Verhaltensmuster “Paradox-of-Choice”: Große Auswahl, kleine Conversion?
Ein Beispiel für das Verhaltensmuster “Paradox-of-Choice” ist das Konfitüren-Experiment von Sheena Iyengar und Mark Lepper: Die beiden wollten wissen, wie sich die Größe einer Auswahl von Produkten auf das menschliche Kaufverhalten auswirkt. Zu diesem Zweck machten Sie ein Experiment: In einem kalifornischen Delikatessengeschäft bauten sie Probiertische bestückt mit Toastscheiben auf. Kunden konnten die mit verschiedenen Sorten Konfitüre bestrichenen Toastscheiben probieren und bei Gefallen die entsprechende Sorte kaufen.
Das Konfitüren-Experiment:
Die beiden Feldforscher entwickelten eine Art von A/B Testkonstruktion. Bei der A-Variante wurden lediglich 6 Konfitürensorten präsentiert, bei der B-Version ganze 24 Sorten und bei beiden Testszenarien wurde über einen definierten Zeitraum darauf gewartet, was passiert.
Das Ergebnis: Paradox-of-Choice
Die kleinere Auswahl lockte lediglich 40% aller Besucher an den Stand, die große Auswahl dagegen 60%. Das wirklich verblüffende daran war, dass bei der großen Auswahl lediglich 2% aller Besucher zu Käufern wurde, während bei der kleinen Gruppe ganze 12% zum Glas griffen. Es wurde deutlich, dass die größere Auswahl mehr Aufmerksamkeit bei weniger Käufen hervorrief.
Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz hat dieses Phänomen “The-Paradox-of-Choice”, das “Wahlparadoxon” genannt.
Die größere Auswahl hat eine deutlich größere Anziehungskraft auf Menschen und suggeriert zugleich eine größere Wahlfreiheit, mithin stärkt es im Menschen das Gefühl der Kontrolle. Auf der anderen Seite sorgt diese Wahlfreiheit für eine gesteigerte Erwartungshaltung, wie eine überladene Batterie, die ab einem gewissen Punkt der Stromzufuhr auf einmal keine Energie mehr abgeben kann. Bas Kast, ein deutscher Wissenschaftsjournalist behauptet dazu in seinem Buch mit dem treffenden Titel “Ich weiß nicht was ich wollen soll?”, dass der chronische Mangel durch chronischen Überfluss ersetzt wurde und uns letzterer in unseren Entscheidungen lahmlegt. Die Demotivation liegt in der potentiellen Gefahr, dass wir uns falsch entscheiden. Diese Gefahr steigt mit der Anzahl der Möglichkeiten.
Gefahr für Fehlentscheidung durch zu viele Optionen
Gelöst wird diese Blockade durch eine – unbewusst wahrzunehmende – Entscheidungshilfe (ein unsichtbarer Push) oder gar eine offene Beratungsleistung, durch:
A) Social Proof (d.h. eine Auswahl bekommt Gewichtungen),
B) eine eigene Präferenz (Erdbeerkonfitüre mag ich sowieso am liebsten), die mit Hilfe von Filtern Ordnung schafft oder
C) Pseudovielfalt, d.h. es wird eine große Vielfalt als Aufmacher suggeriert, die aber im weiteren Verlauf reduziert wird.
Denkt man über Lösungen für Shopbetreiber nach, wird auffallen, dass viele der bereits bekannten und berühmten psychologischen Verkaufstrigger wie “Social Proof”, Filterung oder Verknappung eigentlich auch Kombinationsmethoden zur Reduktion des Paradox-of-Choice Verhaltens sind. Mehr Informationen über die erfolgreiche Anwendung der konsumpsychologischen Behavior Patterns erhältst du im Ambassador Programm. Dort tauschen sich Fach- und Führungskräfte, die den Wert von Kundenzentrierung verstanden haben und das Wachstum in ihrem Unternehmen durch Experimentieren vorantreiben, über ihre Erfahrungen aus. Bewirb dich jetzt, um dein Wissen über bestimmte Verhaltensmuster zu optimieren!
Möglichkeiten für Paradox-of-Choice Wireframe
Je mehr ich über Präferenzen eines Individuums weiß, desto klarer die Sortierung meines Angebots. Wunsch-Produkte nach vorne. Logisch. Hat ein Käufer eine natürliche Priorisierung, mag er z.B. nur bittere Orangenmarmelade, kann ein lernfähiges oder über reTargeting gefüttertes System seine Prioritäten direkt an erster Stelle anzeigen. Dennoch müssen weitere Varianten sichtbar bleiben, um das Gefühl der Auswahlmöglichkeit nicht zu verlieren.
