Hintergründe

Curated Shopping – Das E-Commerce Modell im Selbstversuch

mressel
 Lesezeit: 12 Minuten    
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Wie wäre es, wenn man einen guten Berater auch im Online Shop hätte? Wie wäre es, wenn mich online jemand genauso kompetent berät, wie die nette Dame im Modegeschäft um die Ecke? Genau dieses Ziel verfolgt das E-Commerce Modell Curated Shopping – die Modekompetenz und Beratung ähnlich wie im stationären Handel online abzubilden.

Über einen Fragebogen muss man hierfür einige Angaben zu seinem Stil und Größen machen. Ein Stylist stellt dann passende Outfits zusammen und schickt diese an den Kunden. Bequem kann man die Outfits zu Hause anprobieren und nicht passende Teile wieder zurückschicken.
Die Beratung kostet für den Nutzer dabei keinen zusätzlichen Aufpreis. Weder muss der Nutzer die Beratungsleistung direkt über eine Gebühr bezahlen, noch wird bei den Kleidungsstücken ein Aufpreis verlangt.

Damit bietet der Curated Shopping Ansatz mit der persönlichen Beratung ein klares Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Onlineshops und vor allem auch gegenüber Amazon.

Seit 2012 sind Curated Shopping Konzepte in Deutschland mit Modomoto und Outfittery vertreten. Seit 2014 ist auch Zalando mit Zalon vertreten und hat die Zielgruppe um eine Shoppingberatung für Frauen erweitert. Rein auf Frauen spezialisiert hat sich hingegen Kisura, die seit 2013 auf dem Markt sind.

Doch was steckt eigentlich hinter dem Service und funktioniert der Ansatz der persönlichen Stilberatung Online? Eigentlich sollte das doch die Kompetenz des stationären Handels sein, oder?

Das Experiment

Schaut man sich die Kommunikation der Anbieter an, ist immer schnell die Rede von Männern, die keine Lust auf Shopping haben und sich den damit verbundenen Stress ersparen können.

Als modeaffiner Mann fühlte ich mich persönlich nie von Curated Shopping Anbietern angesprochen. Als typischen Kunde hatte ich immer einen Modemuffel im Kopf, der von einer Style-Beraterin ein schlichtes, aber gut aufeinander abgestimmtes Outfit erhält. Inspiration und außergewöhnliche Kleidungsstücke war im Zusammenhang mit Curated Shopping nie meine Erwartung.

Lediglich Zalon geht mit dem Claim „Dein Stil weitergedacht“ auch schon etwas mehr auf eine stilsichere Zielgruppe ein. Dies ist aber auch absolut notwendig, da Zalon Frauen als Zielgruppe ansprechen und Frauen häufig stilsicherer sind im Vergleich zu Männern.

Neugierig war ich trotzdem, was die verschiedenen Anbieter und Stylisten leisten können. Deshalb habe ich den Selbstversuch gewagt und die drei Anbieter Outfittery, Modomoto und Zalon mal genauer unter die Lupe genommen.

Disclaimer: Der folgende Bericht basiert auf einer persönliche Erfahrung und spiegelt meine eigene Sichtweise und Meinung wider.

Erstkontakt: Mundpropaganda und Google

Mundpropaganda

Natürlich kam schon mal das ein oder andere auffällige Paket von den jeweiligen Anbietern ins Büro zu Kollegen. Die Mundpropaganda ist mit Sicherheit ein wichtiger Kanal. Lässt man sich das Paket ins Büro liefern, sorgt das große Paket auf jeden Fall für Aufmerksamkeit und Gesprächsstoff. Die Neugier der Mitarbeiter ist geweckt. Von daher hatte man gerade schon zu den beiden Anbietern Outfittery und Modomoto schon einige Stimmen von Kollegen vernommen.

 

 

SEA

Wer schafft es mit einem kurzen Snippet mich zu überzeugen. Ehrlich gesagt keiner der Dienste.

Zalon wirbt mit dem Slogan „Finde deinen Look“. Eigentlich kenne ich den schon. Also muss ich ihn doch nicht mehr finden.

Outfittery wirbt hingegen mit der Headline „Curated Shopping Online – Casual, Sportlich oder Elegant‎“. Da frage ich mich, ob es nur die drei Stile gibt und bedient werden können. Schubladen und Beschränkung auf einen Stil ist nicht meine Denke.

Modomoto startet mit der Frage „Keine Lust auf Shopping?“. Die Frage würde ich mit „Nein“ beantworten. Und jetzt? Ist der Dienst also nichts für mich?

