Verknappung als verkaufssteigernde Maßnahme im E-Commerce
Limitierte und rare Produkte oder Dienstleistungen waren für den Konsumenten schon immer interessanter und begehrlicher als augenscheinlich unbegrenzt verfügbare Güter. Mit abnehmender Verfügbarkeit eines bestimmten Angebots steigt beim potentiellen Kunden daher die Dringlichkeit, so schnell wie möglich zuzuschlagen.
Das Ergattern eines besonders günstigen und/oder seltenen Guts stellt für den Käufer außerdem eine Belohnung dar und vermittelt im Zuge dessen oftmals das Gefühl, als Gewinner der Kaufsituation hervorzugehen.
Die Nutzung dieses menschlichen Verhaltensmusters als verkaufsförderndes und beschleunigendes Marketinginstrument wird als Verknappung (engl.: scarcity) bezeichnet.
Wie lässt sich dieses Prinzip einsetzen?
Je nach Produktsparte und Geschäftsmodell können verschiedene Kennzahlen und Informationen genutzt werden, um die Limitierung möglichst detailliert zu verdeutlichen. In Frage kommende Variablen sind dabei zum einen die Verknappung des Bestands, und zum anderen die Begrenzung der zeitlichen Verfügbarkeit.
Die Verknappung alleinig durch diese Faktoren ist in der vorherrschenden Marktsituation des Überangebots allerdings nur noch sehr bedingt erfolgsversprechend, da der Interessent zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit hat einen anderen Händler zu wählen, der das gewünschte Produkt zum gleichen Preis sofort liefern kann.
Eine Ausnahme bilden hier exklusive und von vornherein mengenmäßig limitierte Waren oder Kontingente, die meist nur bei bestimmten Anbietern zu erstehen sind.
Interessant wird das Angebot in der Regel aber dennoch erst durch die Kombination von begrenztem Zeitraum und/oder mengenmäßiger Verfügbarkeit gekoppelt mit einer für den Kunden relevanten Preisminderung. In diesem Fall differenziert sich der Händler also nicht durch das Produkt – sondern alleinig durch den Preis.
So werben zum Beispiel Supermärkte und Elektronikfachmärke regelmäßig mit Angeboten, welche lediglich für eine Woche besonders günstig zu erstehen sind – natürlich nur solange der Vorrat reicht. Wie groß der tatsächliche Vorrat denn ist und wie lange er reicht, erfährt der Interessent im Angebotsprospekt aus dem Postwurf allerdings nicht.
Besser funktioniert dies beim Teleshopping, wo die Lagerbestände bzw. Verkäufe quasi in Echtzeit aktualisiert und dem Zuschauer deutlich angezeigt werden können. Die mit sinkenden Lagerbeständen erzeugte Dringlichkeit und das Offenlegen von Transaktionen anderer Kunden kann im Entscheidungsprozess sicherlich die ein oder anderen Zweifel oder Unentschlossenheiten vergessen lassen und die Kaufentscheidung stark beschleunigen.
Genau diese Vorteile bieten sich auch im E-Commerce…
…da Shopsysteme dem Nutzer sofortiges Feedback über die verfügbaren Stückzahlen liefern können und Alarm schlagen, wenn die Bestände zur Neige gehen.
In diesem Zusammenhang ist allerdings dringend davon abzuraten, die Lagerbestände künstlich extrem niedrig zu halten bzw. dies zu suggerieren, um den Interessenten schnellstmöglich zu einer Entscheidung zu drängen.
So konnten wir in zahlreichen Analysen verschiedener Onlineshops beobachten, dass es den Probanden sehr schnell auffällt, wenn viele Produkte permanent nur in einer sehr geringen Stückzahl verfügbar sind. Ständig wiederkehrende Angaben wie z.B. „nur noch 1 Artikel verfügbar!” verlieren sehr schnell an Bedeutung und schaden sowohl der Glaubwürdigkeit als auch der Seriosität des Shopbetreibers.