Der gute alte Online-Chat, die Kontaktaufnahme zu einem seriösen Berater ist noch lange nicht tot. Seiten wie www.bergfreunde.de zeigen deutlich, dass ein solcher Beraternachweis extrem gut funktionieren kann. Aber nur dann, wenn diese Berater tatsächlich tief in der Materie drin sind und eine sehr gute Beraterleistung liefern können.
Tatsächlich dient die Sternchenschlacht der Bewertungen nicht nur dem Nachweis über die Qualität eines Produktes, sondern auch als eine erste Auswahl-Eingrenzung. Die Bewertungen müssen also zwangsläufig schon in Kategorieseiten sichtbar sein, um den Paradox-of-Choice Effekt zu minimieren.
Es ist weniger einfach, als es scheint. Filtermöglichkeiten sind nur dann ein echter Paradox-of-Choice Problemlöser, wenn sie nicht zu komplex sind, im Wahrnehmungsfokus des Betrachters liegen und eine einfache Rückstellmöglichkeit bieten.
Eine weitere, bislang eher ungeliebte, Variante der Filterung ist die Tabelle. Bislang wird sie häufig bei Suchergebnis-Seiten, Vergleichsplattformen und enorm vielen angezeigten Datensätzen eingesetzt. Aber sie hat auch bei klassischen Produktkategorie-Seiten auf bestimmte Käufertypologien einen unwiderstehlichen Charme und kann sich auch schon bei klassischen Produktkategorie-Seiten enorm fördernd auf die Conversion auswirken.
Hervorhebungen gibt es in allen möglichen Variationen. Wenn es Gründe dafür gibt, eine Marmeladensorte besonders hervorzuheben (z.B. Marmeladensorte des Jahres), kann es dem überforderten Kunden eine klare Alleinstellung und Wahleinschränkung servieren, die zu einer logischen, nachvollziehbaren Kaufmotivation führt.
Fazit:
Viele der hier gezeigten Vorgehensmodelle wie z.B. Beratung, Filterung, Kontrast oder Targeting sind längst bekannte Schemata der Converison Optimierung und Bestandteil der allgemeinen Shop-Entwicklung. Aber der eigentliche Ursprung und der erfolgreiche Einsatz dieser Tools liegt in der Lösung des Paradox-of-Choice Problems.
Ganz wichtig: Die Verringerung der Auswahl, die Reduktion des Sortiments, sollte keine Option sein. Sie sorgt nämlich, wie die Untersuchung von Sheena Iyengar und Mark Lepper zeigt, für eine geringere Anzahl von Interessenten. Es gilt also, die Waage zwischen Interesse und Überforderung exakt auszutarieren.
7 Kommentare
Emmi,
“Ganz wichtig: Die Verringerung der Auswahl, die Reduktion des Sortiments – sollte keine Option sein, denn sie sorgt, wie die Untersuchung von Sheena Iyengar und Mark Lepper zeigt, für eine geringe Anzahl von Interessenten. Es gilt also die Waage zwischen Interesse und Überforderung exakt auszutarieren.”
Falsch. 12% von 40% sind immer noch deutlich mehr als 2% von 60%. Entscheidend ist ja die Zahl der Käufer, nicht der “Gucker”…
clemens,
Aber vielleicht sind ja 10% von 50% noch besser!
Matthias Henrici,
Emmi: Sehr richtig. Mit “austarieren” meine ich aber auch nicht 50:50 sondern Waagehaltung zwischen EIngrenzung der Auswahl und Größe der Auswahl.
Olga,
Der Artikel ist echt toll)))) Vielen-vielen Dank!!! Eine reine Psychologie. Eines steht aber fest, man muss Mass halten. Ein zu armes Angebot in den Onlineshops kann die Kunden abschrecken und Mißvertrauen zu Ihrem Onlineshop verleihen. Ein zu reiches …. war schon hier beschrieben.
Patrick,
Jetzt wäre endlich mal bewiesen, weshalb ich mir immer so schwer tue Joghurt im Supermarkt zu kaufen….
Marco,
Mich persönlich lässt eine große Auswahl kalt. Dank dieser Auswahl ist ein fast eigentständiger Markt entstanden, der es sich zur Aufgabe gemacht hat Wahlentscheidungen durch aussagekräftige Testverafhren abzunehmen. Im Computersektor gibt es zum Beispiel zahlreiche Magazine, welche Smartphones, Hardware und Software testen. Trotzdem war dieser Artikel sehr lesenswert!!! Danke!!
Roman Still,
Matthias, vielen Dank. Der Artikel ist wirklich toll.