Conversion Optimierung

Multinational E-Commerce: Customer Experience Framework statt One-Shop-fits-all-Strategie

Ina Reinhardt
 Lesezeit: 6 Minuten    
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Ein einziges Template für 15 internationale Online-Shops?

Nationale Unterschiede in den Kundenbedürfnissen, Mentalitäten und Kulturen sind längst in Marketing-Strategien festgehalten, aber es scheint, als könne der digitale Auftritt vieler Online-Shops da noch nicht mithalten.

Die One-Shop-fits-all-Strategie, ausgehend von Shop-Kunden des eigenen Landes, scheint für viele Unternehmen ein beliebter Weg die Customer Experience (CX) gleichermaßen zu bedienen. Aber ist das wirklich alles, was wir mit Blick auf Personalisierung und ROI-Potenziale erreichen können?

Unsere aktuellen Experimente in der Touristik-Branche zeigen: Was in Deutschland zu satten Zuwächsen führt, wirkt sich in Frankreich nicht aus und ist in der Schweiz sogar defizitär. E-Commerce-Akteure verzichten also täglich auf Umsätze, weil sie internationale Kunden in ihrer CX über einen Kamm scheren.

In diesem Beitrag zeige ich:

  • Welche Informationen Schweizer und Deutsche bei der Buchung einer Reise bevorzugen
  • Warum es sich lohnt, Testing auf nationale Vorlieben auszurichten
  • Tipps, wie ein internationales Optimierungsprogramm umgesetzt werden kann

Schlüsselfaktor E-Commerce: die internationale Anpassung der Customer Experience

Im E-Commerce bleiben fast immer Umsatzpotenziale ungenutzt, weil Unternehmen ein “One-Shop-fits-all-Konzept” für alle Zielmärkte ausrollen: ein paar Übersetzungen hier, Anpassungen der existierenden Werbemittel dort, und ein Shop-Template für alle Länderseiten genügen aber leider für effektive Internationalisierung nicht.

Es gibt zahlreiche Schlüsselfaktoren für erfolgreichen multinationalen E-Commerce.
Hierzu gehören neben der Organisationsstruktur und den allgemeinen Ressourcen auch Anpassungen an die kulturellen Gegebenheiten sowie die strategische Ausrichtung der verschiedenen Shop-Oberflächen.

 

Das „One-Shop-fits-all“-Prinzip verbrennt MESSBAR Millionen von Euro!

 

Welchen Einfluss eine kulturell angepasste Customer Experience entlang des Shop-Templates wirklich haben kann, zeige ich nachfolgend.

Kunden verschiedener Länder kaufen aus unterschiedlichen Gründen

Wer internationales Wachstum und Roll-outs sicher vorantreiben will, hat längst erkannt, dass dies nur mit kontinuierlicher Shop-Optimierung entlang der unterschiedlichen Kundenbedürfnisse möglich ist.

Werte, Gewohnheiten, Sprachen und sogar das Aussehen der Menschen unterscheiden sich in den meisten Ländern der Welt. Oft sogar innerhalb der Grenzen einzelner Länder.

Allgemein bekannt ist, dass zum Beispiel die Customer Experience für deutsche Nutzer anders gestaltet sein muss als in Korea.

Aktuelle Tests zeigen außerdem, dass es auch bei Ländern innerhalb Europas Unterschiede gibt, die maßgeblich den Umsatz auf Websites beeinflussen.

Sogar die Nutzer der Nachbarländer Schweiz und Deutschland sprechen bei der Benutzung eines Online-Shops unterschiedliche Sprachen.

Kunden aus dem Nachbarland:

  • sehen Seiten mit anderen Augen
  • wünschen andere Informationen
  • müssen anders motiviert werden
  • benötigen andere Konzepte

 

Multinationaler E-Commerce: Vergleich in der Kundenansprache in Europa mit AB-Testing
In Optimierungskonzepten sollten Feinheiten in Ausdrucksformen bedacht werden. Schweizer sagen zum Beispiel statt Urlaub “Ferien”.

Ohne Personae-Konzepte stehen Unternehmen vor einer unsichtbaren Wand

Kulturelle Unterschiede sorgen dafür, dass Personae desselben Unternehmens sich von Land zu Land unterscheiden und eine andere Ansprache benötigen, um überzeugt zu werden.

