EyeTracking – Analyseverfahren zur Usability- und Konversionsoptimierung
Immer wieder werden wir gefragt, was eigentlich “EyeTracking” ist und in welchem Zusammenhang das EyeTracking-Verfahren an der Usability- oder Konversions-Optimierung beteiligt sein kann. Dieser BlogPost von Marcel Licht und Mirko Melcher soll allen, die sich noch nicht mit diesem Thema beschäftigt haben einen kurzen Einblick geben.
Augen sind das Fenster zur Seele des Menschen*
Aufmerksamkeit ist Grundvoraussetzung jeglicher Nutzeraktion. Schon früh interessierten sich Ärzte, Philosophen und später auch Psychologen für die Blicke und Augenbewegungen des Menschen. Schnell entdeckte man, dass winzige, mit dem menschlichen Augen kaum wahrnehmbare Sprünge des Auges viel über die innere Befindlichkeit eines Menschen aussagen konnte. Die Methode des EyeTrackings stellt die einzige Möglichkeit dar, fundierte Aussagen über die Aufmerksamkeit und Befindlichkeit eines Menschen zu treffen.
Zur Analyse des Nutzerverhaltens auf einer Website können mit Hilfe dieses Systems folgende Kernfragen beantwortet werden:
- Welche Elemente werden überhaupt wahrgenommen?
- Wie lange und wie oft werden bestimmte Bereiche (z.B. Menüs, Überschriften, Werbebanner, Teaser) betrachtet?
- Welche Bereiche werden intensiv gelesen oder betrachtet, welche werden nur überflogen?
- Werden unwillkürliche Augenbewegungen heftiger oder verlangsamen sie sich?
Mit Hilfe weiterer Beobachtungen aber auch Befragungsmethoden werden nun Rückschlüsse auf innere Welten, Motivationen und Demotivationen der Probanden gezogen.
Wie funktioniert EyeTracking?
Musste man früher noch unangenehme Gestelle am Kopf der Testpersonen anbringen, so sind die führenden Systeme heute in den Bildschirm integriert und somit sehr viel komfortabler. Doch wie funktioniert das EyeTracking eigentlich?
„Infrarot“ heißt das Zauberwort und das kennt man z.B. von Fernbedienungen.
Die Testperson wird im Bereich des Gesichts von ungefährlichen Infrarotstrahlen abgetastet und dabei gleichzeitig von einer Augenkamera gefilmt. Dank des Infrarotlichts, welches vom Auge reflektiert wird, kann eine Analyse-Software das Auge erkennen und verfolgen. Entscheidend ist hierbei, dass die Pupille selbst nicht reflektiert und daher von der Kamera als schwarzer Punkt erkannt werden kann.
Parallel dazu werden natürlich auch der Monitorscreen, der Ton, sowie ein Videobild des Oberkörpers aufgezeichnet, d.h. man kann auch Gesichtsmimik und Körpergestik erfassen, dies erlaubt einen direkten Vergleich zu den unbewussten Augenbewegungen.
Erhobene Daten
Fixation:
Das EyeTracking-System ermittelt die Fokussierung eines bestimmten Punktes (Ort und Dauer) der Augen eines Probanden. Im Gehirn der Testpersonen werden während einer Fixations-Phase neurologisch verwertbare Informationen an das Gehirn geleitet.
Sakkade:
Der Sprung von einer Fixation zur nächsten. Während dieser schnellen, ruckartigen Augenbewegung können keinerlei optische Informationen aufgenommen werden. Die Geschwindigkeit der Sakkaden kann Rückschlüsse auf innere Befindlichkeiten der Probanden zulassen. Die Sakkaden selbst können von Probanden nicht wahrgenommen werden, aus Probandensicht “fließt” der Blickt von einem Fixationspunkt zum nächsten.
Anwendungsbereiche:
Alle visuellen Medien, also Online-Pages, Werbefilme, iPhones, Handy-Apps, Kataloge, Banner und Plakate können mittlerweile von EyeTracking-Systemen untersucht werden. Dazu gehören auch mobile Geräte, mit denen man an Bahnhöfen die Bedienung von Schalterautomaten oder die Wahrnehmung von Strassenbeschilderungen testen kann.