Bei Google holt mich also keiner der Dienstleister so wirklich ab. Auch ein unterschiedlicher Intent, ob man zum Beispiel eher eine Beratung sucht oder neue Inspiration, wird über die Google Suchergebnisse nicht abgefangen.

Die Landingpage: Wer holt mich besser ab?

Auf der Landingpage können die Anbieter sich noch mal von Ihrer besten Seite zeigen. Inhaltlich sind alle Landingpages recht ähnlich aufgebaut. Der Stil, Aufbereitung der Inhalte und Ausrichtung unterscheiden sich jedoch. Jeder Service versucht hier also wirklich einen eigenen Weg zu gehen und zu finden. Eine 1:1 Kopie, wie man es bei anderen Geschäftsmodellen häufig sieht, findet so nicht statt.

Landingpage Outfittery
Landingpage Outfittery

Der Einstieg bei Outfittery ist eher dunkel gehalten. Das wirkt etwas distanziert, aber auch männlich. Im sichtbaren Bereich dominiert ein großes Bild von einem Mann mit einer Outfittery-Box. Ein Video zur Erklärung kann direkt gestartet werden.

Outfittery ist der einzige Anbieter, der mit Testimonials arbeitet. Einen Eindruck von den Stylisten erhält man allerdings noch nicht.

Landingpage Modomoto
Landingpage Modomoto

Modomoto tritt vom Ersteindruck her etwas klassischer auf. Es wird mit Leder und Ziernähten als Gestaltungselemente gearbeitet. Dadurch hebt man sich deutlich von den anderen beiden minimalistischeren Seiten ab. Eine Stylistin bekommt man bei Modomoto auf der Startseite schon mal zu Gesicht, allerdings nur die Stylistin aus dem Store in Berlin. Die anderen Stylisten findet man erst auf einer Unterseite.

Landingpage Zalon
Landingpage Zalon

Zalon ist sehr hell gehalten und arbeitet mit einem kräftigen blau. Im Gegensatz zu den anderen beiden Anbietern muss die Seite sowohl Männer als auch Frauen ansprechen. Auf der Startseite erhält man schon einen guten Einblick über den Prozess, wie die Outfits aussehen können und auch einige Stylisten werden schon gezeigt und vorgestellt.

Für mich persönlich sind die Stylisten sehr wichtig. Diese werden auf der Landingpage von Zalon noch am besten in Szene gesetzt. Inhaltlich bietet Outfittery eine bessere Kommunikation und schafft es Bedenken aus dem Weg zu räumen.

Der Fragebogen

Der Fragebogen, über den die Anbieter mehr über den Stil des Besuchers erfahren möchten, ist bei allen drei relativ ähnlich aufgebaut. Man bekommt verschiedene Outfits gezeigt, die man bewerten soll, Lieblingsmarken oder absolute No-Gos sollen ausgewählt und Angaben über sein Aussehen und Kleidergrößen gemacht werden. Optional ist es auch möglich ein Foto hochzuladen.

Einstieg Fragebogen

Der Fragebogen kann also bei allen Anbietern recht schnell beantwortet werden. Spannend wird es erst danach. Bei Modomoto ist die Bestellung mit dem Fragebogen und der Eingabe seiner Adresse schon abgeschlossen. Bei Zalon hingegen ist noch ein Telefongespräch mit dem Stylist Pflicht und Outfittery legt ebenfalls Wert auf ein Telefonat, bietet allerdings auch die Möglichkeit die Bestellung ohne Telefonat abzuschließen.

Das Telefonat

Ich bin auf jeden Fall neugierig, wer mich zukünftig beraten soll und sehe auch den Mehrwert, wenn man einige Details noch mal in einem persönlichen Gespräch austauscht. Also vereinbare ich bei Zalon und Outfittery einen Termin für ein Telefonat. Beide Stylisten haben direkt am nächsten Tag Zeit, so dass sich die Paketauslieferung dadurch auch nicht großartig verzögert.

Das Telefonat mit meiner Stylistin bei Outfittery fühlt sich erstaunlich gut an. Das Gespräch ist sehr locker und es wird noch mal detaillierter die Größe, Bedarf und Stil abgefragt. Relativ offen kann ich hier meine Wünsche loswerden und nach 10 Minuten sind die wichtigsten Details schon geklärt. Das ist ehrlich gesagt für mich der erste Wow-Effekt. Der persönliche Kontakt gibt einem das Gefühl von Sicherheit, dass die Stilberatung in kompetenten Händen liegt.

