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Internationales Benchmarking: 17 Beispiele für bessere Finanz-Websites

Marcel Licht
 Lesezeit: 3 Minuten    
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Jeder, der schon mal online nach einer Versicherung gesucht hat kennt das: irgendwie sehen die Landingpages der deutschen Versicherer alle gleich aus.

Die Logos und Farbwelten der Anbieter unterscheiden sich natürlich, das ist klar. Davon abgesehen traut sich allerdings kaum einer aus der Komfortzone. Alle schmoren im eigenen Saft oder kopieren (vermeintliche) Best Practices.

Ein fest definiertes Schema: Headline, 3 Bullets und orange Call to Action.
Ein fest definiertes Schema: Headline, 3 Bullets und orange Call to Action.

Sich an direkten Konkurrenten zu orientieren, ist sicher kein falscher Ansatz. Immerhin verfolgt der Wettbewerb die gleichen Ziele und bedient die gleiche Zielgruppe.

Eins liegt aber klar auf der Hand:

Wenn jeder immer nur in direkter Nachbarschaft auf Ideenklau geht, sieht früher oder später alles gleich aus.

Grundsätzlich ist das garnicht mal so schlecht – denn in gewohnter Umgebung findet man sich ja bekanntlich immer am besten zurecht (Erwartungskonfonformität). Gefährlich ist allerdings die fehlende Differenzierung zum Wettbewerb.

Denn auf die Frage: „Warum sollte ich genau hier und nirgends sonst kaufen?“

geben die austauschbaren Frontend-Fassaden der meisten Websites leider keine Antwort.

Auch Onlineshops sind oft fast nur noch am Logo voneinander zu unterscheiden.
Auch Onlineshops sind häufig fast nur noch am Logo voneinander zu unterscheiden.

Was bedeutet das jetzt für die Optimierung von Websites?

Um wirklich messbare Erfolge zu erzielen, muss man die (augenscheinlich stabile) Komfortzone auch mal verlassen. Im E-Business braucht es dazu nicht einmal großen Mut – denn mit den heutigen Testingmethoden lassen sich innovative Ansätze agil und ohne Risiko ausprobieren.

Man braucht also nur noch gute Ideen.

Eine wertvolle Inspirationsquelle für neue Ideen sind Anbieter, die nicht im eigenen Wettbewerbsumfeld angesiedelt sind. Es liegt demnach nahe, auch mal branchengleiche Websites aus anderen Ländern unter die Lupe zu nehmen.

Wichtige Fragestellungen sind dabei:

  • Wie werden ähnliche oder gleiche Produkte in anderen Ländern präsentiert?
  • Auf welcher Ebene werden potenzielle Kunden angesprochen?
  • Welche Verkaufsargumente oder Features stehen im Fokus?
  • Wo zeigen sich grundlegende Unterschiede der Verkaufsprinzipien zum eigenen Wettbewerbsumfeld und Zielmarkt?
  • Wo gibt es Inspirationen für das Prinzip einer Botschaft (Marke, Wirkung)?

…denn trotz identischer Produkte und zumindest ähnlicher Zielgruppe zeigen sich häufig sehr interessante Unterschiede.

Im Folgenden möchte ich als Beispiel dazu zwei Aspekte vorstellen, die im britischen und US-amerikanischen Finanzsektor grundlegend anders gehandhabt werden.

1. Mehr Nähe und Persönlichkeit

Auf beinahe allen englischsprachigen Seiten wird schnell deutlich, dass der Besucher viel direkter angesprochen wird als auf deutschen Websites. Die Unterschiede sind rein optisch kleine Details, dennoch können erfahrungsgemäß bereits kleine Änderungen in der Ansprache große Auswirkungen auf das Verhalten der Nutzer haben.

Liverpool Victoria

Der Besucher wird sehr direkt auf sein gutes Gewissen angesprochen, das er nach Abschluss der Risikolebensversicherung haben wird. In solchen Vorteilslisten findet man auf deutschen Websites hingegen immer nur harte Fakten und Leistungen.
Der Besucher wird sehr direkt auf sein gutes Gewissen angesprochen, das er nach Abschluss der Risikolebensversicherung haben wird. Auf deutschen Websites findet man in solchen Vorteilslisten hingegen immer nur harte Fakten und Leistungen.
Clevere Idee: die Ladezeit im Antragsprozess wird genutzt, um überzeugende Inhalte gezielt zu kommunizieren. Aufgrund der Fokussierung ist es nahezu sicher, dass die auch hier persönlich gerichteten Inhalte gelesen werden.
Clevere Idee: Die Ladezeit im Antragsprozess wird genutzt, um überzeugende Inhalte gezielt zu kommunizieren. Aufgrund der Fokussierung ist es nahezu sicher, dass die Inhalte gelesen werden. Auch hier sind die Texte wieder stark auf den Besucher gerichtet.

