authentischen Online-Präsenz bei.

Trend 2: Loyalty Program

Loyalty Programs beschreiben die wachsende Anwendung von Treueprogrammen im digitalen Umfeld. Sie zielen darauf ab, die Loyalität (Bindung) von Kund:innen zu einer Marke, einem Produkt oder einem Unternehmen zu stärken. Sie bieten die Gelegenheit, Kundenbindung zu vertiefen und langfristige Beziehungen zu entwickeln.

Für Einzelhandelsmarken sind Treueprogramme laut YouGov heute schon die mit am häufigsten genutzten Marketing-Tools, um Kund:innen an sich zu binden.

Durch digitale Plattformen und Apps werden Kund:innen ermutigt, regelmäßig einzukaufen oder bestimmte Aktionen auszuführen, um Punkte, Prämien und Rabatte sowie exklusive und personalisierte Vorteile zu erhalten. Diese Interaktionen gehen über den traditionellen Kaufprozess hinaus und erlauben es Unternehmen, vor allem auch eine emotionale Verbindung ihrer Kund:innen zur Marke aufzubauen.

Die Outdoor-Bekleidungs Marke „The North Face“ nutzt ihr Loyalty Program namens „XPLR Pass“ (siehe Screenshot unten), um Mitgliedern Zugang zu bestimmten Vorteilsangeboten zu bieten. Neben der Möglichkeit, Punkte beim Einkaufen zu sammeln, gibt es Geburtstagsgeschenke, vergünstigte AllTrails Pro-Mitgliedschaften und unveröffentlichte Produkte zum Testen. Andere Beispiele sind das BahnBonus-Programm der Deutschen Bahn oder Miles & More der Lufthansa. Kund:innen können dabei durch Nutzung der Angebote (ergo Bahn- bzw. Flugreisen) Punkte sammeln und diese sogar für Freifahrten bzw. -flüge einlösen.

Screenshot: The North Face Loyalty Programm

Unternehmen können durch solche Treueprogramme Kundenbeziehungen auf innovative Weise pflegen und die Loyalität ihrer Kund:innen langfristig steigern. Eine digitale und individuelle Ausrichtung von Treueprogrammen ebnet den Weg für eine kundenzentrierte Kommunikation – und ist ganz nebenbei übrigens auch eine hervorragende Grundlage für Hyperpersonalisierung (siehe Trend 8).

Trend 3: Incentives

Incentivierung bezeichnet den strategischen Einsatz von Angeboten, Belohnungen und Vorteilen, um Website-Besucher:innen oder potenzielle Kund:innen zu gewünschten Aktionen zu motivieren („Wenn du dies tust, dann bekommst du …“). Das können ein Kauf, die Anmeldung zu einem Newsletter – hast du eigentlich unseren Newsletter schon abonniert? – ein Download oder auch ein simpler Klick sein.

Gut konzipierte Incentives können bei der Conversion-Optimierung helfen, indem sie zögernden Kund:innen zusätzlichen Anreiz geben, aktiv zu werden. Sie können das gesamte Nutzungserlebnis verbessern, indem sie die Interaktion zwischen Website und Nutzer:in aufwerten und durch sie können Unternehmen wertvolle Informationen sammeln, die dann als Grundlage für personalisierte Marketingmaßnahmen dienen.

Ein typisches Beispiel sind incentivierte Newsletter oder Kundenkonten: In vielen Onlineshops erhalten neue Abonnent:innen durch ihre Anmeldung einen Rabatt auf ihren Einkauf – wie bei HelloFresh:

Screenshot: HelloFresh Incentive
HelloFresh wirbt auf der Startseite gleich dreifach für die Registrierung – und verspricht im Gegenzug einen attraktiven Rabatt (Screenshot: hellofresh.de)

Der inflationäre Einsatz von Incentives kann langfristig allerdings dazu führen, dass Kund:innen nur dann das gewünschte Verhalten zeigen, wenn sie einen entsprechenden Anreiz dafür erhalten – ergo nur mit Gutschein oder Rabattcode einkaufen. Die Gefahr besteht, dass Unternehmen dadurch die „falschen“ Kund:innen anlocken: Schnäppchenjäger, die nur auf der Suche nach Günstig sind, statt Stammkunden, die vorrangig die Marke schätzen.

Die richtige Balance zwischen Anreiz und Wertversprechen ist erfolgskritisch, um potenzielle Risiken zu minimieren und ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen.

Trend 4: Conversational User Interfaces

Conversational User Interfaces (CUI) sind dialogbasierte Benutzeroberflächen in digitalen Systemen – etwa Chatbots, Sprachassistent oder Messenger-Dienste. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der natürlichen Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen erlaubt es, diese Gespräche (in Echtzeit) zu imitieren und erweitern und Kund:innen ein möglichst natürliches und angenehmes „Dialogerlebnis“ zu bieten – sei es bei der Kaufberatung oder als Kundenservice.