Das Telefonat mit dem Stylisten von Zalon empfand ich ebenfalls sehr positiv. Bei der Auswahl der Stylisten merkt man, dass Zalon sich eher an Frauen richtet. Bei den Informationen zu den Stylisten sind nur wenige Stylisten dabei, die vom Profil her auf Männer ausgerichtet sind. Das Telefonat an sich lief etwas sachlicher ab. Ich hatte das Gefühl noch mal wie eine Art Checkliste mit dem Stylisten abzuarbeiten. Aber trotzdem war wieder das gute Gefühl dabei noch mal wichtige Details vor dem ersten Paket besprochen zu haben.

Das Paket

Die Stunde der Wahrheit kommt als der Paketbote klingelt und nach und nach die Pakete eintrudeln. Vorab muss man eventuell erwähnen, dass die Erwartungen an das erste Paket nicht zu groß sein sollten. Der wirkliche Vorteil der persönlichen Beratung wird sich mit der Zeit erst einspielen, wenn man sich gegenseitig besser kennenlernt. Aber vielleicht gibt es hierzu ja noch mal einen Follow-up Artikel. 😉

Als erstes erhalte ich das Paket von Outfittery. Äußerlich ist das Paket von der Aufmachung an einen Koffer angelehnt und hat auch einen Tragegriff, so dass das große Paket leicht transportiert werden kann. Im Paket liegt ein persönliches Schreiben von meiner Stylistin bei und zwei komplette Outfits, die liebevoll verpackt sind.

Die Box von Outfittery
Die Box von Outfittery

Inhaltlich bin ich tatsächlich überrascht. Die Kleidungsstücke sind modern und frisch und treffen meinen Stil schon sehr gut. Kleine Details stören mich allerdings doch bei einigen Stücken – eine Hose ist mal zu eng geschnitten, ein Hemd zu dünn. Letztendlich behalte ich ca. 37% des kompletten Warenwerts. Wirklich positiv bleiben mir die Schuhe in Erinnerung, die direkt zu meinen neuen Lieblingsstücken zählen und die ich sehr gerne trage.

Als zweites trudelt das Paket von Zalon ein. Die Kleidungsstücke werden in einem üblichen Zalando-Paket geliefert. Schade eigentlich, denn hier wird das Branding und Stärkung der Marke Zalon vernachlässigt. Für außenstehende sieht das Paket nun mal aus wie ein einfaches Zalando-Paket. Dass ich einen besonderen Service von Zalando in Anspruch genommen habe, den viele eventuell noch gar nicht kennen, wird also für Leute, die mich mit dem Paket durch die Stadt laufen sehen, nicht deutlich.

Zudem fehlt der Tragegriff, was den Transport sehr unhandlich macht.

Box von Outfittery und Zalon im Vergleich
Box von Outfittery und Zalon im Vergleich

Vom Stil her geht der Inhalt auf jeden Fall schon in eine richtige Richtung. Allerdings treffen die Einzelteile nicht genau meinen Geschmack, weshalb der Großteil wieder zurück geht. Ca 15% des Warenwerts bleiben bei mir zu Hause.

Von Modomoto erhalte ich zunächst eine E-Mail mit der Benachrichtigung, dass für mich aktuell keine passenden Kleidungsstücke vorrätig haben. Hier erkennt man schon ein Problem des Geschäftsmodells. Für alle Stile und Größen Kleidungsstücke vorrätig zu haben und diese auch los zu werden ist keine einfache logistische Aufgabe. Zalon hat es hier etwas einfacher, da hier auf den kompletten Bestand von Zalando zurückgegriffen werden kann.

9 Tage später macht sich aber auch das Modomoto-Paket auf den Weg zu mir.
Auch das Modomoto-Paket enthält zwei Outfits – ein moderneres und ein klassisches. Mein persönlicher Stil wird hier allerdings am wenigsten getroffen. Mir fehlen die kleinen Details, die ein Outfit zu etwas besonderem machen. Beim Anprobieren eines Outfits bin ich hingegen wieder sehr überrascht, wie gut die Farben abgestimmt sind auf meinen Hauttyp und meine Haarfarbe. Das sieht schon sehr stimmig aus, für meinen Geschmack wie gesagt nur noch zu langweilig. Wer modisch etwas zurückhaltender ist, bekommt aber gut abgestimmte Outfits. Ca. 15% des Warenwerts behalte ich.

