Personalisierung: Das digitale Tante-Emma-Prinzip
Der Ansatz der Personalisierung basiert auf den guten alten Tante-Emma-Läden. Tante Emma (auch wenn sie nie so hieß) kannte jeden ihrer Kunden und wusste, was sie zum Leben so brauchten. So konnte Tante Emma immer die Produkte empfehlen, die gerade interessant waren – abgesehen von Brot, Butter und Milch. Wenn ihre Kunden ein Kind zur Welt brachten, so hat dies Tante Emma durch den engen Kundenkontakt direkt erfahren und bei den nächsten Einkäufen auf Angebote für Windeln aufmerksam gemacht oder neue Pflegeprodukte für das Neugeborene empfohlen. Die gute alte Zeit.
Was wie ein Märchen über die guten alten Tage klingt, findet nun Einzug im E-Commerce. Das “Digitale Tante Emma Prinzip”.
Nicht relevante Produktempfehlungen schrecken ab und frustrieren Deine Kunden
Wenn uns Tante Emma ohne persönliche Begrüßung nur ein „Guten Tag“ entgegenbringt und immer wieder aufs Neue herzlich in ihrem Laden willkommen heißt, dann kommt uns das schon komisch vor. Wenn wir zusätzlich nur irrelevante Produktempfehlungen bekommen, dann fühlt man sich völlig im falschen Film.
Wenn Tante Emma Dich wiederholt auf die „leckeren Rinderfilets im Angebot“ hinweist, obwohl sie längst wissen müsste, dass Du Vegetarier bist, dann sinkt Deine Stimmung und die Motivation, in diesem Laden einzukaufen gleich mit. Ein TV-Spot eines Energieversorgers hat es vor geraumer Zeit schön auf den Punkt gebracht, auch wenn es hier eigentlich um Service-Qualität geht:
Wenn wir nicht verstanden werden, dann ist eine Webseite irrelevant und jede Sekunde wird zu verschwendeter Zeit. Genau so geht es vielen Menschen, die eine Webseite besuchen, auf der ihnen nicht relevante Dinge präsentiert werden. Nach einer Studie von janrain aus dem Jahr 2013 mit 2.091 Teilnehmern geht es ganzen 74% so:
74 percent get frustrated with websites when content, offers, ads, promotions, etc. appear that have nothing to do with their interests.
Wie kommt man raus aus dem Einheitsbrei und wie entwickelt man eine Personalisierungs-Strategie, die ins Schwarze trifft?
Kommunikation muss persönlicher werden
Kein Mensch möchte wie einer von vielen behandelt werden. Die Kommunikation mit Webseiten-Besuchern läuft aktuell aber genau so ab. Nur, weil wir unseren eigenen Namen im Checkout lesen, ist das noch lange keine persönliche Ansprache. Auch der Bezug zum Wetter macht das nicht besser. Webseiten sind aktuell starre digitale Abbilder von Unternehmen. Doch bevor an technologische Lösungen gedacht wird (die wir sicherlich auch brauchen), sollten wir über eine andere Form der (digitalen) Kommunikation nachdenken.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Erik Devaney
Das Schaubild verdeutlicht den aktuellen Zustand in der Kommunikation mit der Zielgruppe auf den meisten Webseiten. Ein Unternehmen kommuniziert mit allen Besuchern auf die gleiche Art und Weise. Es wird eine Zielgruppe aus vielen Personen bestehend gebildet (one audience of many).
In der personalisierten Kundenansprache geht es darum, dieses Verhältnis “aufzuweichen”. Jede Person ist Zielgruppe und damit einzigartig. Es werden mehrere Zielgruppen aus einzelnen Personen gebildet (many audiences of one). Das ergibt die Notwendigkeit, jede Zielgruppe auch gut anzusprechen.
Von der Persona zur PERSONAlisierung
Um die Zielgruppenansprache noch treffender zu machen, braucht man eine gute Vorstellung davon, welche Bedürfnisse die Zielgruppe hat und was ihr wichtig ist. Im Tante-Emma-Laden funktioniert das alles sehr einfach. Sie spricht mit den Kunden und erfährt etwas über ihr Leben, was sie gerne machen, was nicht. Dann wird jeder Kunde mit seinen Gewohnheiten und Bedürfnissen im Kopf von Tante Emma abgespeichert.