Das Naturtextilversandhaus hessnatur beispielsweise ist für Kund:innen inzwischen auch via WhatsApp erreichbar, um ihr Wachstum im E-Commerce mit einer digitalen Service-Lösung zu ergänzen. „Unser WhatsApp-Service hilft uns, Retouren zu reduzieren und somit Kosten einzusparen“, sagt Iris Schulz, Spezialistin Wholesale/Vertriebsplattform, dazu.*

Screenshot: Hessnatur WhatsApp-Kundenservice
Hessnatur-Kund:innen erreichen den Kundenservice bequem via WhatsApp (Screenshot: hessnatur.de)

Ein anderes Beispiel ist die französische Einzelhandelskette Carrefour, die in Kooperation mit Google sprachgesteuertes Einkaufen anbietet. Über den Google Assistant können Kund:innen in einer App Lebensmittel per Sprachbefehl auf ihre Einkaufsliste schreiben und einkaufen.

Die fortschreitende Implementierung von CUIs birgt großes Potenzial für diverse Unternehmen und Branchen. Unternehmen können – insbesondere durch Automatisierung und die Integration von künstlicher Intelligenz – effizienter auf Kundenanfragen reagieren und personalisierten Support bieten. Zudem stellen CUIs eine nahtlose Integration in den Alltag der Nutzer:innen dar, sei es in Form von Sprachassistenten oder Messenger App, wodurch das Engagement steigt und die Kundenbindung verbessert wird. Dieser Trend markiert die Richtung hin zu einer technologischen Interaktion, die intuitiver und stärker auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist. Aber, wie sagte André Morys so schön:

Ich glaube, dass die Menschen ein tief verwurzeltes Bedürfnis nach sozialer Interaktion, nach Empathie und danach haben, als menschliche Wesen verstanden zu werden. Kein System kann das im Moment ersetzen. Deshalb wird es auch in Zukunft entscheidend sein, das Kundenverhalten zu verstehen. Es sind immer noch die Menschen, die die endgültige Entscheidung treffen.

Trend 5: Mobile-only

Da mittlerweile fast jede:r ein Smartphone besitzt oder mobil surfen kann, ist die Optimierung des Nutzungserlebnisses ein entscheidender Aspekt von digitalem Marketing und E-Commerce Strategien geworden. Von „mobile-only“ sprechen wir, wenn ein Service ausschließlich per Smartphone bzw. App nutzbar ist. Uber ist ein Paradebeispiel für diesen Ansatz, ebenso die Dating-App Tinder.

Screenshot: Uber App im App Store

Ein großer Vorteil dabei ist der Zugang zu Standortdaten der Nutzer:innen – als integraler Bestandteil des Services wie bei Uber oder als optionales Feature, das Nutzer:innen auf Wunsch zusätzliche Funktionalität oder Komfort bietet.

Ein Nachteil ist die Vielfalt der Endgeräte und mobilen Betriebssysteme, die bei der Entwicklung und Optimierung von Apps berücksichtigt werden müssen, um ein konsistentes Nutzungserlebnis zu gewährleisten.

Gleichwohl birgt eine Mobile-only-Strategie oder als Ergänzung zu einer Omnichannel-Strategie großes Potenzial für Unternehmen, ihre zunehmend mobile Zielgruppen zu erreichen und die eigene Marke ins Relevant Set zu befördern.

Trend 6: Process Slimming

Trend Nummer 6, der an Bedeutung gewinnt, ist die Prozessverschlankung. Dabei geht es darum, Nutzerpfade zu optimieren, unnötige Schritte zu eliminieren und somit den gesamten Conversion-Prozess zu vereinfachen und die Reibungspunkte zu reduzieren. Denn heute muss alles schnell gehen – Effizienz und Benutzerfreundlichkeit sind hierbei die Schlüsselworte. Jeder Schritt wird auf das Wesentliche reduziert, um Nutzer:innen ein reibungsloses und angenehmes Erlebnis zu bieten.

Lange und komplizierte Konversionsprozesse führen oft zu hohen Abbruchraten, weil potenzielle Kund:innen bspw. frustriert sind. Sie wünschen sich immer schnellere und bequemere Bestellprozesse, die wenig kognitiven Aufwand erfordern.

Der Case von Waterdrop zeigt einen bequemen Check-out in zwei Schritten: vom Warenkorb zum Express-Check-out via Paypal zum Beispiel.

2-Step-Check-out von Waterdrop
Der Check-out-Prozess von Waterdrop besteht aus zwei Schritten – vom Warenkorb zum Bezahldienstleister (Screenshot: waterdrop.de)

Die Personalisierung spielt auch hierbei eine entscheidende Rolle: Unternehmen können Daten und Analysen nutzen, um den Prozess an die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Nutzer:innen anzupassen. Dadurch wird der Kaufprozess noch relevanter und ansprechender.

