Konsumpsychologie und Behavior Patterns: Was Conversion-Optimierer wissen müssen
Wahrscheinlich ist es unser aller Ziel, die Nutzer auf der eigenen Website zu einer bestimmten Handlung – zum Beispiel dem Kaufabschluss – zu motivieren, oder?
sEine sehr effektive Methode der Verhaltenssteuerung ist der Einsatz von Regeln zur Aktivierung kognitiver Verhaltensmuster. Was hinter diesen sogenannten Behavior Patterns (oder auch behavioral patterns) steckt, was sie bringen und wie du sie gezielt zur Conversion-Optimierung einsetzen kannst, erklären wir dir in diesem Grundlagenartikel sowie in den verlinkten Deep Dives in die Praxis mit den einzelnen Patterns! Dich erwartet:
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- eine kurze Erklärung, was Behavior Patterns sind,
- eine Übersicht bewährter Behavior Patterns, die du zur Optimierung deiner Website nutzen kannst – entsprechende Tipps und Beispiele findest du dann in den jeweiligen Artikeln dazu,
- die Beschreibung eines simplen Prozesses zum Einsatz von Behavior Patterns
Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte haben wir dir hier aufbereitet.
Und jetzt: viel Spaß beim Lesen!
🎓 Bevor wir ins Thema einsteigen: Kennst du schon unseren Basis-Lehrgang für Testing & Experimentation? Nimm teil und lerne verschiedene Methoden kennen, um u. a. dank Konsumpsycholgie nutzerzentrierte Ideen zur Optimierung der eigenen Website zu generieren.
Kognitive Grundprinzipien des Verhaltens
Damit überhaupt ein Verhalten zustande kommt, müssen Informationen verarbeitet werden. Die Wissenschaft geht davon aus, dass das menschliche Denken aus zwei verschiedenen Denkmodi besteht: Aus System 1, dem unbewussten, schnellen Denken und System 2, dem bewussten langsamen Denken.
Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass du mit diesen beiden Systemen soweit vertraut bist (Daniel Kahnemans Buch dazu kennst du sicherlich?) und wir gleich zum eigentlichen Thema übergehen können. Wenn nicht, klicke bitte hier.
System 1 – Schnelles Denken
Das Denken mit System 1 arbeitet ohne willentliche Steuerung, ist schnell, intuitiv und nahezu mühelos. Das schnelle Denken wird außerdem von impliziten, also von unserem Bewusstsein nicht wahrgenommenen Reizen beeinflusst. Es ist immer aktiv und übernimmt alle einfachen Entscheidungen und Aufgaben. Hier entstehen auch spontane Eindrücke und Gefühle, die von System 2 verarbeitet werden.
Schnell denken wir zum Beispiel beim Beantworten einer einfachen Rechnung wie dieser hier:
3 + 3 = ?
Du weißt die Antwort schon, bevor du über die Rechnung nachdenkst, weil System 1 die Arbeit übernommen und automatisch reagiert hat. Das alles passiert unbewusst und ohne mentale Anstrengung, denn in diesem Fall kennt System 1 die Antwort bereits aus früheren Erinnerungen (Stichwort: Langzeitgedächtnis).
Auch auf Websites findet schnelles Denken statt. Zum Beispiel beim Durchlaufen gelernter Prozesse, über die wir nicht aktiv nachdenken müssen. Uns ist klar, dass blauer und unterstrichener Text klickbar ist und auf eine weitere Seite führt, oder dass wir zum Abonnieren eines Newsletters zunächst unsere E-Mail-Adresse in ein entsprechendes Formularfeld eintragen und die Anmeldung per Klick auf einen Button bestätigen müssen. Auch bekannte Icons, deren Bedeutung und Funktion wir auf Basis unserer Erfahrungen korrekt ableiten können, verstehen wir schnell und problemlos.
All unsere Entscheidungen werden demnach durch die erwähnten Eindrücke und Gefühle aus System 1 beeinflusst. Wir Menschen treffen Entscheidungen nicht rational, sondern überwiegend emotional. Die Wissenschaft geht davon aus, dass 95 % aller Entscheidungen unbewusst getroffen werden. Der Homo oeconomicus ist also genau genommen eine Illusion.
System 2 – Langsames Denken
Langsam denken wir, wenn mentale Aktivitäten anstrengend sind und unsere volle Aufmerksamkeit erfordern. Beispielsweise dann, wenn wir uns auf die Stimme einer bestimmten Person in einem überfüllten und sehr lauten Raum konzentrieren. Oder wenn wir zählen, wie oft der Buchstabe „a“ in diesem Blogbeitrag vorhanden ist.
Komplexe mathematische Aufgaben aktivieren in der Regel auch immer System 2. Oder kannst du das Ergebnis der folgenden Gleichung ohne Nachdenken bzw. Nachrechnen richtig angeben?
1.843,2 × 8,21 = ?
Das können wohl die wenigsten Menschen. Die richtige Antwort lautet übrigens 15.132,672.
Dem System 2 wird das eigene Bewusstsein zugeschrieben: das subjektive Erleben von Handlungsvollmacht, Entscheidungsfreiheit und Konzentration. Denken wir also aktiv über etwas nach, so befinden wir uns im Modus des langsamen Denkens.
Der Haken daran: Eigentlich wollen wir gar nicht nachdenken müssen. Denn das kostet uns Energie, und der Mensch ist darauf programmiert, möglichst energiesparend zu agieren. Mit Blick auf unsere Website heißt das: Der Nutzer will nicht nachdenken müssen, wo er als nächstes klicken soll. Eine Website soll intuitiv sein und den Nutzer möglichst geschmeidig (wir sprechen in diesem Zusammenhang auch gerne mal von “Flow”, siehe die Tabelle der Behavior Patterns unten) an den Ort auf der Seite bringen, von dem er noch gar nicht wusste, dass er dort hin will.
Denn die beiden Denkmodi sind unbewussten, kognitiven Verzerrungen ausgesetzt. Dadurch kommt es zu Fehlinterpretationen in den Bereichen Wahrnehmung, Erinnerung und Bewertung. Diesen Fehlinterpretationen folgt dann häufig ein Verhaltensmuster, also ein sogenanntes Behavior Pattern – und das können wir uns in der Gestaltung von Webseiten zunutze machen.
