Konsumpsychologie

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: “Illusion of Control” im E-Commerce

Jenny Morys
 Lesezeit: 7 Minuten    
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Die Kontrolle über eine Situation zu besitzen, wirkt sich motivierend auf das menschliche Verhalten aus. Dahinter steckt das Behavior Pattern “Illusion of Control”. Wie Du dieses Verhaltensmuster für mehr Conversions auf Deiner Webseite oder in Deinem Onlineshop einsetzen kannst, zeigt Dir das überzeugungsKRAFT – Team in diesem Video. Wie immer mit konkreten Anwendungsbeispielen und praktischen Tipps.

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Die positiven Auswirkungen von Kontrolle

Menschen neigen dazu, das Ergebnis einer Handlung oder eines Prozesses als positiver zu bewerten, wenn sie selbst Einfluss darauf nehmen konnten.

Wir tendieren dazu unseren Einfluss auf zufällige Geschehnisse zu überschätzen. Ein Grund dafür ist die kognitive Verzerrung, die mit “Illusion of Control” betitelt wurde. Das Verhaltensmuster wurde 1965 von den Forschern Jenkis & Ward entdeckt, und insbesondere von Ellen Langer in den 70er Jahren weiter erforscht. Die spannende Erkenntnis: wenn wir uns in einer Situation befinden, der wir einfach ausgeliefert sind, ohne Einfluss nehmen zu können, entsteht eine innere Unruhe und Verunsicherung, die wir eigentlich möglichst vermeiden wollen. Umgekehrt fühlen wir uns deutlich besser, wenn wir den Eindruck haben, eine Situation kontrollieren zu können – selbst wenn wir nur den Eindruck von Kontrolle haben, und nicht wirklich Einfluss auf das Ergebnis nehmen können.

Einige Beispiele für “Illusion of Control”

  • Die Gewinnchancen beim Lotto oder ähnlichen Gewinnspielen wird höher eingeschätzt, wenn die Zahlen selbst ausgewählt wurden, als wenn sie per Zufall zugewiesen wurden.
  • Selbst mit dem Auto reisen wird als ungefährlicher bewertet als im Flugzeug zu reisen, da das Auto selbst gesteuert/kontrolliert werden kann, obwohl statistisch gesehen die Unfallgefahr beim Autofahren viel höher liegt.
  • Wenn ein Spieler eine 6 würfeln will, legt er mehr Kraft in den Wurf, als wenn er eine 1 würfeln will.

Was lässt sich daraus für die Nutzung des Prinzips ableiten?

  • Das Gefühl von Kontrolle ist wichtig und führt zu einer positiveren Einstellung des Nutzers.
  • Die positive Einstellung wird selbst dann erzeugt, wenn das Ergebnis einer Handlung eigentlich nicht beeinflussbar war.
  • Kontrollverlust oder keine Möglichkeit der Kontrolle kann sich sehr negativ auf die Nutzer auswirken.

Das Übertragen von Entscheidungen an den Nutzer ist ein guter Weg, um seine Bereitschaft zu erhöhen, weitere Entscheidungen zu treffen.

Ein Beispiel aus der digitalen Welt

Als ein Beispiel für die “Illusion of Control” in einem digitalen Umfeld können wir Modomoto, Outfittery oder ähnliche Geschäftsmodelle betrachten.

Der Kunde wählt hier in einem Konfigurations- bzw. Wahlprozess verschiedene Stilrichtungen, die ihm gefallen, und durchläuft einen Prozess, der ihm das Gefühl gibt, das Ergebnis für ihn positiv zu beeinflussen. Am Ende des Prozesses erhält der Kunde nicht die Möglichkeit, etwas direkt zu kaufen oder zu bestellen, sondern die Option, außerhalb seiner Kontrolle, eine Auswahl an Kleidungsstücken zugeschickt zu bekommen. Nach Erhalt der Ware hat er dann wieder die Kontrolle, welche dieser Kleidungsstücke er behalten möchte, und welche er zurückschickt.

