Wie das Behavior Pattern Model die Anwendung von Verhaltensmustern vereinfacht
Behavior Pattern sind ein bekanntes und bewährtes Mittel, um Konsum- und Kaufentscheidungen von Kund:innen zu beeinflussen. Kaum ein Onlineshop – und auch viele Ladengeschäfte – verzichtet auf Prinzipien wie Verknappung, Framing oder Social Proof.
Doch je nach Strukturierung und Zusammenfassung kann es weit mehr als 100 solcher Verhaltensmuster geben. Das macht den Einstieg nicht leicht. Ohne ein System, das Nutzerprobleme mit Pattern verknüpft, führt die fehlende Ordnung schnell zur Überforderung – das bestätigen uns Kund:innen und Growth Ambassadors aus unserer Community immer wieder. Die Frage ist: Wann kann ich welches Pattern eigentlich einsetzen?
Hinzu kommt, dass wir ein Behavior Pattern für unterschiedliche Kundenprobleme einsetzen können. Ob ein Pattern per se „wirksam“ ist, ist also gar nicht so relevant. Zielführender ist die Frage: Wenn ich ein Kundenproblem identifiziert habe, welche Möglichkeiten habe ich, dieses Problem zu lösen?
Und zu guter Letzt sollten wir den Abnutzungseffekt nicht ignorieren: Wenn an jedem digitalen Touchpoint immer nur dieselben Pattern eingesetzt werden, lässt ihre Wirkung mit der Zeit nach.
Das 7-Ebenen-Modell kurz erklärt:
Das 7-Ebenen-Modell ist eine von André Morys entwickelte Methodik zur nutzerzentrierten Analyse digitaler Touchpoints wie Webseiten oder Apps. Primär lassen sich damit Schwachstellen einer Website aus Sicht der Nutzer identifizieren.
Das Modell distanziert sich dabei bewusst von dem seitenbezogenen linearen Ablauf, typischen (technischen) SEO-Analysen oder Website Checks auf Basis von Design-Elementen. Stattdessen orientiert es sich an den Denk- und Entscheidungsabläufen im Gehirn der Nutzer:innen. Dieser Idee liegt die Beobachtung zugrunde, dass die Reihenfolge der Seitenaufrufe zwar unterschiedlich sein kann – der Ablauf des Entscheidungsprozesses jedoch stark diesem Modell folgt.
Hier erfährst du mehr über das 7-Ebenen-Modell, einschließlich Tipps zur Anwendung

Die zentrale Frage, die wir bei der Anwendung von Behavior Pattern stellen bzw. beantworten müssen, ist nämlich nicht, welche der über 150 wissenschaftlich validierten Verhaltensmuster wir auf unserer Webseite noch nicht triggern oder wie wir „fehlende“ Behavior Patterns noch anwenden können.
Viel wichtiger ist die Frage, welches Problem unsere Nutzer:innen haben und wie wir durch ein passendes Pattern das Problem lösen und damit das Nutzerverhalten ändern können.
Dass wir diese Frage nicht allein durch einen Blick auf mögliche Behavior Pattern beantworten können, sollte klar sein. Allein schon, um Zeit zu sparen. Denn bei der Ideenfindung Hunderte von Patterns in Betracht zu ziehen, wäre definitiv ineffizient.
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Schritt 1: Nutzerprobleme identifizieren – know thy customers!
Durch eine 7-Ebenen-Analyse decken wir erste Potenziale auf einer Website auf. Wir nutzen gerne Idealo als Beispiel (siehe Bild unten), wo es Konsument:innen vor allem an Orientierung fehlt (3. Ebene im Modell). Wie unterscheiden sich die gezeigten Produkte (hier: Kettensägen) und wie können Konsument:innen die für sie passende Kettensäge auswählen?

Damit haben wir die Grundlage, um im nächsten Schritt passende Behavior Pattern auszuwählen. Dadurch vermeiden wir dann auch direkt, blind auf die am häufigsten genutzten Pattern zu setzen. Ab sofort basiert die Auswahl auf individuellen Nutzerproblemen.
Schritt 2: Passende Prinzipien auswählen – mithilfe unseres Behavior Pattern Models
Wer schon mal in dieser Situation war, weiß, wie sich die Besucher:innen auf idealo im Beispiel oben gefühlt haben: völlig erschlagen von und allein gelassen mit einer viel zu großen Auswahl an möglichen Optionen. Das Paradox of Choice lässt grüßen!
Und genau deshalb haben wir Behavior Pattern mit den 7 Ebenen in einem neuen Modell verknüpft, um dir die Auswahl ab sofort zu vereinfachen.