Was sind Behavior Patterns und wie können wir diese Verhaltensmuster zur Website-Optimierung verwenden?
Wissenschaftler wie Daniel Kahneman oder Robert Cialdini (du kennst sicherlich seine Bücher influence: The Psychology of Persuasion und Pre-Suasion: A Revolutionary Way to Influence and Persuade) widmen sich seit Jahrzehnten der Erforschung psychologischer Prinzipien. Sie beobachteten das Verhalten von Menschen und stellten Hypothesen auf, welche Trigger für welches Verhalten verantwortlich sind. Diese Prinzipien wurden aus verschiedensten psychologischen Disziplinen abgeleitet und in wissenschaftlichen Studien evaluiert. Daraus ist über die Jahre eine Sammlung von Behavior Patterns entstanden.
Behavior Patterns Definition: Unter Behavior Patterns verstehen wir kognitive Verhaltensmuster, welche die Wahrnehmung, das (Kauf-) Verhalten, Entscheidungen und die Motivation von Menschen beeinflussen können.
Inzwischen sind Behavior Patterns ein beliebtes, vor allem aber effektives Marketinginstrument. Sie lassen sich in allen Marketingkanälen, in jedem Schritt einer Customer Journey und für jede Art von Zielgruppe einsetzen. Aber Vorsicht: Hier sind Fingerspitzengefühl und Erfahrung gefragt! Teste stets, welches Behavior Pattern, wen (Zielgruppe/Limbic Typeund wann (Customer Journey) anspricht und welche Auswirkungen es hat.
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Die folgende Übersicht ist eine kuratierte Liste jener 55 Behavior Patterns*, die wir in unserem Kartenset aufbereitet haben und in unserer täglichen Arbeit verwenden. Neben einer Kurzbeschreibung findest du in dieser Liste auch weiterführende Links zum jeweiligen Pattern.
Behavior Patterns inkl. Kurzbeschreibung
Affect Heuristic
Viele Entscheidungen werden aufgrund von Emotionen aus dem Bauch heraus getroffen, nicht rational aufgrund von Statistiken oder Wahrscheinlichkeiten. Argumente, die eine emotionale Grundeinstellung zu einem Thema bestätigen, sind automatisch positiver.
Anchoring
Je nachdem, welcher mentale Referenzwert für etwas aus der eigenen Erinnerung oder Erfahrung herangezogen wird, erscheint etwas anderes im Vergleich größer, kleiner, teurer, günstiger, besser oder schlechter.
Authority
Menschen vertrauen bei ihrem Handeln auf Autoritäten. Sie folgen z.B. anerkannten Experten ohne große Bedenken. Je bekannter bzw. autoritärer eine Person oder ein Unternehmen ist, desto größer ist das Vertrauen.
Breaking Rules
Harmonie und Ästhetik sind wichtig, doch wenn etwas aus gewohnten Rastern ausbricht, erhält es besondere Aufmerksamkeit. Befindet sich ein Mensch in einem bestimmten Prozess, dessen Ablauf ihm bekannt ist, fällt eine Veränderung sofort auf.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Breaking Rules (inkl. Video)
Caring
Wer etwas besitzt, das ihm wichtig ist, sorgt sich darum und wird versuchen, es zu pflegen. Vor allem, wenn er den Erfolg seiner Pflege sehen kann. Menschen bekommen durch gewisse Schlüsselreize das Bedürfnis, sich um etwas oder jemanden zu kümmern.
Cheering
Es ist motivierend, bereits während einer Aufgabe positive Rückmeldung zu erhalten und zu sehen, dass alles richtig gemacht wurde.
Completion
Die Neigung, einmal angefangene Aufgaben fertig zu stellen, entsteht durch das Bedürfnis, mental damit abschließen zu wollen. Unterbrochene oder unvollständige Aktionen erzeugen eine unangenehme Spannung, die dazu führt, Tätigkeiten zu beenden.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Completion (inkl. Video)
Compromise Effect
Bei der Wahl zwischen mehreren Optionen tendieren wir dazu, extreme Optionen zu vermeiden und stattdessen “den goldenen Mittelweg” zu wählen. Gründe für diese Wahl können die Vermeidung von Risiken sein und/oder die Einschätzung, einen “guten Kompromiss” (z.B. Preis zu Leistung) zu erhalten.
Consistency/Commitment
Jeder Mensch strebt nach konsistentem Denken und Handeln. Der erste Eindruck zählt und eine einmal gewählte Richtung wird selten korrigiert. Festlegung ist der Auslöser für konsistentes Verhalten: Der eigene Standpunkt wird vertreten.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Commitment & Consistency (inkl. Video)
Contrast Effect
Entscheidungen werden am liebsten durch Vergleiche und in relativer Abhängigkeit zu Alternativen getroffen. Dabei ist das Verhältnis zwischen den bestehenden Optionen entscheidend.
Curiosity
Menschen sind neugierig. Sie haben das Verlangen, Unbekanntes zu erfahren und insbesondere Verborgenes kennenzulernen. Neugier führt dazu, Neues auszuprobieren und damit Veränderungen anzustoßen.
Emotional Resonance
Hinter jedem Motiv stecken weitere, tiefliegende Motive. Je präziser diese Wünsche und Werte durch implizite Signale angesprochen werden, desto intensiver ist die emotionale Wirkung.
Endowment Effect
Menschen erachten Dinge, die sie bereits besitzen, als wertvoller als etwas, was sie noch nicht haben. Vor allem dann, wenn sie einen emotionalen Wert darin sehen. Dies gilt auch, wenn sie sich emotional darauf eingestellt haben, etwas bald besitzen zu können.
Faces and Views
Gesichter und Blicke von Personen ziehen sehr viel Aufmerksamkeit auf sich. Blickrichtungen wird gefolgt, um herauszufinden, ob eine Person etwas Gutes oder Schlechtes bzw. Gefährliches beobachtet.
Flow
Wenn eine Aufgabe und die Schwierigkeit, diese Aufgabe zu bewältigen, in einem angemessenen Verhältnis stehen, wird die dabei entstehende Mühe vergessen. Der richtige Grad an Forderung und Feedback zum Fortschritt ist ausschlaggebend.
