Agile Produktwelt / Produktmanagement

Unschön. Aber besser.

André Morys
 Lesezeit: 3 Minuten    
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Es ist ein Albtraum. Die alte Website war derb hässlich, viele Funktionalitäten fehlten. Ein Dorn im Auge und beinahe schmerzhaft im Hirn. Doch der Albtraum war nicht die alte Website sondern das, was danach passierte. Obwohl bei der neuen zig-hundertausend-award-interactive-agency alles besser gemacht wurde, ging die Konversionsrate in den Keller. Absturz. KUR des Projekts = negativ. Unerklärlich.

Der Reiz der Hässlichkeit?

Die Suche nach dem Fehler wird problematisch – denn selbst Kunden bestätigen, dass die neue Seite besser ist. Auch nach mehrmaligem Nachfragen bleiben sie bei dieser Meinung. Keine Analyse bringt ein Ergebnis. Wie kann so etwas passieren? Ist es der Reiz der Hässlichkeit?

Nein.

Hässlich bleibt hässlich und die meisten Menschen werden davon abgeschreckt.

Es geht um etwas ganz anderes: Es geht um Authentizität.

Denn so, wie Menschen von (echter) Hässlichkeit abgeschreckt werden, so werden sie auch von unauthentisch ausgestaltetem Marketing-blabla abgeschreckt.

Ein Beispiel wird in der Conversion-Szene seit kurzem diskutiert:

Unschön - der Reiz der Hässlichkeit

lingscars.com verkauft pro Jahr Autos im Wert von über 42 Millionen Euro (35 Mio £)

Das Geheimnis unschöner Websites: Relevanz schlägt Design

Ich gebe zu: Tests, bei denen wir Websites einfach nur “verschönert” haben, waren nie die Gewinner. Einige davon waren echte Verlierer – wir werden demnächst über ein Beispiel genauer berichten. Deshalb wundert es mich nicht, wenn in Zukunft immer öfter Design getriebene Relaunch-Projekte ihren Tribut fordern. Zur Zeit untersuchen wir bei zwei Redesign-Projekten potenzielle Probleme und finden heraus, dass hübsch nicht immer besser bedeutet.

Woran liegt das?

Am Beispiel von lingscars.com erkennen wir, dass relevante Inhalte, die verkaufspsychologisch (für die richtige Zielgruppe) richtig aufbereitet werden, gut funktionieren. (Details zur Verkaufspsychologie hier). Auch wenn wir die Konversionsrate nicht kennen, zeigt es mehrere Prinzipien, die ich nachfolgend ergänzen möchte:

1) Inhalt schlägt Design

2) Relevanz schlägt Design

3) Wenn alles zusammen kommt, wird es unbesiegbar 🙂

Bitte nicht falsch verstehen: Gutes Design ist wichtig. Aber das beste Design würde selbst Apple nichts nutzen, wenn nicht die richtigen (relevanten) Funktionen da wären.

Doch auch wenn alle Faktoren zusammen kommen, fehlt eine Grundlage, die oft in der angeblichen “Hässlichkeit” versteckt sein kann: Authentizität.

Falten im Gesicht sind manchmal ganz symphatisch

Wir kennen den Effekt bei Menschen: Wenn alle Falten wegoperiert sind, die Lippen aufgespritzt und die Stirn mit Botox glatt wie Speckstein ist, dann ist sie dahin, die Attraktivität. Und das hat viel mit Authentizität zu tun. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind Grundlagen für Sympathie, Nahbarkeit und Vertrauen.

Gibt es “Falten” im Webdesign?

Ja. Vor allem weil Nutzer immer sensibler werden für alles, was künstlich, marktschreierisch und irrelevant aussieht. Hinter der zu stark gestalteten Fassade wird manche relevante Botschaft überhaupt nicht mehr erkannt.

Banner Blindness Effekt

Was im Eyetracking als Banner Blindness Effekt auffällt, wurde mir gerade heute Abend per Twitter von einem Freund empfohlen.