Ein Grund (neben den Argumenten, die für den jeweiligen Anbieter sprechen), warum dieses Modell funktioniert, ist, dass dem Kunden das Gefühl gegeben wird, dass seine Handlung zu dem bestmöglichen Ergebnis führen kann.

Beispiel Modomoto

modomoto
Wenn ich Kontrolle habe, bin ich stärker in den Prozess involviert und habe damit automatisch mehr Motivation, weiterhin Zeit in diesen Prozess zu investieren.

4 Methoden zum Einsatz von “Illusion of Control”

1. Biete Orientierung

Einer der Grundsätze von Kontrolle ist es, zu verstehen, was eigentlich kontrolliert werden kann und was nicht. Der Kunde sollte schnell in einen Auswahlprozess gelangen. Damit das Gefühl von Kontrolle entsteht, sollte der Kunde jederzeit wissen, wo er sich gerade befindet, wie er dort hingekommen ist und wie er wieder zurück gelangt. Entsteht zu viel Verwirrung oder Orientierungslosigkeit, kann dies in Kontrollverlust enden.

Alles, was Orientierung gibt, erhöht das Gefühl der Kontrolle. Deshalb sollten alle Elemente, die Orientierung bieten, immer als sehr relevant angesehen werden. Ihre Nutzung sollte immer klar und für den Kunden leicht zu bedienen und zu verstehen sein.

Beispiele für Elemente, die Orientierung geben und durch Hinweise oder Tipps hervorgehoben werden können:

  • Navigation
  • Breadcrumb
  • Fortschrittsanzeigen
  • Filterelemente
  • Klare Buttons (Call-To-Action) und sprechende Beschreibungen auf den Buttons

Beispiel Planet Sports

 

Beispiel Doc Morris

2. Gib Deinen Kunden Feedback für Handlungen

Um das Gefühl der Kontrolle zu erhöhen, ist es ausschlaggebend, die Auswirkung von Handlungen zu verdeutlichen. Würde zum Beispiel beim Autofahren der Blinker gesetzt, es aber keine Anzeige oder das typische “Blink-Geräusch”, würde dies sofort zu starker Verunsicherung führen. Gutes Feedback hingegen ist bestätigend und im Idealfall sogar motivierend. Feedback kann dem Kunden auf verschiedenste Weise und zu unterschiedlichen Aktionen gegeben werden.

Als etabliertes Beispiel aus dem E-Commerce gibt es den so genannten Warenkorblayer. Sobald ein Produkt in den Warenkorb gelegt wird, erscheint dieser Layer und gibt dem Nutzer direktes Feedback zu seiner aktuellen Aktion. Idealerweise lässt der Layer dem Nutzer dann auch die Wahl, wie er sich weiter auf der Seite bewegen will.

Beispiel Fressnapf


Um das Gefühl der Kontrolle zu erhöhen, ist es manchmal besser, einen Prozess durch Hinweise zu unterbrechen, auch wenn dies im ersten Moment kontraproduktiv erscheint.
Ein weiteres Beispiel sind Filter und Sortierfunktionen. Diese müssen nicht nur funktionieren, sondern dem Kunden auch stets die Kontrolle geben: “Welche Filter sind gesetzt?”, “Wie kann ich einzelne Filter wieder löschen?”

Das gleiche gilt für Sortier- und Suchfunktionen, die sinnvolle Ergebnisse liefern müssen und bei denen eine entsprechende Rückmeldung immer sinnvoll ist. Eine gute Idee ist es auch, Suchbegriffe gleich mit in die Filterung zu übernehmen: suche ich nach einem roten Sofa, wird mir automatisch auch der “rot” Filter gesetzt.

Beispiel IKEA


Bei www.hutshopping.de gelangt der Nutzer über eine Vorauswahl im Anschluss auf eine Listenansicht. Alle Produkte sind in dieser einen Liste aufgeführt, durch die Vorauswahl wird aber eine Vorfilterung der Produkte vorgenommen, sodass zunächst nur die Artikel angezeigt werden, die für den Kunden relevant sind.