Framing
Wahrnehmung und Entscheidungsfindung werden durch die Rahmenbedingungen beeinflusst. Unterschiedliche Darbietungsweisen der gleichen Information beeinflussen Wahrnehmung und Verhalten des Kunden.
Free
Etwas gratis zu erhalten ist ein emotionaler Volltreffer. Wer etwas kostenlos erhält, hat keine Angst es zu verlieren. Ein Angebot kann deutlich an Attraktivität gewinnen, wenn es – zusätzlich – etwas kostenlos gibt.
Halo Effect
Stark hervorstechende, positive (oder auch negative) Merkmale können die weitere Wahrnehmung prägen und spätere Entscheidungen stark beeinflussen.
Hope
Menschen hoffen, dass ihre Entscheidungen ihr Leben verbessern. Sie lassen sich von dem leiten, was ihnen Hoffnung gibt. Die Hoffnung auf Besserung und positive Veränderung hilft dabei, Ziele zu erreichen.
Idleness Aversion
Vielen Menschen fällt es schwer, einfach mal “nichts zu machen”, auch wenn sie die nötige Zeit dafür hätten. Sie suchen sich fortwährende Beschäftigung nach dem Motto: “Beschäftigte Zeit ist sinnvoll verbrachte Zeit.”
IKEA-Effect
Etwas selbst Zusammengebautes bzw. Erzeugtes gewinnt deutlich an subjektiv empfundenem Wert verglichen mit gleichwertigen, aber bereits fertigen Dingen.
Illusion of Control
Entscheidungen werden als wertvoller angesehen, wenn sie das Gefühl erzeugen, dass sie durch eigenes Können oder Wissen gefällt werden. Dies gilt selbst dann, wenn zu dieser Entscheidung unbewusst hingelenkt wurde.
👉 zum Webinar über Illusion of Control
Implicit Signals
Das Bewusstsein kann nur einen Teil der wahrgenommenen Informationen ohne Aufwand verarbeiten. Visuelle Reize werden im Gegensatz dazu völlig unbewusst und schneller verarbeitet. Sie wirken sich auf die Motivation aus und haben damit auf die gesamte Entscheidung Einfluss.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Implicit Signals (inkl. Video)
Inner Dialogue
In einem inneren Dialog spielt der Mensch verschiedene Szenarien und Möglichkeiten durch. Dabei wägt er die Auswirkungen verschiedener Entscheidungen ab, um so den für sich richtigen Entschluss zu fassen.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Inner Dialogue (inkl. Video)
Joy and Fun
Die Motivation, etwas zu tun, steigert sich, wenn eine eigentlich mühsame Tätigkeit so präsentiert wird, dass daraus ein unterhaltsames Erlebnis wird. Dazu reichen bereits wenige positive Nutzererlebnisse und Interaktionen.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Joy and Fun (inkl. Video)
Known
Unbekannte Dimensionen werden dann verständlich, wenn sie mit etwas verglichen werden können, das allgemein bekannt ist. Dazu gehören zum Beispiel die Kosten von etwas, die Größe oder die Haltbarkeit.
Kognitive Dissonanz
Menschen empfinden es als unangenehm, wenn das eigene Verhalten im Widerspruch zur inneren Einstellung oder Überzeugung steht. Diese Spannung versucht der Mensch zu lösen, indem er Handlung und Überzeugung wieder in Einklang bringt.
Kognitive Leichtigkeit
Der menschliche Verstand versucht, Aufwand so gut es geht zu vermeiden. Kognitiver Aufwand entsteht, wenn Situationen auftreten, die unbekannt sind. Bekannte Darstellungen und Fakten erzeugen dagegen ein Gefühl der mentalen Leichtigkeit.
Loss Aversion
Meinen Besitz oder einen bestehenden Vorteil zu verlieren ist schlimmer, als etwas erst gar nicht besitzen zu können.
Mental Models
Menschen verstehen Unbekanntes schneller, wenn es durch bekannte Wirkungsweisen repräsentiert wird.
Mere Exposure Effect
Allein die wiederholte Darbietung von Personen, Situationen oder Dingen kann die Einstellung eines Menschen dazu positiv beeinflussen. Das Wiedererkennen erleichtert die kognitive Verarbeitung; die Vertrautheit steigt.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Nonsense Mere Exposure Effect (inkl. Video)
Mirroring
Menschen tendieren dazu, positive und negative Emotionen anderer zu spiegeln, um Mitgefühl auszudrücken. Im Umkehrschluss fühlen sich Menschen bestätigt und sicher, wenn ihre Aktionen von anderen explizit reflektiert werden.
Nonsense Math Effect
Wissenschaftlichen Aussagen wird meist Glauben geschenkt. Informationen, die als präzise Zahlen oder in Form wissenschaftlicher Diagramme dargestellt werden, werden als wichtiger und glaubwürdiger empfunden – egal, wie wahrheitsgemäß die Qualität dieser Daten ist.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Nonsense Math Effect (inkl. Video)
Nostalgia Effect
Wenn etwas an die Vergangenheit erinnert, entsteht ein Gefühl von Nostalgie. Die dadurch hervorgerufenen positiven Assoziationen mit dieser Zeit führen dazu, mehr in ein Produkt oder eine Dienstleistung zu investieren.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Nostalgia Effect (inkl. Video)
Order and Harmony
Menschen stehen geordneten, gut strukturierten und sortierten Dingen positiver gegenüber als Unordnung und Chaos.
Paradox of Choice
Je mehr Auswahl es gibt, desto schwerer fällt es, einfache Entscheidungen zu treffen. Dabei senkt die Angst vor Fehlern die Handlungsmotivation: Bevor falsch entschieden wird, wird eine Entscheidung vermieden.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Paradox of Choice (inkl. Video)
Patterns and Principles
Wenn Muster einmal durchschaut und für gut befunden wurden, ist es leicht, diese Muster immer wieder zu erkennen. Dadurch wird der kognitive Aufwand reduziert, die Wahrnehmung vereinfacht und Aufgaben erscheinen müheloser.