Ich frage mal alle Ästheten dieser Welt: Welche Banner funktioniert besser (im Sinne von CTR)?

Banner Blindness Effekt

Das Ergebnis ist (für alle die diesen Blog regelmäßig lesen wahrscheinlich nicht) verblüffend: Die rechte Version hat ein Bruchteil der zeit gekostet und funktioniert um ein Vielfaches besser:

Banner Blindness Effekt Uplift

Dabei hat sich wahrscheinlich jemand wirklich Mühe gegeben, die linke Version mit allen Überzeugungs-Psychologie-Vertrauens-Tricks dieser Marketing-Welt auszustatten.

Egal, alles nützt nichts – Banner bleibt Banner und am Ende gewinnt die eher ungewöhnliche – aber ehrliche Variante.

Fazit

Dies in ein Plädoyer für mehr Authentizität, Relevanz und passende Inhalte. Ich will nicht sagen, dass gutes Design schlecht konvertiert – ich will sagen, dass die zuvor genannten Faktoren durch nichts zu ersetzen sind.

Verfallen Sie nicht (ohne es zu wissen) in die für ihre Kunden sinnfreie Hülle des irrelevanten Marketing-Blabla und bleiben Sie authentisch – das konvertiert immer besser als jeder Marketing-Trick.

Mehr dazu:

Ein UK Blogpost (schon etwas älter) zu dem Thema

Vielen Dank an @splattne für den Hinweis auf den Bannertest!

Über den Autor

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André Morys

Vorstand (Vors.)

André Morys (geb. 1974) ist Gründer und Vorstand (Vors.) von konversionsKRAFT, Deutschlands führender Agentur für Conversion-Optimierung und strategische Beratung in puncto digitales Wachstum. Darüber hinaus ist André Morys Initiator und Gründer der GO Group Digital, die ein weltweites Netz von Experten für digitale Transformation bildet.

Zu seinen Veröffentlichungen zählen “Die digitale Wachstumsstrategie” (2018) und „Conversion Optimierung” (2011) sowie zahlreiche Fachbeiträge in einschlägigen Medien zu Online-Marketing. Er ist zusätzlich als Dozent an der Fachhochschule Würzburg tätig und hält zahlreiche Keynotes und Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen zu den Themen digitales Wachstum, E-Commerce und Optimierungsstrategien.

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19 Kommentare

  1. Gravatar

    Viktor,

    in diesem Zusammenhang finde ich auch PEARLs Erfolg erwähnenswert. Deren Seite ist auch total grausig, aber sie spiegelt das günstige Image des Katalogs perfekt wieder….

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    Frank,

    Sehr gut, richtig so!
    Ich freue mich schon riesig auf die vielen modernen CRO-Jünger, die nun ihre Kunden-Webshops in kindlich infantilem Design raushauen und dem Kunden das aufgrund dieses “Beweises” verkaufen. 😀

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    Andre Morys,

    Ich glaube nicht, dass das passiert,…. /-) Das Gegenteil passiert leider viel häufiger.

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    Mario,

    Meine wichtige Frage zuerst:
    Habe ich das richtig herausgelesen, dass lingcars.com aber ebenfalls nichts dem Zufall überlässt? Also auch hier wird Conversionoptimierung betrieben?

    Es ist leider die immer wiederkehrende Frage, die sehr schwer ist im Unternehmen befriedigend zu beantworten. Für einen Grafiker und Webdesigner ist es eine Qual solche Seiten zu sehen.

    Aber aus meiner Sicht eben nicht. Ich habe einen ausgeprägten Sinnd für Ästethik und bin von Sternzeichen Waage:) Aber wenn diese Seite gut konvertiert… Ziel erreicht. Meine Aufgabe ich das Marketing und der Verkauf. Also sage ich: Es wird gemacht, was funktioniert.

    Das gefällt den Grafikern nicht wirklich und regelmäßig gibt es Diskussionen über schönes Aussehen und so weiter.