Visualisierung der Ergebnisse
Die Ergebnisse können auf verschiedene Weise visualisiert werden.
Blickverdichtungen
Heatmap
Die roten Bereiche wurden von mehreren Probanden am intensivsten betrachtet.
Gaze Opacity
In der Schlüssellochdarstellung sind alle nicht aufmerksam wahrgenommenen Bereiche schwarz eingefärbt. Je mehr Probandenergebnisse überlagert werden, desto dichter wird die Schwarzfärbung.
Areas of Interest
Mit Hilfe dieser Analyse können einzelne Bereiche einer Website verglichen werden.
Cluster
Polygone markieren die Elemente, die während des Tests am intensivsten betrachtet wurden. Für jeden dieser Cluster wird prozentual angegeben, wie viele der Probanden diesen Bereich fixierten.
Blickverläufe
Gaze Plot
Die Blickverlaufsmessung zeigt die Reihenfolge sowie die Dauer der Fixationen (Kreise) und Sakkaden (Linien). Je größer der Kreis, desto länger die Betrachtungsdauer. Welche Elemente als erstes ins Auge fallen, lässt sich an der Nummerierung der Kreise erkennen.
Was hat EyeTracking mit Konversion zu tun?
EyeTracking ist Attention-Tracking. Es geht also um Aufmerksamkeit. Was man nicht sieht wird man logischerweise nicht anklicken. EyeTracking ist also hervorragend dafür geeignet, Schwachstellen in Online-Shops aufzudecken, welche in direktem Zusammenhang mit niedrigen Konversionsraten stehen. Waren noch vor wenigen Jahren “nur” Usability Probleme für den Forscher interessant, so sind es heute auch andere unbewusste Vorgänge, die sich im Blickbild -und Blickverlauf von Probanden physiologisch bemerkbar machen.
Eine entsprechend gestaltete Testkonstruktion kann die Motivation und Demotivation des Nutzers beim Besuch der Seite aufzeigen und exakt die Elemente ausmachen, die zum Nicht-Kauf führen. Insbesondere die Verbindung mit anderen Messmethoden kann innere Blockaden, innere Interessensbarrieren sichtbar machen und zu neuen Lösungsansätzen führen.
Die Zukunft des EyeTracking
Eine besondere Herausforderung bieten mobile Anwendungen auf diversen MobilePhones, iPhones oder iPads u.ä., hier benötigt man z.T. noch klassische Headsets um der Fülle von verschiedenen Endgeräten Herr zu werden. Alle großen Hersteller bieten solche Headsets samt Zubehör an.
Kombinierte Untersuchungsmodelle
Spannend sind kombinierbare EyeTracking-Systeme, d.h. Systeme die auch mit anderen Instrumenten zur Messung physiologischer Veränderungen eines Menschen gemeinsam genutzt werden können. Dazu gehören z.B. Arousal-Messungen des Hautwiderstandes, mit denen unbewusste Erregungszustände eines Menschen erfasst werden können, aber auch EEG und PET-Messungen des Gehirns. Ganz besonders spannend sind EyeTracking-Systeme die in Verbindung mit fMRT (Magnetresonanz-Tomographien) eingesetzt werden, diese erlauben dann die kombinierte Messung von Hirnaktivitäten mit Augenbewegungen, Fixationen und Sakkaden.
2 Kommentare
Paul,
Ein wirklich super Artikel der vor allem mal ein bisher näher und genauer in die Thematik geht (gibts sehr wenige in Deutschland). Leider sind die Beispielbilder sehr klein und damit kaum erkennbar – so viel zur Usability 😉
Matthias Henrici,
Gute Hinweis Paul. Es gibt aber eigentlich nur 2 Bilder die einer Vergrößerung bedürfen, z.B. die “cluser” und “gaze plots” bei allen anderen reicht die schematische Darstellung in der gezeigten Größe. Wie auch immer, wir ändern das 😉