Conversion Optimierung

Warum Konsumpsychologie in Krisenzeiten für E-Commerce Umsätze entscheidend ist

Ilja Gurevich
 Lesezeit: 8 Minuten    
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Ein 120 nm kleines Etwas stellt unseren Alltag auf den Kopf und schafft dystopische Zustände. Der nahezu unsichtbare Feind zwingt uns Menschenmengen zu meiden, das öffentliche Leben einzuschränken und zu Hause zu bleiben. Wir beobachten eine Veränderung in der Priorisierung von Bedürfnissen und die Verschiebung vom stationären Handel hin zum E-Commerce. Selbst wenn du zu den potentiellen Gewinnern aufgrund neuer Absatzpotenziale gehörst, spielt die Angst deiner Kunden nun eine entscheidende Rolle bei der Kaufentscheidung. In diesem Artikel verrate ich dir 6 Behavior Patterns, die deinen Shopbesuchern wieder mehr Sicherheit geben.

Hinweis: der Beitrag ist in der Zeit der Covid-19 Pandemie entstanden, weshalb sich die Beispiele stark auf die Situation beziehen.

Der Kuchen wird neu verteilt

Die Wunschrechnung einer pauschalen Verschiebung vom stationären Handel zum E-Commerce geht nicht auf. Betrachten wir die veränderten Absatzmengen einzelner Produktkategorien, zeichnen sich bereits nach wenigen Wochen der besonderen Umstände deutliche Gewinner und Verlierer ab. Anbieter von Nahrungsmitteln, Sport- und Homeoffice-Ausstattung erhalten den Großteil des Kuchens, während Luxus-, Outdoor- und Reiseartikel einen Umsatzrückgang verzeichnen.

Die gekauften Artikel bilden die aktuelle Lebensrealität ab und offenbaren uns noch einen weiteren Aspekt. Der Kauf von Toilettenpapier, Brotbackautomaten und Medizinbedarf deutet auf eine Verunsicherung der Konsumenten hin. Aus den Erkenntnissen der Verhaltensforschung wissen wir ohnehin, dass wir die meisten unserer Entscheidungen in System 1, dem intuitiv, emotional und irrational arbeitenden Teil unseres Gehirns treffen. In Zeiten der Unsicherheit wird das noch deutlicher. → Eine Erklärung der 2-Systeme des Denkens nach Kahneman findest du zum Auffrischen in unseren vergangenen Behavior Patterns Artikeln

Wir stehen vor leer gekauften Klopapier-Regalen, die suggerieren: das ist begehrt, das brauche ich! Ganz egal, ob noch Klopapier zu Hause vorhanden ist oder nicht.

Das veränderte Kaufverhalten führt zu einer Verschiebung der Bedürfnisse deiner Kunden, welche sich gut am Modell der Maslowschen Bedürfnispyramide illustrieren lässt. Während wir in den letzten Jahren überwiegend mit den höheren Stufen der Bedürfnispyramide beschäftigt waren, sorgen wir uns momentan um das Fundament des Modells, nämlich um die physiologischen Grundbedürfnisse und unsere Sicherheit.

Maslowsche-Pyramide-Krisenzeiten
Maslowsche Bedürfnispyramide: in Krisenzeiten ändern sich die Bedürfnisse deiner Kunden

Diesen auftretenden Ängsten sollte jedes Online-Business eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Denn selbst als potentieller Gewinner bekommst du es mit einem wesentlichen Conversion Killer zu tun.

Angst ist ein Conversion Killer

Wird die Bestellung rechtzeitig bei mir ankommen? Ist das Paket desinfiziert? Habe ich auch unter diesen Umständen ein Rückgaberecht? Ist der Lagerbestand im Shop ausreichend?

Solche Fragen kursieren gerade in den Köpfen deiner Kunden und sie offenbaren uns den Grund: Angst. Und zwar nicht etwa, sich ein gutes Angebot aufgrund einer zeitlichen Limitierung entgehen zu lassen und daher sofort den Kauf tätigen zu müssen, sondern Angst vor der Entscheidung, überhaupt einen Kauf zu tätigen

Die Bedeutsamkeit der Sicherheit bei der Kaufentscheidung lässt sich anhand unseres 7-Ebenen-Modells verdeutlichen. Während zu Beginn das Finden der optimalen Lösung im vordergründigen Interesse des Käufers steht, spielen gegen Ende der Kaufentscheidung Risikofaktoren eine besonders große Rolle. Fallen die Risikofaktoren übermäßig ins Gewicht, springt dein Kunde ab.

Schauen wir uns im Folgenden an, mit welchen kognitiven Verzerrungen du dem Kunden die (grundlose) Angst vor der Kaufentscheidung nehmen kannst, damit dir der Conversion Killer nicht zum Verhängnis wird. Im Übrigen sind Virologen der Meinung, dass eine Übertragung über Pakete oder Briefe unwahrscheinlich ist.