    Aber es ist wie mit einem Direct Mail. Wenn ich meine Texte einem Lektoren zu lesen gebe, wird es ziemlich sicher einige grammatikalische Veränderungen vornehmen. Und in der Vergangenheit hat er das auch getan. Immer zu Lasten der Response (Conversionrate).

    Fakt ist, dass ich meine Sprache in den Text bringe und das schließlich authentisch ist. Dem Leser ist Grammatik vollkommen egal, so lange seine gewünschte Information entsprechend transportiert wird.

    Gleiches gilt für Webseiten. Dem Besucher interessiert die Ästethik nicht primär. Logischerweise…

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      André Morys,

      Die empfundene Ästhetik ist nun mal subjektiv – und nur einer von vielen Faktoren. Das wird leider oft vergessen. Zu viel Ästhetik kann nicht über den Mangel anderer Faktoren hinwegtäuschen. Bei 42 Mio Euro würde ich da auch nichts dem Zufall überlassen – ich weiß allerdings nicht ob es einfach nur Autoverkäufer-WEisheit oder Konzept ist.

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    Marcel,

    Hi André,

    schon verblüffend, aber gleichzeitig eigentlich auch schon fast wieder logisch. Man kann solche Beispiele auch im Bekanntenkreis testen.

    Vor allem Personen die zwischen 40-60 Jahren sind, neigen doch eher dazu, nicht unbedingt die “Designwunderseiten” anzuklicken, sondern die guten “alten” Webseiten. Vielleicht sind viele gute Webseiten auch schon zu überladen, oder schrecken ab, auf dubiöse Geschäftemacher reinzufallen.

    Jedenfalls schöner Artikel zum nachdenken.
    Vielen Dank und Grüße,

    Marcel

    • Gravatar

      André Morys,

      Danke, das stimmt. Nutzergeschmack != Designergeschmack 🙂

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    Bärbel,

    Absolut richtig – schöner Artikel!

    Viele User werden vermutlich durch eine durch-designte Aufmachung abgeschreckt, weil sie ein höheres Preisniveau vermuten. Von daher macht eine vergleichsweise “hässliche” Gestaltung bei manchen Angeboten durchaus Sinn.

    Vorgemacht haben das die Discounter mit ihren Prospekten im “Schweinebauch”-Design. Ein Graus für jeden Grafiker, aber verkaufspsychologisch genau richtig.

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    Christian Rothe,

    42 Mio. Umsatz bei Lingscars.com. Was besagt diese Zahl? Aus meiner Sicht besagt sie nichts. Wer weiß, vielleicht könnte Lingscars.com mit einem ganz anderen Erscheinungsbild 84 Mio. umsetzen?

    Mit einem bewusst ramschigen, billigen Erscheinungsbild sind einst die Kaufhalle-Kaufhäuser (Westdeutschland) angetreten, um Preisgünstigkeit zu signalisieren. Und Woolworth macht es heute noch genauso. Was hat es ihnen genützt? Die Kaufhalle AG ist als Handelskonzern von der Bildfläche veschwunden. Und Woolworth ist ebenfalls nicht als Wachstumsfirma bekannt.

    Wie man allmählich ins Abseits fährt, wenn man nicht am Puls der Zeit bleibt, führte uns Schlecker unlängst vor.

    Mit dem hübschen Aussehen von Websites ist wie mit dem hübschen Aussehen bei Serviererinnen: Was nützt mir als die Gast die hübscheste Bedienung, wenn sie ihren Job nicht ordentlich auf die Reihe bekommt? Eine etwas “rustikalere” Servierkraft kann in vielen Fällen besser sein. Aber bewusste Häßlichkeit ist sicherlich weder hier noch dort ein taugliches Erfolgsrezept.