Eine ähnlich geringe Bedeutung erlangen Angaben wie z.B. „nur noch wenige Artikel auf Lager”, welche keine Informationen über exakte Zahlen oder festdefinierte Ranges beinhalten und folglich eine Eigeninterpretation der Aussage erfordern.
Der Lagerbestand von the-affair.com (Abbildung unten) ist für den Nutzer durch die Angabe von real bezifferten Beständen sehr detailliert aufbereitet, und liefert darüber hinaus durch die farbliche Füllung der Icons ausgehend vom linken Rand ein visuelles Feedback über die Anzahl der noch verfügbaren Shirtgrößen. Der exakte Wert (hier: 24 bei XL) wird beim Mouseover über die jeweiligen Icons angezeigt.
Der Modeversender geht sogar noch einen Schritt weiter und listet auch alle Shirts, die bereits in allen Größen ausverkauft sind. Auf der Produktübersicht werden diese in einer gesonderten Kategorie „Sold Out“ dargestellt.
Ein ausverkauftes aber dennoch sehr interessantes Produkt anzuzeigen birgt natürlich das Risiko, dass der Nutzer den Shop verlässt um es eventuell bei einem anderen (Konkurrenz-) Anbieter zu finden.
Aufgrund des Vertriebs der Shirts exklusiv über diesen Shop kann dieses Risiko allerdings ausgeschlossen werden. Alle weiteren Verknappungssignale der Seite, allen voran die Bestandsanzeige, gewinnen dadurch hingegen immens an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft.
Konsumstress durch zeitliche Begrenzung
Eine komplett auf dem Prinzip der Verknappung basierende Verkaufsstrategie verfolgen Live- und Clubshoppingportale wie woot!, Brands4Friends oder die Zalando Lounge (Abbildung unten). Im Fokus stehen hier Produkte, die zu einem limitierten Zeitraum zu einem besonders günstigen Preis verkauft werden.
Ein große Rolle spielt besonders bei solchen Shopping-Clubs zweifelsohne auch die vermittelte Exklusivität der Angebote und Marken sowie teilweise auch die Zugehörigkeit des Nutzers zu einem vermeintlich selektierten Käuferkreis.
Langwierige Entscheidungsprozesse verkürzen
Jeder weiß, dass ein Hotel nur eine bestimmte Anzahl an Zimmern zur Verfügung hat, und in einem Flugzeug auch nicht mehr Personen befördert werden können als
Sitzplätze vorhanden sind. Es ist also eigentlich schon von vornherein bekannt, dass ein Flug oder ein Hotelzimmer im Idealfall so früh wie möglich gebucht werden sollte.
Andererseits ist die Buchung einer Reise oft mit vielen Zweifeln und Unsicherheiten verbunden und führt dadurch zu langen Vergleichs- und Entscheidungsprozessen.
Erfahrungsgemäß ist es dabei oft so, dass der Nutzer viele Browserfenster mit verschiedenen Anbietern parallel geöffnet hat, um das beste Preis-Leistungsverhältnis zu ergattern.
Wie kann dem Nutzer die Entscheidung nun erleichtert werden?
Eine Möglichkeit dazu besteht darin ihm zu suggerieren dass er – wie im folgenden Beispiel von ryanair.de zu sehen – den günstigen Tarif höchstwahrscheinlich nicht mehr erhält, wenn er sich noch stundenlang mit anderen Konkurrenzanbietern beschäftigt.
Wie bereits zu Beginn des Artikels bemerkt ist es auch in diesem Fall von größter Wichtigkeit, dass die Angaben der Wahrheit entsprechen und bei entsprechenden Nutzertransaktionen dynamisch angepasst werden. Ansonsten geht das Vertrauen in den Anbieter sehr schnell verloren.