Bringen wir Konsumpsychologie ins Spiel

Was würde ein guter Verkäufer im stationären Handel tun, wenn er eine Verunsicherung beim Kunden erkennt? Im besten Fall fragt er seinen Kunden nach seinen Sorgen und begegnet diesen mit der Vermittlung des Sicherheitsgefühls durch passende Argumente und Versprechungen. Er bekräftigt seine Aussage womöglich noch mit denen eines Experten und gibt dir schließlich das gute Gefühl, die Kontrolle über die Situation zu haben. Nichts anderes solltest du auch online machen. Durch den Einsatz passender Behavior Patterns schaffen wir “Denk-Abkürzungen”, die das System 1 ansprechen und bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Bevor du irgendwelche (dieser oder anderer) Maßnahmen ergreifst, ist es daher sinnvoll, deinen Kunden nach seinen Bedürfnissen und Ängsten zu fragen, um adäquat darauf eingehen zu können.


 

Zero Risk Bias

Zero Risk Bias Pattern

Menschen neigen dazu, Risiken zu vermeiden und würden am liebsten gar kein Risiko eingehen. Selbst wenn etwas für manche implizit als risikofrei erscheint, kann es von Vorteil sein, es auch explizit als risikolos oder so gut wie risikolos zu bezeichnen.

Zeige deinem Kunden auf, dass in deinen Lagern unter strengen Hygiene-Vorschriften gearbeitet wird. Hebe das bestehende oder sogar ein verlängertes Rückgaberecht hervor und verweise beispielsweise auf Meldungen der Paketdienste zur Situation (Beispiel). Der Modeanbieter Apposta bildet eine solche Meldung auf der Startseite und jeder Produktseite ab.

Zero Risk Bias bei Apposta: desinfizierte Lieferung

Der E-Roller Vermieter Lime kommuniziert die ergriffenen Hygienemaßnahmen bei den Rollern und Mitarbeitern präsent auf der Website, der App und per Mail an Newsletter-Abonnenten.

Zero Risk Bias bei Lime: welche Maßnahmen werden ergriffen?

 

Illusion of Control

Illusion of Control Pattern

Entscheidungen werden als wertvoller angesehen, wenn sie das Gefühl erzeugen, dass sie durch eigenes Können oder Wissen gefällt werden. Dies gilt selbst dann, wenn zu dieser Entscheidung unbewusst hingelenkt wurde.

Hebe die Auswahlmöglichkeiten der Zustell- und Bezahloptionen hervor, wie die ohnehin empfohlene Zustellung an Packstationen oder den Kauf auf Rechnung, um erst beim sicheren Eintreffen der Ware zu bezahlen. Lieferando bietet beispielsweise die Option der kontaktlosen Lieferung, sodass der Kurier das Essen vor der Tür abstellt und sich in sicherem Abstand von der Tür begibt.

Google Maps fügt präsent Filtermöglichkeiten für Lieferservices und Produkte zum Mitnehmen in die “Points of Interest” Kategorie mit ein.

Illusion of Control bei Google Maps
Illusion of Control bei Google Maps: mehr Kontrolle durch Auswahlmöglichkeiten in der Suche

 


 

Reason Why

Reason Why Pattern

Die Bereitschaft zu handeln ist größer, wenn ein Grund zum Handeln gegeben wird. Einer Bitte wird eher nachgekommen, wenn sie begründet wird. Ein angeblicher Grund ist besser als keiner – am besten sind plausible und relevante Gründe.

Dir sind bestimmt schon die Bemühungen regionaler Händlerverbände oder Zusammenschlüsse aufgefallen. Auch appellieren viele zur Unterstützung von stationären Händlern, Gastronomen oder Dienstleistern durch den Kauf von Gutscheinen o.Ä.

Sicher hast auch du das Gehalt von Mitarbeitern zu bezahlen, die auch jetzt im Lager den Laden wortwörtlich am Laufen halten. Bedanke dich sichtbar beim Kunden zur Unterstützung deiner Angestellten durch das Vertrauen in schwierigen Zeiten. Die Fitnessstudiokette McFit bittet die Mitglieder ihr Abonnement nicht zu stornieren, um die laufenden Kosten weiterhin bezahlen zu können.

Reason Why bei McFit: warum du deine Mitgliedschaft nicht kündigen solltest

 


 

Trust

Trust Pattern

Vertrauen ist eines der stärksten psychologischen Motive für Entscheidungen. Wird Vertrauen in jemanden gesetzt, werden ihm eher positive Eigenschaften zugeschrieben. Vertrauen wird durch Transparenz, Ehrlichkeit, Autoritäten und soziale Bewährtheit erzeugt.