Beispiel Hutshopping

3. Optionen: Überlasse Deinem Kunden die Wahl

Es gibt auf einer Website und in Onlineshops an vielen Stellen die Möglichkeit, dem Kunden eine Wahl zu lassen. Wenn ich z.B. im Checkout die Option einer Gastbestellung anbiete und dem Kunden dann nach der Bestellung erneut die Wahl lasse, sich im Nachgang doch noch zu registrieren, habe ich gleich 2 Vorteile: der Kunde konnte mit einem besseren Kontroll-Gefühl durch den Checkout gehen und bekommt am Ende noch einmal die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Das gibt deutlich mehr Kontrolle, als der Zwang, sich für die Bestellung entweder einloggen oder registrieren zu müssen.

Beispiel Fressnapf

Bei vielen Shops, wie hier am Beispiel von Zalando, kann man bereits in der Listenansicht einen Überblick über Varianten des Produkts erhalten. Der Nutzer muss nichts anklicken aber erhält bereits einen grundlegenden Eindruck über den Artikel, mögliche Varianten und Verfügbarkeiten. Er kann also wählen, ob die Informationen bereits für einen Kauf ausreichen, und muss nicht zwangsläufig den Weg über die Produktdetailseite gehen.

Beispiel Zalando

Bei Mouseover können direkt verschiedene Varianten betrachtet werden. Zu finden bei Zalando.de in der Produktliste.

4. Achte auf Deine Zielgruppen

Jeder Shop und jeder Anbieter hat eine ganz individuelle Zielgruppe, auf die geachtet werden muss. Daher bietet es sich unbedingt an, eine genaue Analyse zu machen, welche “Nutzer-Typen” überhaupt meine Seite besuchen. Wenn z.B. viele sogenannte “kontrolldominante” Kunden habe, macht es Sinn, mehr Wahlmöglichkeiten auf einen Blick anzubieten. Sind unsichere Kunden unterwegs, die Beratung suchen, können zu viele Optionen auch verunsichern. Bei gemischten Kundengruppen bietet es sich dann an, beide Zielgruppen zu bedienen. Beispielsweise, indem bei den Filtern oder Konfiguratoren zunächst ein “Standard-Set” angeboten wird, den Profis aber eine “Experten-Modus” auf Wunsch zur Verfügung steht.

Beispiel Computeruniverse


Expertenfilter können bei Bedarf vom Nutzer kontrolliert eingeblendet werden. Wie hier zu sehen bei computeruniverse.net

Abschließender Tipp: Enttäusche Deine Kunden nie!

Gerade bei dem Thema “Illusion of Control” ist ein Aspekt sehr wichtig: Menschen reagieren sehr empfindlich auf enttäuschte Erwartungen. Kunden sollten also auf keinen Fall zunächst das Gefühl haben, über bestimmte Aspekte Kontrolle zu haben, wenn dies dann am Ende offensichtlich nicht stimmt. Haben Kunden den Eindruck, dass sie getäuscht wurden, führt dies in der Regel zu einem entscheidenden Vertrauensverlust. Wenn ich z.B. in einem Konfigurator die Möglichkeit gebe, ein Produkt frei zusammenzustellen, sollte die gewählte Kombination am Ende dann auch verfügbar sein.

Wir wünschen Dir viel Spaß beim Testen des Behavior Pattern Illusion of Control für Deine Webseite und freuen uns auf Feedback und Kommentare!

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Stefan Mayer. Beim Dreh hat uns Denis Leno technisch unterstützt.

Ich danke Euch beiden für Eure Unterstützung! 🙂

Über den Autor

Jenny Morys

Senior User Researcher & Senior Quality Manager

Jenny Morys ist Diplom-Psychologin und arbeitet seit über 10 Jahren als Senior Consultant bei konversionsKRAFT. Zusammen mit den anderen Mitgliedern des überzeugungsKRAFT-Teams erforscht sie unter anderem verhaltenspsychologische Prinzipien und leitet Anwendungsideen für die Onlinewelt ab.
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