Mein Fazit zu Curated Shopping

Meine Erwartungen waren wie beschrieben, ziemlich niedrig und wirkliche Inspiration habe ich nicht erwartet – gut abgestimmte Outfits hingegen schon. Von daher wurde ich echt überrascht von den Anbietern. Dass direkt bei der ersten Bestellung schon ein neues Lieblingsstück dabei ist, hatte ich so nicht mit gerechnet. Online Mode einkaufen mit Stilberatung ist also nicht nur für Modemuffel geeignet, sondern auch für eine modeaffinere Zielgruppe zur Inspiration geeignet. Die Retouren könnte ich mir bei der Zielgruppe, ähnlich wie bei Frauen, etwas höher vorstellen, da der Anspruch auch noch mal höher liegt. Kleine Details, die nicht passen, können hier schon für eine Entscheidung gegen das Kleidungsstück ausmachen.

Das persönliche Gespräch ist für mich persönlich ein entscheidendes Element der Beratung gewesen, dass die Qualität des Ergebnisses noch erhöht hat. Aber es gibt auch Ansätze, die in die entgegengesetzte Richtung gehen. 8select hat ihr Geschäftsmodell so umgestellt, dass sogenannte Style Engineers Outfits nach bestimmten Stilen und Anlässen zusammenstellen und der Nutzer auf Basis seiner angaben vorgefertigte Outfits vorgeschlagen bekommt. Die Bestellung läuft dabei über Partnershops über die 8select eine Affiliate-Provision erhält. Damit umgeht 8select die Lagerproblematik, für den Nutzer klingt das in der Theorie erst mal nach mehr Aufwand. Ob der Ansatz rentabel ist, muss sich noch zeigen.

Als Ausblick wird es spannend bleiben, ob das Thema noch stärker an Aufmerksamkeit und Zulauf erhält und aus der Nische herauskommt. Der Einstieg von Zalando und auch vom stationären Handel, wie Peek & Cloppenburg mit der Stilbox, bringen auf jeden Fall schon mal mehr Aufmerksamkeit und dürfte dem Thema noch mal etwas Schwung geben.

Auch interessant wird beim Thema Curated Shopping noch der Einsatz in anderen Branchen. Die Möbelbranche zum Beispiel hat online noch mit einigen Problemen zu kämpfen und das Potenzial ist hier mit Sicherheit noch nicht gehoben. Schön zu sehen, dass Anbieter wie 99chairs dieses Potenzial erkennen und das Thema Curated Shopping auf den Möbelhandel übertragen.

Was sind nun also abschließend die Vor- und Nachteile des Geschäftsmodells? Und was kann man für sich persönlich daraus mitnehmen?

Vorteile von Curated Shopping:

  • Durch den persönlichen Kontakt und Beratung besteht ein höheres Potenzial für eine längere Kundenbindung
  • Durch das Verschicken von kompletten Outfits kann der Nutzer besser über den reinen Bedarfskauf hinaus zu Inspirationskäufen verleitet werden.
  • Das Modell lässt sich gut (vor allem auf beratungsintensive) Branchen übertragen.
  • Die persönlichen Daten des Nutzers (über Fragebogen oder den Kontakt zum Stylist) sind eine hervorragende Grundlage für eine Personalisierungs-Strategie (On- und Offsite).

Nachteile von Curated Shopping:

  • Der logistische Aufwand ist nicht zu unterschätzen, wenn man nicht wie Zalando auf ein bestehendes Lager zurückgreifen kann.
  • Die Kosten für den Stylist müssen wieder erwirtschaftet werden (Investment).

Was ist Ihre Meinung zum Geschäftsmodell Curated Shopping? Haben Sie schon mal selbst Ihre Erfahrung mit dem Geschäftsmodell gesammelt? Über Kommentare freue ich mich.

Weiterführende Links:

Kassenzone: Status Quo Curated Shopping – Interview mit Outfittery

Die Macht der Inspiration: Mehr Umsatz mit Impulskäufen

Über den Autor

Manuel Ressel

Principal UX Design

Manuel Ressel ist Principal UX Design bei konversionsKRAFT – Deutschlands führende Agentur für Conversion Optimierung.

Manuel Ressel beschäftigt sich seit seinem Studium der Medieninformatik mit den Themen kognitive Wahrnehmung und Verhaltensökonomie. In zahlreichen E-Commerce Projekten konnte er bei konversionsKRAFT sein Wissen weiter vertiefen. Seine Leidenschaft gilt dem Thema der Emotionalisierung von Kauf-Prozessen in E-Commerce-Portalen.

Zudem ist Manuel Ressel als Autor für Fachmedien wie t3n, Webselling und weitere Magazine gefragt.

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