Peak End Rule
Erfahrungen bzw. Erlebnisse werden nach dem höchsten positiven oder negativen Gefühl während des Erlebnisses bewertet. Statt der Gesamtsumme oder eines Durchschnitts der Gefühle wird oft nur die aufgetretene Spitze als Wertung herangezogen.
Price Perception
Die Implizite Darstellung von Preisen kann die Wertigkeit eines Produkts beeinflussen und es teuer oder günstig wirken lassen.
Primacy-Recency Effect
Den zuerst und zuletzt erhaltenen Informationen wird am meisten Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Informationen werden später in der Erinnerung als die wichtigsten abgerufen.
Reason Why
Die Bereitschaft zu handeln ist größer, wenn ein Grund zum Handeln gegeben wird. Einer Bitte wird eher nachgekommen, wenn sie begründet wird. Ein angeblicher Grund ist besser als keiner – am besten sind plausible und relevante Gründe.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Reason Why (inkl. Video)
Rhyme as Reason
Aussagen in Reimform lassen sich kognitiv leichter verarbeiten. Sie werden eher als zutreffend und wahr betrachtet – ihnen wird eher Glauben geschenkt.
Reciprocity
Die Verpflichtung zur Gegenleistung ist tief in der menschlichen Kultur verankert. Erhalten Menschen eine Gefälligkeit oder ein Geschenk, fühlen sie sich in der Schuld, auch wieder etwas zurückzugeben, um dies auszugleichen.
Reward
Für erledigte Aufgaben belohnt zu werden, erhöht die Motivation, weitere Aufgaben zu erledigen. Dabei ist es wichtig, dass die Belohnung nicht nur materiell, sondern auch emotional von Bedeutung ist.
Rules
Durch Regeln werden Sachverhalte geklärt. Es wird meist sichergestellt, dass diese Regeln von allen Beteiligten eingesehen, verstanden und eingehalten werden. Klare und nachvollziehbare Regeln geben mehr Sicherheit.
Scarcity
Wenn etwas sehr knapp ist oder zeitlich begrenzt zur Verfügung steht, erzeugt dies deutlich mehr Aufmerksamkeit. Es wirkt wertvoller und erhöht die Motivation, sich jetzt dafür zu entscheiden, bevor es ein anderer tut.
Self Expression
Menschen suchen nach Möglichkeiten, ihre Persönlichkeit, ihre Gefühle und ihre Ideen ausdrücken zu können. Es ist motivierender, eine Aufgabe zu erledigen, wenn man seine eigenen Vorstellungen einbringen kann.
Social Proof
Menschen sind Herdentiere. Je mehr Menschen etwas nutzen oder tun, desto eher wird es von anderen Menschen akzeptiert, als positiv empfunden und nachgeahmt.
Status quo Bias
Für viele Menschen sind Veränderungen mit einem Störgefühl behaftet. Daher ist es wichtig aufzuzeigen, ob und wie sich der Status quo im Idealfall verbessert, und dass er sich in keinem Fall verschlechtert.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Status quo Bias (inkl. Video)
Storytelling
Informationen, die in Geschichten verpackt sind, sind leichter zu merken. Gleichnisse, Anekdoten und Metaphern erzeugen Bilder im Kopf. Dadurch werden Informationen besser verstanden und schneller gespeichert.
Success
Sofort den Erfolg einer Anstrengung wahrnehmen zu können, verringert die weitere Anstrengung und lässt Menschen auf weitere Erfolge hoffen.
Sympathy
Nichts schlägt das Gefühl von Sympathie. Sympathie heißt Attraktivität, Ähnlichkeit oder Vertrautheit. Echte Sympathie braucht vor allem eines: Authentizität. Stell sicher, dass deine Kommunikation authentisch ist.
Testimonials
Die Meinungen anderer verstärken die Glaubwürdigkeit einer Werbebotschaft. Empfehlungen stärken das Vertrauen in ein Produkt, vor allem, wenn sie von dir bekannten Personen sind – und nicht von der Marketingabteilung geschrieben wurden.
Trust
Vertrauen ist eines der stärksten psychologischen Motive für Entscheidungen. Wird Vertrauen in jemanden gesetzt, werden ihm eher positive Eigenschaften zugeschrieben. Vertrauen wird durch Transparenz, Ehrlichkeit, Autoritäten und soziale Bewährtheit erzeugt.
Try Out
Wenn etwas nicht auf Anhieb verstanden oder Produkteigenschaften im Vorfeld eingesehen werden können, entsteht der Wunsch, das Produkt ausprobieren zu können – dabei gewöhnt man sich häufig so daran, dass man es nicht mehr hergeben möchte.
Unlocking
Wenn es die Möglichkeit gibt, etwas vorher Unzugängliches zu erreichen, versuchen Menschen Zugang dazu zu erhalten, um so davon profitieren zu können. Dieses Prinzip kann genutzt werden, um etwas attraktiver zu machen.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Unlocking (inkl. Video)
Value
Ein einziges Argument, das einen persönlichen Mehrwert bietet, kann stärker sein, als viele generische Argumente. Zu viele Versprechen können hingegen verwirren. Menschen nehmen insbesondere wahr, was ein Angebot zu etwas Besonderem macht.
Zero Risk Bias
Menschen neigen dazu, Risiken zu vermeiden und würden am liebsten gar kein Risiko eingehen. Selbst wenn etwas für manche implizit als risikofrei erscheint, kann es von Vorteil sein, es auch explizit als risikolos oder so gut wie risikolos zu bezeichnen.
👉 zum überzeugungsKRAFT-Artikel über Zero Risk Bias (inkl. Video)
Well Travelled Road Effect
Dinge, die wir immer wieder in gleicher Art und Weise tun, erscheinen uns leichter, da wir uns dabei weniger konzentrieren müssen. Dadurch entsteht auch das Gefühl, dass wir dafür weniger Zeit brauchen, selbst wenn das nicht zutrifft.
Tension & Closure
Aufgebaute Spannung erzeugt verstärkte Aufmerksamkeit und das Bedürfnis nach einer Auflösung (=„Closure“). Spannende Geschichten und Elemente erwecken Neugier und Begehrlichkeit. Die Auflösung der Spannung führt dann zu einem sehr positiven und zufriedenstellenden Erlebnis.