Wer sich über mehrere Tausend, Hunderttausend oder gar Millionen Besucher auf seiner Webseite jeden Monat freuen kann, wird hier natürlich an Grenzen stoßen – Das kann man sich nicht merken. Es braucht eine Typologisierung der Besuchergruppen in “Personas“, um zumindest mit einer 1:5 oder 1:10 Kommunikation arbeiten zu können. Das heißt: 10 unterschiedliche Ansprachen der Besucher an X unterschiedlichen Stellen der Webseite.
Hinter den Personas stehen Prototypen der Zielgruppe, die exemplarisch in Form einer Person greifbar darstellt werden. (Mehr zur Erstellung von Personas erfährst Du hier im Blog: Personas). Auf diese Weise bekommst Du ein besseres Bild von den Bedürfnissen der Zielgruppe. Eine echte 1:1 Kommunikation ist in eingeloggten Webseiten-Bereichen möglich, aber nicht wirklich praktikabel.
Das Wirksamkeitsmodell der Personalisierung
Personalisierung kann in unterschiedlich komplexen Ausbaustufen betrieben werden. Hierbei kann man mit relativ einfachen Mitteln beginnen. Die Wirksamkeit dieser “must haves” ist allerdings nicht sehr groß. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht, wie sich die Wirksamkeit unterschiedlicher Personalisierungsstrategien auswirkt:
Die einzelnen “Kreise” werden nachfolgend kurz erläutert:
Die Basis: Must Haves
Auf dieser Ebene kann man vieles richtig machen, ohne überhaupt wirklich über Personalisierung nachgedacht haben zu müssen. Hier geht es darum, eine grundlegende Basis für Relevanz zu schaffen. Hierzu zählen:
- Keyword Advertising mit Keyword Insertion, soll heißen, Begriffe der Zielgruppe wieder aufgreifen
- Landing Pages, die in kurzer Zeit Bezug zum gesuchten Begriff herstellen
- Content-Seiten, die gut und einfach strukturiert sind, damit die Besucher schnell den Inhalt erfassen können und verstehen, worum es geht (skim – scan- read)
- Bedürfnisse der Zielgruppe in der Navigation wieder aufgreifen (aktuell: Geschenke für Männer, für Ehefrauen, aber auch: spezielle Filtermöglichkeiten nach Anlässen, Verwendungszweck, Aktionsangebote, etc.)
- Steuerbarkeit der Navigation sicherstellen, Nutzer müssen zu jeder Zeit den Prozess in Richtung und Geschwindigkeit selbst beeinflussen (keine Session Timeouts, etc.)
- Warenkorb-Abbrecher identifizieren und gezielt ansprechen
- Attraktive Vorschläge für Alternativprodukte (nicht immer die alte “andere Interessierte auch” Leier)
Schritt 1: Verhaltensbasierte Personalisierung
So ziemlich alles, was die Besucher auf unseren Webseiten so treiben, kann mit Trackingtools gemessen werden. Aus vielen dieser Verhaltensweisen kann man bereits erste Maßnahmen zur Personalisierung ableiten. Das Verhalten auf der Seite oder auch schon die Reaktionen auf bestimmte Werbemitteln dienen als Indikator für die Bedürfnisse der Zielgruppe.
Diese Bedürfnisse können als “Auslöser” für Personalisierungskampagnen verwendet werden.
Beispiele für Nutzerverhalten:
- Traffic-Quelle (je nach Quelle kann etwas über die Bedürfnisse abgeleitet werden, z.Bsp.: Referrer = Preisvergleich)
- Reaktion auf bestimmen Ad-Groups (Schnäppchen vs. Neuheiten vs. Sales-Aktion)
- Eingeloggt, Ausgeloggt (Bestands/ Neukunden)
- Besucher aus Newslettern (Wiederkehrer)
- Klicks auf interne Suche (Personen finden nicht, was sie interessiert)
- Reaktionen auf Reco-Engine (Personen lassen sich von Empfehlungen leiten)
- Klicks auf Schnäppchen Filter (Preis-sensitive Zielgruppe)
- uvm.