Diese Fragen sind wichtig, um Personae gewinnbringend einzusetzen:

  • Welche Personae nutzen überhaupt die Website?
  • Wie unterscheidet sich die Personae-Verteilung zwischen den verschiedenen Ländern?
  • Wie können wir Nutzer jedes Landes optimal ansprechen und gemäß ihrer kulturellen Unterschiede gezielt motivieren

Unsere Aufgabe ist es daher, die Customer Experience der Nutzer des jeweiligen Landes zu verstehen. Dafür werden kulturelle Unterschiede analysiert und auf den Anwendungsfall übertragen.

 

Kunde ist nicht gleich Kunde, auch wenn sich
scheinbar nur die lokalen Kulturpräferenzen unterscheiden.

Deutschland vs. Schweiz: Kaufverhalten im direkten kulturellen Vergleich

Dass qualitative Einblicke in Kaufverhalten und Bedürfnisse das Aufstellen von Testhypothesen maßgeblich unterstützen, ist bereits bekannt.

So half uns in der Praxis folgender Einblick: Deutsche Kunden bevorzugen für eine gute Vergleichbarkeit von Angeboten strukturierte, textliche Informationen, während Schweizer Nutzer bei ihren Entscheidungen viel stärker visuell und emotional getrieben sind.

Während sich in Deutschland also mehr Menschen mit einem besonders ausgeprägten Ordnungssinn auf Websites tummeln, gibt es in der Schweiz mehr Kunden, die Informationen stärker visuell verarbeiten.

Bilder und die Geschichten, die diese Informationen erzählen, spielen somit für Kunden aus der Schweiz eine größere Rolle. Deutsche wollen häufiger strukturierte Fakten bei der Recherche, während Schweizer sich stärker von visuellen und emotionalen Reizen leiten lassen.

Du willst Einblick in die gesamten Ergebnisse unserer Fallstudie? Dann lade dir hier die vollständige Case Study kostenfrei herunter!

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Um nun datengetriebene Entscheidungen für Website-Optimierungen zu treffen, wurden Optimierungskonzepte mit echten Nutzern validiert.

Da möglichst viele Nutzer erreicht werden sollten, wurde das Konzept mit einem einzigen, veränderten Template gleich für mehrere Länder umgesetzt: Frankreich, Deutschland und die Schweiz.

Trotz sorgfältiger Analyse und dem Einsatz qualitativer sowie quantitativer Methoden, brachte das erste Ergebnis des Experiments Ernüchterung. Scheinbar bevorzugten die Website-User keines der beiden Templates.

Während Deutschland gewinnt, verliert die Schweizer Seite

Doch ein Blick in die Länder-Segmente überraschte: Bei deutschen Nutzern schien der Plan aufzugehen. Die Daten lieferten den Beweis:

  • 12,48 Prozent mehr Nutzer buchten in der neuen Variante ein Produkt (93 Prozent Konfidenz)
  • Die französischen Kunden reagierten auf die Änderungen gar nicht
  • Die Schweizer Nutzer liefen sogar davon: In der neuen Variante verzeichnete der Online-Shop 14,69 Prozent weniger Buchungen

Aus den qualitativen Erkenntnissen wurde ein weiteres Optimierungskonzept für Kunden aus der Schweiz erstellt. Der Fokus lag hierbei nicht mehr auf einer tabellenartigen, strukturierten Darstellung der Informationen.

Ein weiteres Experiment zeigte einen signifikanten Uplift von 13,5 Prozent in der Buchungsrate (93 Prozent Konfidenz). Dieser Erfolg spiegelte sich in mehr Buchungen wider und im Umsatz. Der Umsatz pro Besucher konnte um 15,31 Prozent gesteigert werden (94 Prozent Konfidenz).

Entlang der bisher gesammelten Daten, wurden die Reiseinformationen mit Geschichten und Bildern transportiert und das Layout aufgelockert:

 

Vergleich von zwei Shopvarianten: AB-Testing der Buchungsseite im Travelbereich
Vergleich der beiden Shop-Varianten und der unterschiedlichen Informationsanordnung.