Ranking
Menschen neigen dazu, sich bei Entscheidungen an Ranglisten zu orientieren. Produkte, Services oder auch Personen, die eine Rangliste anführen, wirken attraktiver. Auch die Position des Nutzers selbst, wenn sie in einer Rangliste verfügbar ist, motiviert!
👉 Hier erfährst du mehr über den Ranking Effect für besseres Cross- und Upselling
Preview
Die Vorschau auf Inhalte oder auf die Konsequenzen einer Handlung verringert Bedenken, weckt Neugier und erhöht die Motivation, etwas Neues auszuprobieren.
👉 mehr über Preview erfahren
Nudging
Wird ein Mensch bei seiner Entscheidungsfindung durch mehr oder weniger subtile Signale in eine bestimmte Richtung „gestupst“, ohne dass dabei auf Zwang oder finanzielle Anreize zurückgegriffen wird, wird dies als Nudging bezeichnet. Dies kann z.B. ein Hinweis auf Funktionalitäten oder Produkte sein – ähnlich wie die Empfehlung eines Verkäufers.
👉 mehr über den Nudging lesen
Neomanie
Neomanie beschreibt den Wunsch, immer wieder etwas Neues zu besitzen. Werden Produkte oder Eigenschaften deutlich als „neu“ wahrgenommen, haben sie einen besonderen Reiz, und ihre Attraktivität für den Kunden steigt.
Illusion of Truth
Aussagen, die bereits zuvor gehört oder gelesen wurden, wird ein größerer Wahrheitsgehalt zugesprochen als solchen, die erstmals gehört werden. Das passiert auch, wenn man den Wahrheitsgehalt nie wirklich überprüft hat, oder sich der Inhalt nur ähnelt.
Feedback
Feedback schafft Klarheit. Ohne Rückmeldung nach einer Handlung – in Form von Bestätigung oder Ablehnung – entsteht Unsicherheit. Unmittelbares Feedback direkt nach einer Aktion hingegen motiviert dazu, weitere Schritte vorzunehmen.
Diderot-Effekt
Wenn sich Menschen an einen bestimmten Stil gewöhnt oder Gefallen daran gefunden haben, möchten sie diesen immer mit dazu passenden Produkten ergänzen. Der Drang danach treibt und inspiriert sie in ihrem Konsumverhalten.
👉 mehr über den Diderot-Effekt lesen
Decoy Effect
Nimmt man bei einer Entscheidung zwischen zwei Optionen einen so genannten „Köder“ hinzu, der in Bezug auf eine der beiden Optionen deutlich schlechter erscheint, so wird die ursprüngliche Option durch den Vergleich attraktiver. Frei nach dem Motto „Wir fokussieren uns auf diejenigen Dinge, die leicht vergleichbar sind“.
👉 mehr über den Decoy Effect lesen
Context
Informationen sind einfacher zu verstehen, wenn sie im passenden Kontext erscheinen. Beispielsweise wird ein Produkt im Regal eines Bio-Ladens automatisch als Bio-Produkt wahrgenommen, selbst wenn es sich gar nicht um ein solches handelt.
Challenge
Herausforderungen erzeugen einen zusätzlichen Antrieb. Herausforderungen können klare Ziele, eine zu erfüllende Aufgabe oder ein Wettbewerb gegen andere Menschen sein.
Bonding
Bindung entsteht durch Vertrauen und einem Gleichgewicht aus Geben und Nehmen. Um eine Bindung mit etwas / jemandem einzugehen, muss es möglich sein, sich damit zu identifizieren.
Authenticity
Authentizität bedeutet ein echtes und unverstelltes Auftreten. Einer authentischen Darstellung wird in den meisten Fällen mehr Vertrauen entgegengebracht, und sie erzeugt Sympathie.
*Weitere Patterns sind bereits in Arbeit.
In Summe gibt es weit mehr als 200 verschiedene Patterns, die wir nutzen könnten. Wir experimentieren regelmäßig mit neuen und bewerten sie auf ihre Tauglichkeit in der Conversion-Optimierung. Kennst du bspw. schon unsere Metanalyse auswählter Behavior Patterns? Zudem tauschen wir uns in unserer Growth Ambassador Community regelmäßig mit unserer Community über die praktische Anwendung der Behavior Patterns aus. Bewirb auch du dich, um von Expert:innen zu lernen, damit deine Konversionsrate durch die Integration von Konsumpsychologie steigt. Sei dir außerdem gewiss, dass wir mit der Zeit immer mehr Patterns, die sich in der Praxis bewährt haben, ergänzen und ausarbeiten werden. 😎
Dark Patterns – Manipulation statt Motivation
Darkpatterns.org möchte auf einen Missbrauch von Behavior Patterns hinweisen und aufklären. Hier werden diverse Methoden erläutert und Unternehmen namentlich genannt, auf deren Websites böswillige Manipulationen festgestellt wurden.
Nutzer merken ohnehin immer schneller, wenn sie hinters Licht geführt werden – z.B. wenn der Rechnungsbetrag in der Bestellübersicht nicht der Erwartung entspricht. In Deutschland gibt es bereits einige Gesetze, die Konsumenten vor solch böswilligen Täuschungen schützen sollen.
Auch wir haben hier einige Dark Patterns Beispiele kuratiert.
Unternehmen wie Amazon, Reiseportale oder auch Versicherungen bewegen sich oft sehr dicht an der Grenze zu Dark Patterns. Der Logistikriese aus Seattle war beispielsweise in der Vergangenheit mal aufgrund von “technischen Problemen” nicht in der Lage, seinen Prime-Kunden den Zahlungsverlauf anzuzeigen (siehe Bild unten). Vielleicht weil diese nicht sehen sollen, wie viel Geld sie dafür insgesamt schon ausgegeben haben, und dass die Mitgliedschaft immer teurer wird…?
Der Einsatz von Behavior Patterns sollte stets Aristoteles’ Prinzipien der Überzeugung
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- Ethos (Überzeugung durch Objektivität und gute Absichten),
- Logos (Überzeugung durch Logik und Fakten) und
- Pathos (Überzeugung durch Empathie, Geschichten und Sprache)
folgen und auch einen Nutzen für den Kunden haben – und sei es nur die Reduktion des Entscheidungsaufwands.