Der Hotelvermittler Booking.com macht von diesem Prinzip ebenfalls an vielen Stellen Gebrauch. Gleich auf der Startseite (Abbildung unten) wird dem Besucher durch diverse Angaben die rege Nutzung des Buchungsportals vermittelt. So erfährt er auf Anhieb, dass sich außer ihm noch viele weitere Interessenten auf der Website bewegen.
Dies fördert durch den Effekt des Social Proof zunächst die empfundene Sicherheit zum Betreiber des Portals. Darüber hinaus hat dies zusätzlich eine stark verknappende Wirkung. Denn alle Besucher (besonders diejenigen, die sich gerade das persönlich bevorzugte Hotel anschauen) sind schließlich potentielle Kandidaten, die einem das letzte verfügbare Zimmer vor der Nase wegschnappen könnten.
Auf der Kategorieseite (Abbildung unten) wird je nach Status nochmals verdeutlicht, dass bestimmte Zimmer nur noch begrenzt reservierbar sind.
Auf der Detailseite des gewählten Hotels erscheinen in der oberen rechten Bildschirmecke zwei Meldungen, welche erneut über den Zeitpunkt der letzten Buchung, den Buchungsort sowie die Anzahl der aktuell auf der Seite befindlichen Nutzer informieren. Gerade die Aktualität und die vollständige Dynamisierung der äußerst detaillierten Angaben über jegliche Nutzeraktionen sind hier sehr positiv hervorzuheben.
Fazit
So gut wie alles ist knapp und keine Ressource ist unendlich verfügbar. Dies zu kommunizieren, kann sicherlich bei vielen E-Commerce Plattformen einen sehr großen Hebel zur Verkaufssteigerung darstellen. Die eingesetzte Variante der Verknappung muss dabei natürlich entsprechend dem Geschäftsmodell, dem Angebot und vor allem der Zielgruppe definiert und angepasst werden.
Die wichtigsten Tipps als Checkliste:
-
- Zeigen Sie Ihre Lagerbestände
- Nennen Sie realistische, glaubwürdige Zahlen
- Liefern Sie keine künstlich niedrig gehaltenen Werte
- Gestalten sie die Angaben so präzise wie möglich
- Machen Sie Transaktionen anderer Nutzer transparent
4 Kommentare
Jan,
Verkanppung ist eins von den 6 Principen wo Kunden drauf ein Fallen ( Robert Cialdini)
Und es gibt jetzt eine APi die das ganze regelt
http://www.wired.com/magazine/2011/04/st_essay_persuasion_profiling/
http://www.schrijvenvoorinternet.nl/2011/06/03/online-verleiding-automatiseren-persuasion-api/
Jan
ein Hollaender in Deutschland
Arjan Haring,
Guter Artikel. Deutlich erklärt. Und es ist sicherlich ein API. http://www.PersuasionAPI.com optimiert Verkaufsargumente für jeden Einzelnen.
Ein fauler Holländer, der sich schämt, dass er Google Translate verwendet, um diese zu kommentieren.
Noé Tondeur,
Vor allem darf die scarcity-Methodik im Marketing nicht plump-aggressiv daherkommen. Dies macht einen durch und durch unseriösen Eindruck und erinnert stark an “Online Gaming” (z.B.: limitierte Tickets). Der Rezipient sollte viel eher durch die einzigartige Qualität und einen Mehrwert von einer Sache überzeugt werden.
murry,
Es gibt allerdings Ausnahmen. Artikel mit Verfallsdatum. Lebensmittel oder Kosmetikprodukte und dergleichen. Hier sugeriert ein “nur noch 1 Stück verfügbar”, das es sich um den Rest der Lagerware handelt, möglicherweise kurz vor dem Ablaufdatum. Da wartet der Kunde dann lieber bis die nächste Lieferung vom Hersteller kommt. Ein zu hoher Lagerbestand deutet bei diesen Produkten allerdings auf Ladenhüter hin, die vielleicht ebenfalls schon länger im Regal stehen. D.h. bei Produkten mit Verfallsdatum empfiehlt sich meiner Meinung nach eine mittlere Stückzahl anzuzeigen.