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    Martin,

    Oje, mir wird gerade ganz schwindelig zumute. Wir überarbeiten gerade komplett das Design unserer doch recht altbackenen Seite (Jahrgang 2003). Seltsamerweise funktioniert die Seite, die von uns hier schon lange niemand mehr so richtig leiden kann, nach wie vor gut. Aber man denkt ja, dass es immer noch irgendwie besser gehen müsste. Wenn das mal bloß gut geht…

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    Achim,

    Genau wie man overdressed sagt, sagt man ja auch overdesigned 🙂

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    David Kuruc,

    Interessant vor allem wenn man bedenkt das Lings Cars viele Neukunden überzeugen muss!
    Wir hatten die Wochen auch Ueberraschungen erlebt bei Tests: Eine der Hypothesen in einem bestimmten Fall war, dass sich weniger und besser strukturierter Text positiv auf das Testziel auswirken sollte. War aber nicht der Fall. Je nach Kontext können sich Inhalte oder eben Design ganz unterschiedliche auswirken.

  11. Gravatar

    mq,

    Das ist mir irgendwie zu einseitig. Dass Design immer zur Zielgruppe passen muss, ist doch eine Binsenweisheit. Eine Abverkaufs-Site die wie eine Versicherung aussieht kann natürlich nicht funktionieren. Das hat aber nichts damit zu tun dass
    1. auch ‘Schweinebauch’ sehr aufwändig designed und vor Allem konzipiert wird – siehe Media Markt – um sich gegen den Rest der Schweinebäuchler abzugrenzen;
    2. nicht nur Glaubwürdigkeit verantwortlich ist für Conversion, sondern besonders Vertrauen.
    Wenn ein Händler sehr glaubwürdig so aussieht, als wären ihm meine (also des Kunden) Bedenken und Befürchtungen egal, dann schafft er keine Basis für einen Kaufabschluss.
    Und dann noch der Einwand, dass eine Website fast immer nur ein Standbein im Medienmix ist und daher noch weitere Anforderungen als Conversion erfüllen muss. (Ich beziehe mich hier auf das Need For Speed Banner.) Dass Markenelemente wie Logos, Schriften und Farben über alle Medien gleichermaßen eingesetzt werden, folgt einer längerfristigen Strategie als Clicks zu zählen.

    Danke übrgens für den inspirierenden Artikel.

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    Michael Krause,

    Sehr schöner Beitrag, der gut zu meinem von vor einigen Wochen passt (http://www.onchestra.com/blog/p/vergessen-sie-endlich-das-design-ihrer-firmenwebseite). Im Nachhinein hab ich teilweise (verbale) Prügel von diversen Designagenturen bezogen. Erst als ich klarstellte, dass es nicht um eine “Komplett-Ignorierung” von Designelementen gehen, sondern einfach die Gewichtung der relevanten Erfolgsfaktoren anders/passender vorgenommen werden solle, wurde ich wieder aus dem Schwitzkasten gelassen 🙂

    Grüße aus Stuttgart!
    Michael

  13. Gravatar

    Olga,

    Kurz und klar!!! Vielen Dank)) Wenn man sich für einen Relaunch entscheidet, so lohnt es sich vor allem alle Pro und Kontra zu wiegen. Nicht in allen Fällen ist es zweckmäßig etwas zu ändern, vielleicht ist es eher die Weiterentwicklung erforderlich.

  14. Gravatar

    roland,

    Ein interessanter post. Wir sollten da vielleicht auch mal drüber nachdenken obwohl wir premium anbieter sind.

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    Carsten,

    interessant wäre, ob die Seite immer noch so gut performen würde, wenn sie neu und unbekannt wäre?

  16. Gravatar

    Michael Jung,

    nice nice. Es gab mal ein skandinavische Webseite die ebenfalls sehr trashig wirkte und trotzdem funktionierte. Wie immer ein guter Artikel und eine spannende Diskussion.

  17. Gravatar

    Chris,

    Auch nicht zu unterschätzen: Websites, die ihr Geld mit Werbung verdienen (AdSense & Co), erhöhen durch ein schickes und aufgeräumtes Design nicht unbedingt die Klickraten auf Werbemittel. Traurig, aber wahr.

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