New York Life

Auf ähnliche Weise werden die Besucher bei der New York Life angesprochen.
Auf ähnliche Weise werden die Besucher der größten US-amerikanischen Versicherung New York Life angesprochen. Vor dem Hintergrund der kulturellen Unterschiede stellt sich natürlich die Frage, ob so eine Headline in Deutschland funktionieren kann. Dennoch sollten solche Ansätze keineswegs kategorisch ausgeschlossen werden.
Auf der Startseite wird die Summe der Auszahlungen transparent kommuniziert. Im Text wird betont, dass hinter jeder Zahl ein persönliches Versprechen steht.
Auf der Startseite wird die Summe der Auszahlungen transparent kommuniziert. Im Text wird betont, dass hinter jeder Zahl ein persönliches Versprechen steht.

Bright Grey

Testimonials erzählen Stories, wie sich Ihre Situation durch die Versicherung verbessert hat. Auch ein Inhalt, der von deutschen Versicherungen so nicht gespielt wird.
Testimonials erzählen Stories, wie sich Ihre Situation durch die Versicherung verbessert hat. Auch ein Inhalt, der von deutschen Versicherung so nicht gespielt wird. Sicherlich auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, was aber erstmal zu beweisen/testen wäre.

USAA

Das Einholen eines Versicherungsangebots wird vom Anbieter in die ToDo-Liste des Besuchers eingereiht.
Das Einholen eines Versicherungsangebots wird vom Anbieter in die ToDo-Liste des Besuchers eingereiht. Auch die Prozessvisualisierung „Your Path to Life Insurance“ unter dem Teaser ist schön gelöst – auch wenn sie zu viele Schritte enthält und im Gegensatz zum ersten ToDo sehr aufwändig erscheint.

Aviva

Was in anderen Branchen längst standard ist, steht bei Versicherungen noch ganz am Anfang. Kundenbewertungen sind auch bei deutschen Versicherern noch sehr selten.

In Zusammenhang all dieser Aspekte spielt natürlich auch das Image der Versicherer eine Rolle. So haben viele Deutsche vorneweg immer erstmal Misstrauen. In den USA und UK ist es um die Glaubwürdigkeit scheinbar besser bestellt.

2. Mehr Unterstützung

Auf den folgenden Seiten wird der potenzielle Kunde bei komplexen Themen stärker an die Hand genommen, und mit seinen offenen Fragen nicht alleine gelassen. Es wird das gute Gefühl vermittelt, dass es völlig in Ordnung und ganz normal ist, nicht alles zu wissen. Im Vergleich dazu wird auf deutschsprachigen Websites meist deutlich mehr Hintergrundwissen vorausgesetzt.

MetLife

Vom Besucher wird nicht vorausgesetzt, dass er schon genau Bescheid weiß wie hoch die Versicherungssumme sein sollte. Stattdessen wird ein Rechner angeboten, um den individuellen Bedarf zu ermitteln.
Vom Besucher wird nicht vorausgesetzt, dass er schon genau Bescheid weiß wie hoch die Versicherungssumme sein sollte. Stattdessen wird ein Rechner angeboten, um den individuellen Bedarf zu ermitteln.

PruProtect

Auch hier wird ein Rechner angeboten. Besonders positiv ist, dass dieser stets als freiwillige Hilfe und nicht als fester, zu befolgender Prozess beschrieben wird.
Auch hier wird ein Rechner angeboten. Besonders positiv ist, dass dieser stets als freiwillige Hilfe und nicht als fester, zu befolgender Prozess beschrieben wird. 

Geico

Auch bei Geico wird ein Rechner angeboten. Was in den USA ein Basisfaktor ist, wird in Deutschland von keinem Versicherer angeboten.
Der Coverage-Coach unterstützt den Besucher auf spielerische Weise, die richtige Versicherungssumme für die Autoversicherung zu finden.

Liverpool Victoria

Im Kalkulator werden auch sensible Themen wie die Bestattungskosten offen angesprochen. So direkt werden die konkreten Szenarien in Deutschland auf keiner Seite kommuniziert.
Hilfreich für alle, die keine Ahnung haben wie hoch die Versicherungssumme sein soll: der Nutzer muss die Summe noch nicht fix eingeben, und kann sich stattdessen einfach Vorschläge anzeigen lassen und dann entscheiden.