Wir raten daher ausdrücklich vom Einsatz solcher Dark Patterns ab.
Die richtigen Behavior Patterns richtig einsetzen
Jetzt, wo du die verschiedenen Behavior Patterns kennst, solltest du sie auch gezielt einsetzen. Denn die Liste an sich ist noch längst nicht die Antwort auf die Frage, wie wir unsere Nutzer zu einer Handlung bewegen können. Und ich sage hier bewusst “bewegen” und nicht nur “motivieren”, wie wir das bei konversionsKRAFT sonst gerne formulieren, denn gemäß des Fogg Behavior Models müssen drei Dinge zur selben Zeit gegeben sein, von denen Motivation lediglich ein Aspekt ist:
- Motivation: Der Nutzer braucht einen Grund, warum er etwas tun soll.
- Ability: Der Nutzer muss die Fähigkeit und die Website die technische Möglichkeit haben, dass der Nutzer etwas tun kann.
- Prompt, oder Trigger: Es muss ein Reiz/Impuls vorhanden sein, der die Handlung des Nutzers anstößt.
Bleibt eine Handlung aus, ist gemäß des Modells und der dazugehörigen Formel B=M×A×P (wobei “B” für Behavior, also das ausgelöste Verhalten steht) davon auszugehen, dass einer dieser drei Aspekte nicht gegeben ist. Zudem ist der Zeitpunkt entscheidend, wann der Impuls gesetzt wird. Ein Nutzer könnte zum Beispiel motiviert genug sein, einem Impuls zu folgen, aufgrund mangelnder Zeit jedoch nicht in der Lage, das in diesem Moment auch tatsächlich zu tun. Motivationsimpulse führen dann eher zu Frust als Freude.
⬇️ Klicke hier für einen tiefergehenden Exkurs zur Formel und dem Fogg Behavior Model.
Das Fogg Behavior Model
Aus dem Fogg Behavior Model ist die Formel Behavior = Motivation × Ability × Prompt hervorgegangen, die in gewisser Weise als Checkliste dienen kann, um fehlende Faktoren zur Aktivierung von Nutzern (bzw. Menschen im Allgemeinen) zu identifizieren. Dabei existieren drei Kernmotivatoren, sechs vereinfachte Rahmenbedingungen zur Vereinfachung (Ability) und drei Typen von Reizen (Prompts oder auch “Call-to-Action”), die sich zur Aktivierung von Nutzern eignen:
Motivation:
- Gefühle (Freude/Schmerz)
- Erwartungen(Hoffnung/Angst)
- Zugehörigkeit (soziale Anerkennung/Ablehnung)
Ability:
- Möglichst geringer zeitlicher Aufwand
- Möglichst geringer finanzieller Aufwand
- Möglichst wenig physische Arbeit
- Möglichst wenig kognitive Arbeit
- Möglichst hohe soziale Konformität
- Möglichst hohe Kongruenz mit bestehenden Routinen
Jede dieser Anforderungen ist höchst individuell, und die tatsächliche Fähigkeit eines Nutzers richtet sich nach der restriktivsten dieser Ressourcen. Ist Zeit beispielsweise bei einem Nutzer nicht oder nur sehr wenig vorhanden, dann ist es quasi egal, wie wenig physische oder kognitive Arbeit eine Handlung tatsächlich erfordert.
Zudem besteht zwischen der Ability und der Motivation eine Interdependenz: Je geringer die Ability ist, desto höher muss die Motivation sein, um den Nutzer zu einer Handlung zu bewegen.
Prompts:
- Facilitator (hohe Motivation/geringe Ability): Die Handlungsaufforderung stellt die Einfachheit einer Aufgabe in der Vordergrund.
- Signal(hohe Motivation/hohe Ability): Eine einfache Aufforderungen zu einer konkreten Aktion reicht aus, um den Nutzer zu aktivieren.
- Spark (geringe Motivation/hohe Ability): Die Handlungsaufforderung zielt primär darauf ab, die Motivation des Nutzers zu steigern.
Daraus können E-Commerce-Verantwortliche im Grunde auch die Anforderung an das Timing und die Ausgestaltung von “Conversion Triggern” ableiten (heißt: “Was muss der Trigger konkret bewirken?”). Diese können wir dann mit Hilfe von Behavior Patterns auf der Website umsetzen.
📗 Zur Vertiefung empfehle ich das Buch Tiny Habits: The Small Changes that Change Everything von BJ Fogg.
Hinzu kommt, dass viele Behavior Patterns bislang nur in einem experimentellen Kontext nachgewiesen wurden, oft außerhalb des E-Commerce. Wir empfehlen daher folgende Vorgehensweise bei der Wahl, Verprobung und Anwendung von Behavior Patterns – die Definition der Zielgruppe und eine konkrete Problem- bzw. Zielstellung vorausgesetzt:
- Im ersten Schritt analysieren wir die Website und suchen nach Schwachstellen bzw. Potenzial zur Verbesserung. Das machen wir zum Beispiel anhand unseres 7-Ebenen-Modells, um dabei direkt in die Rolle des Nutzers zu schlüpfen und die Perspektive zu wechseln. Auf diese Weise entgehen wir hoffentlich der Betriebsblindheit.
- Danach nutzen wir gerne unser Behavior Pattern Kartenset, um vielversprechende Patterns auszuwählen bzw. eher unpassende Patterns auszusortieren. Es gibt zwar meistens einen Weg, ein bestimmtes Pattern für einen konkreten Anwendungsfall zu nutzen, aber daraus entstehen nicht unbedingt die höchsten Uplifts.
- Der nächste Schritt beinhaltet die (Design-) Konzeption, um das Pattern gezielt zu triggern. Dabei kann es helfen, die ursprüngliche Forschungsmethodik des jeweiligen Tests auf das Konzept zu übertragen. Wie könnten wir bspw. “The Copy Machine Experiment” auf eine Website übertragen? Indem wir dem potenziellen Kunden ein “Weil-Argument” liefern. Wie könnten wir das “The Ash Elevator Experiment” auf eine Website übertragen? Indem wir dem potenziellen Kunden das Verhalten anderer Nutzer oder Kunden vor Augen führen, sodass er dieses auf der Website imitiert.