Schritt 2: Typenbasierte Personalisierung
Die nächste Wirksamkeitsstufe erreicht man durch das Verknüpfen von persönlichen Daten (CRM) mit der Personalisierungskampagne. Des Weiteren kommen hier auch die Persona-Modelle zum Einsatz. Ziel ist es, Besucher vorab in Personas zu beschreiben. Anschließend wird eine Online-Befragung durchgeführt, um herauszufinden, welche Typen tatsächlich auf der Webseite surfen (eine Art emotionales Gutachten der Besucher). Die Ergebnisse der Befragung werden mit den CRM Daten verknüpft, um ein besseres Verständnis über die Kunden zu erhalten. Diese Typen kann man auch mit anderen Abteilungen teilen, um auf die Kundenbindung einzuzahlen. Beispiel: Ein Kunde, von dem man weiß, dass er mehr auf Neuheiten aus ist, als auf Schnäppchen, bekommt Newsletter mit speziellen Inhalten und bei der nächsten Bestellung eine Vorankündigung einer neuen Spiele-Konsole mit beigelegt.
Kurz zusammengefasst:
- Erstellen von Typen (Personas)
- Onsite-Befragung der Besucher
- Auswertung der Typen
- Verknüpfung von CRM Daten und Typen
Schritt 3: Dynamische Modelle
Da alles zuvor Genannte mit Arbeit verbunden ist, sollte das Ziel sein, alle Maßnahmen (halb-) automatisiert durchführen zu können. Bereits erprobte Kampagnen solltest Du skalieren und auf andere Bereiche übertragen.
Testing ist übrigens auch bei und während der Personalisierungsmaßnahmen wichtig, denn auf Datenbasis kannst Du herausfinden, was wirkt und was nicht. Wenn sich in vorausgegangen Tests herausstellt, dass bestimmte Besuchergruppen positiv auf Website-Elemente reagieren, die Vertrauen bilden sollen, dann kann dieses Prinzip weiter verstärkt werden. Zum Beispiel, indem es auch auf andere Website-Bereiche ausgerollt wird.
Marketing Automation ist hier das Zauberwort. Skalieren der bisherigen Testergebnisse und das Anwenden von selbstlernenden Systemen, die automatisch neue Verhaltensweise der Besucher aufdecken und darauf reagieren.
Fazit
Schöne neue Welt könnte man meinen. Wer allerdings die ersten Personalisierungskampagnen aufgesetzt hat, wird sehen, dass wir eher zur “guten alten Welt” zurückkehren. Wir fokussieren künftig vielmehr auf verkäuferische Talente und transportieren diese auf den E-Commerce. Was bei Tante Emma geklappt hat, kann so verkehrt nicht gewesen sein. Gefragt sind also gute Verkäufer und Profis, die überzeugende digitale Einkaufserlebnisse bieten.
2 Kommentare
Karolin,
Guter Service ist wichtig da hast du recht und wenn wir alle mal ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann kaufen wir auch lieber da wo wir uns gut aufgehoben fühlen. Ob nun online oder offline das ist egal.
P.S. Das Video ist einfach genial.
Benjamin,
Hallo Gabriel,
sehr spannender Artikel, vielen Dank!
Richtig spannend wird es aus meiner Sicht, wenn man anfängt, die digitale mit der analogen Welt zu verknüpfen. Ich möchte ein Beispiel geben: eine große dänische Bank hat es geschaft mit einer Ihrer Mailing Aktionen eine Rücklaufquote von 90% zu erreichen. 90%! Wenn man sich überlegt, dass selbst die besten Newsletter gerade mal eine _Open_rate von 70% und Conversionrates im einstelligen Bereich haben, ist das natürlich ein phänomenales Ergebnis.
Wie hat die Bank das angestellt? Indem Sie Kunden handschriftlich per Post angeschrieben hat. Dieses Beispiel würde ich nicht bringen, wenn nicht auch hier das Thema Automatisierung reinspielen würde: Es gibt Services, die über eine API das CRM auslesen und die Briefe handschriftliche automatisiert erstellen – mit echten Füllern und auf hochwertigem Papier.
Ich hoffe, du verzeihst die schamlose Eigenwerbung, aber wir betreiben so einen Service – wer mehr solcher Case Studies lesen möchte kann gerne auf https://www.pensaki.com/de/blog/ vorbeischauen.
Viele Grüße