Warum sollten deine Kunden ausgerechnet dir vertrauen? Transparenz in der Kommunikation und dem Handeln ist ein bewährtes Mittel zum Aufbauen von Vertrauen – sowohl gegenüber deinen Mitarbeiter, als auch den Kunden. Der Geschäftsführer von Trigema geht hier mit gutem Beispiel voran und spricht neben der agilen Sortimentsanpassung um Atemschutzmasken eine Jobgarantie für die Mitarbeiter aus.

Hast du besondere Hygiene-Maßnahmen im Lager vorgenommen oder sogar eine Reinigung durch einen Profi-Desinfektor veranlasst? Kommuniziere es mit einem entsprechenden Siegel oder einer Bescheinigung auf deiner Webseite. Die Fitnessstudio-Kette Fitseveneleven ließ unter anderem eine solche Grunddesinfektion in den derzeit geschlossenen Studios vornehmen und lies dies sogar durch ein Fernsehteam dokumentieren und sich bescheinigen lassen.

 


 

Authority

Authority

Menschen vertrauen bei ihrem Handeln auf Autoritäten. Sie folgen z.B. anerkannten Experten ohne große Bedenken. Je bekannter bzw. autoritärer eine Person oder ein Unternehmen ist, desto größer ist das Vertrauen.

Wie oben erwähnt, sind Experten der Meinung, dass eine Übertragung von Viren über Pakete unwahrscheinlich ist. Kommuniziere solche Nachrichten mit verlässlichen Quellen an deine Kunden (über deine Website, Social Media Kanäle oder Newsletter). Der deutsche Handels- und Dienstleistungskonzern OTTO verweist auf einer FAQ Seite zur aktuellen Situation auf Aussagen der WHO und des Robert-Koch-Instituts.

Authority bei OTTO: Verweis auf verlässliche Quellen

 


 

Hope

Hope Pattern

Menschen hoffen, dass ihre Entscheidungen ihr Leben verbessern. Sie lassen sich von dem leiten, was ihnen Hoffnung gibt. Die Hoffnung auf Besserung und positive Veränderung hilft dabei, Ziele zu erreichen.

“Die Hoffnung stirbt zuletzt” – diesen Satz hörst du bestimmt nicht zum ersten Mal. Vielleicht geht es dir im Moment wie mir, dass du in der Krisenkommunikation besonders gerne positive Meldungen liest. Der Präsident des Digitalverbandes Bitkom Achim Berg sieht in der aktuellen Lage eine “Chance wie Aufforderung, Wirtschaft, Verwaltung und Gesundheitswesen noch entschiedener und schneller zu digitalisieren”. Effizientere Meetings, eingesparte Reisekosten und Umdenken von eingestaubten Prozessen sind nur eine Auswahl an Vorteilen der Homeoffice-Maßnahmen vieler Unternehmen. Eine aktive Kommunikation zu ergriffenen Maßnahmen, wie der funktionierenden Arbeit aus dem Homeoffice, gibt deinen Kunden ein gutes Gefühl, dass du auch in Zukunft für sie da bist.

Der Kinobetreiber Cinestar zeigt sich in einer Popup Meldung auf der Website optimistisch, unsere Leinwandhelden schon bald wieder in den Kinos sehen zu können.

Hope bei Cinestar: der Blick auf die besseren Zeiten

 


 

Fazit

In unsicheren Zeiten verschieben sich die Bedürfnisse deiner Kunden in Richtung des Fundaments der Maslowschen Pyramide und der Einflussfaktor Sicherheit wirkt sich noch stärker auf deine Conversion aus. Die Kommunikation mit dem Kunden ist wichtiger denn je, um die Ängste deiner Kunden abzufangen. 

Die Verschiebung hin zum Online-Business hat deutliche Gewinner und Verlierer zur Folge. Für beide gilt in unsicheren Zeiten wie der jetzigen, das emotionalere Verhalten der Kunden  zu verstehen und entsprechend zu agieren. Allerdings müssen wir an dieser Stelle ehrlich sein: Einige Anbieter machen momentan eine schwierige Zeit durch, die zum Teil erhebliche Umsatzeinbußen zur Folge hat. Der Einsatz von konsumpsychologischen Prinzipien wird diese nicht annähernd decken können. Die Behavior Pattern erfüllen hier den Zweck, die Einbußen abzuschwächen und die Kundenbindung langfristig aufrecht zu erhalten. In allen Fällen ist die Kommunikation von entscheidender Bedeutung, um die Kundenbeziehungen und das Vertrauen in dich zu stärken.

Frage deine Kunden in Umfragen oder im Service-Chat aktiv nach ihren Sorgen und begegne diesen mit adäquaten Maßnahmen. Die hier vorgestellten Methoden der Konsumpsychologie können dir dabei helfen.

Über den Autor

Ilja Gurevich

Marketing Specialist

Als Marketing Specialist bei konversionsKRAFT verantwortete Ilja unter anderem die Webinare, den Social Media Auftritt des Unternehmens und das Performance-Marketing.

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