- Auf das Konzept folgt im dritten Schritt dann die Testkonstruktion, die auch die Messmethodik und die zu beobachtenden Metriken definiert. Dank Session IDs, Cookies und Cluster-Ansätzen ist es uns im Digitalbereich überhaupt möglich, Entscheidungsprozesse retrospektiv zu rekonstruieren und dadurch die Customer Journey zu skizzieren, auf deren Basis dann weitere Tests zur Website-Optimierung folgen können.
Und wenn zunächst einzeln getestete Patterns eine positive Änderung bewirkt haben, so können wir nach und nach mehrere Patterns in sogenannten “Persuasive Techniques” kombinieren. Dadurch können wir die einzelnen Effekte bestenfalls noch verstärken. Aber Vorsicht: Behavior Patterns können sich auch gegenseitig negativ beeinflussen.
Ab einem gewissen Punkt wiederholt sich dieser Vorgang, spätestens dann, wenn du ein neues Ziel verfolgst oder eine andere Zielgruppe ansprechen willst. Denn nicht jeder Mensch reagiert gleich auf die gleichen Prinzipien. Behavior Patterns, die bei einer Zielgruppe eine starke Wirkung gezeigt haben, können bei einer anderen negative Effekte auslösen. Das ist vergleichbar mit dem Hook-Modell (siehe Bild unten): Du testest unterschiedliche Trigger (Behavior Pattern), um herauszufinden, wie sie das Verhalten – ergo die Aktion – des Nutzers beeinflussen. Erhält der Nutzer dafür eine Belohnung, die seiner Erwartung entspricht, kannst du seine Investition in Form eines Uplifts bei deiner Conversion Rate messen.
Datenbasierte Echtzeit- oder zumindest segmentielle Personalisierung heißt die Lösung, mit der du dich dann ab einem gewissen Grad der Optimierung für weiteres Wachstum beschäftigen solltest.
Einschränkungen beim Einsatz von Behavior Patterns
Zwei Aspekte sollten abschließend noch als “limitierende Faktoren” beim Einsatz von Behavior Patterns erwähnt werden:
- Vermutlich möchtest du Produkte oder Dienstleistungen verkaufen und die Anzahl der Kunden bzw. deinen Umsatz mit Hilfe von Behavior Patterns steigern. Damit das funktioniert, müssen dein Onlineshop bzw. deine Website fehlerfrei und deine Produkte an sich konkurrenzfähig sein – funktional, ästhetisch und ggf. auch preislich. Ist das nicht der Fall, bringen dich Behavior Patterns auch nur ein Stück weiter.
- Die Kultur eines Landes hat großen Einfluss auf die Wirkung einzelner Patterns. Die westliche Gesellschaft ist zum Beispiel eher individualistisch geprägt, sodass mit Blick auf das Pattern “Authority” einzelne Personen sehr gut als Autorität funktionieren. In kollektivistischen Gesellschaftlichen wirken hingegen eher Institutionen oder Gruppen als Autorität. Geert Hofstedes sechs kulturelle Dimensionen sind in diesem Kontext eine gute ergänzende Lektüre. Oder auch Nathalie Nahais Buch Webs of Influence.
Fazit: Verhaltensmuster bilden die Grundlage der Website- und Conversion-Optimierung
Kaufentscheidungen verlaufen nie rein rational sondern basieren auf unterbewusst ablaufenden Prozessen. Darunter fallen auch kognitive Verzerrungen – Denkfehler, die zu Verhaltensmustern werden und die wir uns im Marketing und im Zuge der Conversion-Optimierung zunutze machen können.
Der Einsatz von Behavior Patterns bietet großes Potential zur Steigerung der Conversion Rate, aber nur, wenn das Ganze auch richtig angegangen wird: Sichere dich durch hypothesenbasierte A/B-Tests ab und analysiere stets die Wirkung auf deine Zielgruppe (und natürlich deine Conversion Rate 😉).
Key Insights – Behavior Patterns to go
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- Es gibt unzählige Behavior Patterns, die wir rein theoretisch für die Optimierung der User Experience zugrunde legen könnten. Aber ist es nicht viel bequemer erstmal mit denen anzufangen, die sich schon des Öfteren bewährt haben?
- Behavior Patterns können sich gegenseitig (negativ) beeinflussen und sollten daher zunächst einzeln getestet werden. Erst bei positivem Einfluss auf das definierte Ziel sollten wir sie experimentell miteinander kombinieren.
- Dark Patterns dienen der Manipulation des Nutzers und sind grundsätzlich zu vermeiden, wenngleich eine gewisse Grauzone existiert.
- Der Einsatz von Behavior Patterns basiert auf einem simplen Prozess: Nach der Website-Analyse folgt die Auswahl der Patterns, woraufhin Konzepte entwickeln und Tests konstruiert werden. Die Ergebnisse liefern Insights für die nächsten Hypothesen und Experimente.
- Die Verwendung von Behavior Patterns unterliegt funktionalen Einschränkungen, denn schlechte Produkte verkaufen sich auch dann nicht besser (oder werden im Anschluss ggf. häufiger reklamiert). Außerdem spielt die Kultur eine wichtige Rolle dahingehend, wie einzelne Patterns auf Nutzer in unterschiedlichen Ländern/Kulturen wirken.
Was sind deine Take-aways? Hast du Behavior Patterns schon live erlebt?
Nutze die Macht! (Aber nicht die dunkle Seite…)
Registriere dich jetzt für den kostenlosen E-Mail-Kurs “Konsumpsychologie mit Behavior Patterns” und lerne ausgewählte Pattern anhand praktischer Beispiele kennen und nutze sie selbst zur Optimierung deiner Website – inklusive Tipps unserer Psychologen und UX-Experten.
PS: Der Buchstabe “a” kommt in diesem Artikel 1489 Mal vor. Hast du richtig gezählt? 😉
7 Kommentare
Arne,
Vielen Dank für diese tolle Übersicht / Zusammenstellung!