Aviva

Aviva lässt die Besucher erst dann in den Rechnerprozess, wenn die wichtigsten Informationen bekannt sind.

Beaglestreet

Geschickte Darstellung: neben dem Ergebnis sieht man sofort, dass der Schutz für einen geringen Aufpreis erhöht werden kann. Auch die Einreihung des Ergebnisses in einen Preisrahmen ist ein sehr interessanter Ansatz.

Moneysupermarket (Vergleichsportal)

http://www.moneysupermarket.com/
Hakelige und komplizierte KFZ-Suchtools hat sicherlich jeder schon überwinden müssen, wenn er den Fahrzeugschein nicht zur Hand hatte. Hier erhält der Nutzer über einen interaktiven Counter direktes positives Feedback zu den Filterungen. Erst wenn die Anzahl der Ergebnisse einen kritischen Wert unterschreitet, kann die Liste der Fahrzeuge angezeigt werden.
Im Anschluss an die Suche wird die Auswahl mit weiteren Aspekten positiv bestätigt.
Anstelle von einfachen Eingabefeldern oder Slidern werden hier mit Piktogrammen konkrete Situationen als Auswahl des Kredits angeboten. Neben dem Vorteil der höheren User Experience wird hier zudem implizit vermittelt, dass es völlig normal ist, für die Hochzeit oder den Urlaub einen Kredit aufzunehmen.

Yorkshire Bank

Alternativ zur Kreditsumme kann die monatliche Rückzahlung eingegeben werden.

Fazit

Aus den wenigen Beispielen wird bereits deutlich, welches Potenzial der Blick über den Tellerrand bietet. Wenn man glaubt, schon alle wichtigen Seiten und Best-Practices zu kennen, bieten sich plötzlich unzählige neue Ansätze und Ideen.

Es geht beim Benchmarking allerdings nicht nur darum, neue Ideen zu finden. Viel wichtiger ist es dabei, sich tatsächlich mit seinen Kunden und den Produkten auseinanderzusetzen, um nicht mit pauschalen, immer gleichen Methoden zu arbeiten. Es gilt also, darüber nachzudenken, die Pauschalität abzuschaffen.

Abschließend nochmal alle Tipps auf einen Blick:

  • Untersuchen Sie ausländische Seiten, die genau Ihr Business verfolgen.
  • Beachten Sie dabei unbedingt auch kulturelle Unterschiede.
  • Nutzen Sie auch branchenfremde Websites als Inspirationsquelle.
  • Identifizieren Sie Erfolgsprinzipien, die auch in Ihr Business passen könnten.
  • Leiten Sie daraus wirklich kontraststarke Testkonzepte ab.

Gute Anlaufstellen für neue Inspirationen sind Vergleichsportale wie beispielsweise bankrate.com (US), moneysupermarket.com (UK) oder pricerunner.se (Schweden).

Welche Erfahrungen konnten Sie bei der Recherche auf „weiter entfernten“ Seiten machen? Wie schätzen Sie das Potenzial ein? Über Ihre Kommentare freue ich mich.

Über den Autor

Marcel Licht

Vorstand

Marcel Licht ist Vorstand bei konversionsKRAFT. Er beschäftigt sich seit 2009 mit der Conversion Optimierung von Websites namhafter Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Telekommunikation, Tourismus und Onlinehandel. Weiterhin ist Marcel Licht Dozent für Conversion Optimierung an der Hochschule Darmstadt. Seine Artikel erschienen bisher in Publikationen wie iBusiness, Website Boosting, t3n, Chip und weiteren Magazinen.
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2 Kommentare

  1. Gravatar

    Oliver,

    Lieber Marcel,

    danke für diesen aufschlussreichen Vergleich! Was die direktere Ansprache der potentiellen Kunden und die transparenteren Informationen betrifft, gebe ich dir absolut recht, dass da deutsche Versicherungen hinterherhinken. Man hat den eindruck, dass deutsche Versicherungskunden deutlich unkritischer zu sein scheinen als die amerikanischen…Wo jedoch deutsche Unternehmen um Nasenlängen voraus sind, ist der grafische Aspekt 😉

  2. Gravatar

    geldanlagehilfen,

    Hallo Marcel,
    werde den Blick über den Tellerrand gleich mal auf unserer Finanzseite ausprobieren.
    Danke für die gute Gegenüberstellung!
    Liebe Grüße
    Stefan

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