Der innere Kreis des Modells entspricht den sieben Ebenen des 7-Ebenen-Modells. Für eine genauere Differenzierung wurden pro Ebene jeweils drei Unterebenen hinzugefügt, die beschreiben, was eigentlich für die Nutzer:innen erreicht werden soll.
Für die Ebene „Bewertung“ sind das beispielsweise
- Kundenbeziehung pflegen, wo es darum geht, (Neu)Kund:innen an das Unternehmen zu binden;
- Vorfreude erzeugen, wo es darum geht, Kund:innen während der Wartezeit auf ihr gekauftes Produkt zu unterhalten / zu beschäftigen;
- Entscheidung bestätigen, wo es darum geht, Restzweifel zu nehmen und Kaufreue vermeiden.
Zu jeder Unterebene haben wir Behavior Patterns zugeordnet, die besonders passend für das vorliegende Problem sind. Diese Zuordnung haben wir aus der Erfahrung von 1.000+ Experimenten gemacht, in denen wir Behavior Patterns eingesetzt haben und die Wirksamkeit überprüfen konnten (siehe unsere Meta-Analyse).
Das idealo-Beispiel können wir in diesem Modell nun auf der Ebene Orientierung der Unterebene „Entscheidungshilfe anbieten“ einordnen, wodurch wir die Anzahl der wahrscheinlich effektiven Behavior Pattern auf die folgenden sechs reduzieren:
- Preview
- Decoy Effect
- Context
- Order and Harmony
- Contrast Effect
- Ranking

Mit dieser Auswahl können wir im nächsten Schritt schnell konkrete Ideen generieren, durch welche Änderung auf der Webseite wir das Nutzerverhalten wie gewünscht beeinflussen können und darauf aufbauend entsprechende Hypothesen für Experimente formulieren.
Schritt 3: Ideen generieren
Um den Einstieg in diese Kreativphase zu erleichtern, schauen wir uns oft Best Practice Beispiele für die ausgewählten Pattern an. Wir nutzen dafür primär unsere eigene Datenbank aus über 20 Jahren dokumentierter Experimenten. Zudem ist ein Blick auf die ursprüngliche(n) Studie(n) zu den jeweiligen Pattern oft hilfreich, um deren Wirkungsweise noch besser zu verstehen. Alles Weitere geschieht dann in einem interaktiven Workshop mit Kolleg:innen und Kund:innen.
Schritt 4: Hypothesen formulieren
Für unser Kettensägen-Beispiel bei idealo könnte eine Hypothese – die wir dann z. B. durch einen A/B-Test validieren können – auf Basis des Contrast Effects wie folgt lauten:
Wenn wir die 3 Topseller unserer Kettensägen mit einer Vergleichsfunktion hervorheben (zum Beispiel günstig, mittel und teuer oder durch die Kennzeichnung als „Preis-Leistungssieger“, „Profi-Tipp“ o.ä),
dann steigt die Conversion Rate
weil wir die Vergleichbarkeit der Kettensägen vereinfachen und Nutzer:innen somit beginnen, Entscheidungen zu treffen (zum Beispiel: „Diese will ich nicht, die ist mir zu teuer“ oder „Diese will ich auch nicht, im Vergleich zu dieser scheint sie nicht besser zu sein.“ usw.).

Fazit: Nutze das Behavior Pattern Model, um die passende Prinzipien schneller auszuwählen
User Research heißt nicht, dass wir Mitbewerber kopieren und Prinzipien wie Verknappung oder Social Proof auf unsere Website zwängen, nur weil sie es tun. User Research heißt auch nicht, dass wir unsere Ideen quasi post-rationalisieren und uns Gründe dafür überlegen, wieso sie gut sind.
Wirklich kundenzentriert sind wir erst dann, wenn wir zuerst auf unsere Kund:innen schauen; ihre Bedürfnisse kennenlernen; verstehen, wie wir sie unterstützen können und passende Lösungen entwickeln. Der Einsatz von Behavior Pattern ist ein Teil dieses Prozesses. Je besser die „Vorarbeit“, desto schneller und passgenauer wird unsere Auswahl sein – und bestenfalls auch die Testergebnisse.
Denn eines haben wir aus unseren Experimenten aus den letzten 20+ Jahren gelernt:
Einen „safe bet“ gibt es bei der Verwendung von Behavior Pattern nicht.
Selbst Geschenke wirken sich nicht zwangsläufig positiv auf die Conversion Rate aus – wie wir in einem Test für unseren Kunden Betzold bestätigen konnten: Dem Warenkorb automatisch hinzugefügte Gratisprodukte führten zu einem Rückgang der Bestellungen.

Der Grund: Die eingesetzten Pattern „Free“ und „Reziprozität“ finden bei einer Zielgruppe, die überwiegend aus Traditionalisten besteht (siehe Limbic® Types), keinen Anklang. Denn diese sind eher skeptisch und leben nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Dementsprechend ist in diesem Beispiel eine Variante auf Basis des Patterns „Illusion of Contol“ die bessere Wahl für diese Kunden.

Wie gesagt: Die Wahl der passenden Pattern setzt ein Verständnis für die Zielgruppe und deren Bedürfnisse voraus. Andernfalls bleibt der Einsatz von Behavior Pattern ein Glücksspiel.
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Am 26.04.2023 veranstalten wir in und mit unserer Ambassador Community einen Workshop mit dem Behavior Pattern Model.
Falls du noch kein Mitglied bist, kannst du dich hier jederzeit bewerben.
Über 300 Expert:innen tauschen sich dort regelmäßig über Meetups und andere Event-Formate aus und leben das Credo: “Wissen teilen und schneller lernen”. Auch dieses Modell entstand übrigens in Zusammenarbeit mit der Community. Du erhältst also nicht nur Wissen aus erster Hand, sondern kannst dich auch aktiv in die Entwicklung neuer Branchenstandards einbringen.