Gerade im Hinblick auf das Pattern „Scarcity“ wäre es klasse, wenn Ihr in einem zukünftigen Beitrag dieses Thema aufgreifen/beurteilen/Eure bisherige Erfahrung teilen mit uns könntet: https://heise.de/-4621903
Dank‘ Euch im Voraus & eine schöne Weihnachtszeit!
Robert Weller,
Hallo Arne! Danke für deinen Kommentar und den Hinweis auf die Diskussion; wir verfolgen das schon eine Weile… Welche Fragen tauchen in diesem Kontext bei dir auf? Wozu genau würde dich unsere Meinung interessieren?
Arne,
Hallo Robert, danke für Deine Rückmeldung. In der Meldung auf heise.de bin ich darüber gestolpert, dass die EU-Kommission sowie Verbraucherschützer von “manipulativen Methoden” sprechen. Klingt irgendwie nach den von Euch erwähnten “Dark Pattern”… Hier prallen anscheinend zwei Ansichten aufeinander, denn für mich als Optimierer sind Behavior Patterns ein “gutes” Mittel um für echte Kundenzentrierung und Verbesserung der UX im Sinne des Kunden zu sorgen, nicht wahr? Was daran verstößt anscheinend gegen das EU-Verbraucherschutzrecht? Habt Ihr dazu vielleicht mehr Infos?
Und: was könnte solch eine juristische Sichtweise und das Verhalten der EU (was haben sie denn booking.com angedroht?) für die Optimierer, die sich als Ziel gesetzt haben, einen Optimierungsprozess zu implementieren, bedeuten? Die erkannt haben, wie wichtig die Förderung und Stärkung der Kultur des Experimentierens im Unternehmen durch das Management ist. Der hart überzeugte Manager aufgrund solcher News vielleicht aber kalte Füße bekommt und seinen Support zurückzieht? Alle Bemühungen für die Katz?
Vielleicht habt Ihr Euch schon ähnliche Fragen gestellt und dazu ein erstes Stimmungsbild oder Rückmeldungen (von Euren Kunden oder aus Eurem Netzwerk der GO Group)? Dankeschön und viele Grüße
Manuel Ressel,
Hallo Arne,
danke für deinen Kommentar und deine Fragen. Wie Robert schon gesagt hat, haben wir auch den Artikel von heise intern diskutiert.
Ich finde es persönlich selbst sehr schade, dass ein Qualitätsmedium wie heise den Artikel in dieser Form veröffentlicht hat.
Hierzu gibt es zwei Gründe:
1. Die Anpassungen von booking.com werden in dem Artikel sehr undeutlich und dadurch missverständlich erläutert. Die Aussage über die Verfügbarkeit der Zimmer („Solche und andere Tricks will die Plattform nach einer Intervention der EU-Kommission zukünftig unterlassen, […]“) suggeriert zum Beispiel, dass booking.com die Verfügbarkeit gar nicht mehr anzeigen wird. Das ist allerdings nicht richtig. Sowohl im Artikel von Reuters (auf den sich heise bezieht), als auch in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission, ist eindeutig beschrieben, dass booking.com lediglich klarstellen soll, dass sich diese Verfügbarkeit nur auf ihr Portal bezieht. Dies wird im Artikel von heise so eindeutig leider nicht beschrieben.
Wie man in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission einsehen kann, trifft dies auf mehrere Änderungen zu, dass Aussagen für den Nutzer verständlicher formuliert und dargestellt werden, nicht aber dass sie komplett unterlassen werden.
Umgekehrt gibt es natürlich auch Praktiken, die zukünftig unterlassen werden sollen, wie z.B. befristete Angebote, die im Anschluss nach der Frist weiterhin verfügbar sind. Aber ich denke hier sind wir uns einig, dass dies tatsächlich eine Irreführung des Nutzers und damit auch nicht im Interesse des Nutzers ist und zu recht unterlassen wird.
Die Pressemitteilung der Europäischen Kommission findest du übrigens hier: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_19_6812
2. Wie du auch schon sagst, wird schon in der Headline und Einleitung durch Wörter wie „Psycho-Tricks“ und „manipulative Methoden“ ein stark negatives Framing gesetzt. Andere Medien haben den Sachverhalt wesentlich sachlicher eingeleitet.
Reuters: Booking.com agrees to EU demands to change travel offers
Zeit: Anzeigen auf Booking.com werden besser vergleichbar
Europäische Kommission: […] die Darstellung von Angeboten und Preisen mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen
Auf positive Effekte auf die Nutzererfahrung wird im Artikel, wie du schon sagst, leider gar kein Bezug genommen.
Um auf deine Fragen zurückzukommen…
Eine genaue und verständliche Auflistung der Änderungen findest du wie schon gesagt in der Pressemitteilung der Europäischen Kommission.
Daraus geht hervor, dass Behavior Patterns wie Scarcity, Social Proof usw. weiterhin zugelassen sind. Aussagen sollen sich natürlich nur auf die Realität beziehen und dem Nutzer kein falsches oder missverständliches Bild vermitteln.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ein undeutlicher Artikel von heise direkt dafür sorgt, dass sich das Stimmungsbild ändert, zumal die Darstellung in anderen Medien sachlicher und nachvollziehbarer gestaltet ist.
Ganz im Gegenteil finde ich, dass in den letzten Jahren das Bewusstsein dafür gestiegen ist, dass es für eine erfolgreiche Optimierung unabdinglich ist, zu verstehen, wie sich Menschen verhalten und welche Emotionen und Motivation hinter den Entscheidungen von Menschen stecken und darauf einzugehen.
Arne,
Hi Manuel! Top, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und insbesondere den Verweis auf die Pressemitteilung der EU-Kommission – sehr hilfreich und deutlich verständlicher! Viele Grüße, Arne
Aileen,
Der beste und umfangsreichste Artikel zur Verkaufspsychologie, den ich bisher gelesen habe! Schafft nen super Überblick und hilft mir grad echt beim Ausbau & Umsetzung in die Richtung
Robert Weller,
Hallo Aileen, vielen Dank für dein tolles Feedback! Es freut mich besonders zu hören, dass du dahingehend nicht nur die Theorie konsumierst sondern das auch gleich in die Praxis mitnimmst. Viel Erfolg dabei! Meld dich jederzeit, wenn du Fragen hast oder Anregungen brauchst. 😉