Trend 7: Smart Search Engine

Im E-Commerce hat die Suche nach Produkten und Informationen eine entscheidende Rolle für das Kauferlebnis von Kund:innen. In dieser Ära des digitalen Wandels wird der Trend der „Smart Search Engines“ daher immer relevanter, um die Online-Shopping-Erfahrung zu optimieren.

Smart Search Engines sind hoch entwickelte Suchmaschinen, die auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen basieren. Sie haben das Potenzial, das Einkaufen im Internet zu verbessern. Das Unternehmen Optimove bspw. hilft Kund:innen dabei, intelligente Suchmaschinen in Onlineshops zu integrieren. Dazu gehören auch personalisierte Suchergebnisse, integrierte Content-Empfehlungen und Sprachgesteuerung. Die Optimierung der Onsite-Suche z. B. durch die Einführung von Smart Search Engines verspricht eine höhere Kundenzufriedenheit, eine Steigerung der Konversionsraten und eine verbesserte Kundenbindung im Online-Handel. Es ist klar, dass diese Technologie die Zukunft des Einkaufens im Internet gestaltet und Händlern erlaubt, ihre Kund:innen z. B. durch die Analyse der Suchanfragen besser zu verstehen und deren Bedürfnisse zu erfüllen.

Trend 8: Hyperpersonalisierung

Ein Blick auf Amazons Website reicht aus, um das Prinzip der Hyperpersonalisierung zu verstehen. Das Unternehmen nutzt Daten aus dem Surf- und Kaufverhalten seiner Kund:innen, um Produkte zu empfehlen, die ihren Interessen entsprechen (könnten). Diese personalisierten Produktempfehlungen tragen wesentlich zu den aktuellen Umsätzen bei.

Screenshot: amazon.de

Hyperpersonalisierung ist die Art und Weise, wie Marken ihr Marketing auf einzelne Kund:innen zuschneiden. Diese zielgerichteten und personalisierten Erlebnisse werden durch Daten, Analysen, KI und Automatisierung ermöglicht. Unternehmen können damit auf den richtigen Kontext eingestellte Kommunikation an die richtigen Kund:innen, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit über den richtigen Kanal senden – und damit sowohl die Effektivität des Marketings steigern als auch die Effizienz.

Hyperpersonalisierung ist eine Chance, den steigenden Ansprüchen von Kund:innen gerecht zu werden: Sie wollen sowohl aus der Masse herausstechen als auch ein Teil der Masse sein. Indem Unternehmen Kund:innen Inhalte präsentieren, die ihrem Interesse und Einkaufsverhalten entsprechen, können sie Kundenloyalität und Zufriedenheit fördern. Indem Unternehmen zeigen, dass sie Kund:innen als Individuum schätzen, können sie sich von Marktbegleiter abgrenzen und das Ansehen der eigenen Marke stärken.

Wird in Kund:innen dabei jedoch das Gefühl erweckt, dass ihre Privatsphäre durch die personalisierte Marketingkommunikation gestört wird, kann das zu einem Vertrauensverlust und Einbußen in der Reputation kommen. In weiterer Konsequenz blockieren Kund:innen womöglich die künftige Kommunikation (Stichwort: Cookie Consent). Außerdem birgen zu wenige Informationen über Kund:innen sowie inkorrekte Annahmen das Risiko irrelevanter Empfehlungen.

Da ein Großteil der Kommunikation automatisiert und mithilfe von künstlicher Intelligenz auf Basis vorhandener Daten geschieht, sind die Datenmenge und Datenqualität kritische Erfolgsfaktoren.

Verantwortliche in Unternehmen sind daher gut beraten, die Chancen zur Verbesserung von Kundenerlebnissen und Kundenbeziehungen mit potenziellen Gefahren in puncto Datenschutz und Markenwahrnehmung abzuwägen. Gut kontrolliert ist Hyperpersonalisierung eine hervorragende Möglichkeit, die Customer Experience zu optimieren.

Fazit

Diese acht Trends reflektieren eine sich schnell wandelnde digitale Landschaft. Sie unterstreichen die Bedeutung von Kundenbindung, personalisierter Kommunikation und effizienten digitalen Prozessen. Unternehmen sollten diese Trends nutzen, um ihre digitalen Strategien zu verbessern, indem sie in Technologien für eine personalisierte Kommunikation und Customer Experience investieren. Der richtige Umgang mit diesen Trends kann maßgeblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Kundenzufriedenheit beitragen.

*Quelle: Sinch Engage

Über den Autor

Ann Marie Rohwedder

Junior Behavioral Scientist

Ann Marie hat Psychologie studiert und konversionsKRAFT als Junior Behavioral Scientist bei der methodischen Vorgehensweise unterstützt, um ein ganzheitliches Kundenverständnis zu generieren. In ihren Projekten setzt sie täglich Behavior Patterns ein und sorgt durch das Zusammenführen von quantitativen und qualitativen Daten dafür, dass Unternehmen ihre Zielgruppen bestmöglich abholen.

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