 

Durch eine gezielte Optimierung der Customer Experience mit Blick auf die kulturellen Kundeneigenschaften übertrafen die Ergebnisse bei den Schweizer Kunden sogar die in Deutschland. Innerhalb des Tests wurde ein Umsatzplus von mehr als 15 Prozent nachgewiesen. Die Conversion Rate stieg um 13,5 Prozent an.

 

Vergleich angepasster Informationsarchitektur mit AB-Testing der Customer Experience
Angepasste Informationsarchitektur für den Reisesektor im kulturellen Vergleich. Die neue Struktur entlang kultureller Bedürfnisse sorgt für signifikanten Uplift.

Die bahnbrechende Erkenntnis zur unterschiedlichen Aufbereitung von Informationen lässt sich nun auf die verschiedenen Shops und für jegliche Kommunikation mit allen Kunden nutzen.

Der Masterplan für multinationalen E-Commerce

Wer das Wissen um die eigene Zielgruppe und die kulturellen Unterschiede nutzt, kann separate Maßnahmen und Anpassungen für jeden nationalen Shop-Auftritt einsetzen. Im Test wurden insgesamt 15 verschiedene Shop-Templates sowie die Kommunikation angepasst.

Ohne das Gesamtkonzept zu verwässern, kann nun sehr gezielt auf Bedürfnisse eingegangen werden.

Einzig und allein die unterschiedlichen nationalen Kundenbedürfnisse musste der Reiseanbieter identifizieren und bedienen. Der ehemalige Problem-Standort Schweiz war nach diesen Anpassungen in Tests und auch im Live-Betrieb nicht mehr defizitär, sondern überzeugte mit einem Umsatzplus von 15,31 Prozent.

Das Vorgehen für gezielte E-Commerce-Konzepte, Designs und Kommunikationsmaßnahmen:

  1. Kulturelle Präferenzen in den Zielmärkten messen: Jedes Land, in dem der Online-Shop operativ tätig ist, hat eine unterschiedliche Zusammenstellung von Personae. Um die kulturellen Präferenzen in den Zielmärkten zu verstehen, muss überprüft werden, wie sich die Personae auf der Webseite zusammensetzen. Gegebenenfalls können Korrelationen in Ländern identifiziert werden.
  2. Interkulturelles Rahmenkonzept ableiten: Der nächste Schritt besteht darin, Ableitungen über eine gezielte kulturelle Ansprache der Nutzer zu treffen. Wie können wir die Nutzer einzelner Länder motivieren?
  3. Über quantitative Methoden das Framework validieren: Die getroffenen Ableitungen werden durch Tests mit echten Nutzern und Daten validiert. Dieser Prozess ist iterativ und trägt dazu bei, mehr über die jeweilige kulturelle Zielgruppe zu lernen.
  4. Das gesamte Unternehmen und jegliche Kundenkommunikation kulturell ausrichten: Das Wissen über die kulturellen Zielgruppen muss über alle Bereiche des Unternehmens gestreut werden. Nicht nur die Customer Experience des Online-Shops muss danach ausgerichtet werden, sondern auch jegliche Kommunikation mit den Kunden.

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Über den Autor

Ina Reinhardt

Managing Consultant

Ina Eicholt ist Managing Consultant bei konversionsKRAFT.

Neben dem direkten Kundenkontakt und der Betreuung von Optimierungsprozessen, besteht ihr Schwerpunkt in der Entwicklung von Konzepten auf Basis von Hypothesen. In diese fließen neben dem Expertenwissen stets verhaltenspsychologische Prinzipien aus der Konsumforschung und des Neuromarketings ein.

Der Mix aus Marketing, Informatik, Kommunikation und Psychologie faszinierte Ina Eicholt schon früh während ihres Studiums der Wirtschaftsinformatik.

Im Arbeitsleben bekam sie einen umfassenden und abwechslungsreichen Einblick in die Fachgebiete des Online Marketings, erkannte jedoch schnell ihre Passion für die Conversion Optimierung, auf welche sie sich im Verlauf ihrer beruflichen Karriere spezialisiert hat. Die Kunst mehr Interessenten zu Kunden zu machen und somit ein Unternehmen bei der Zielerreichung zu unterstützen, fasziniert sie und sie sieht es als großes Privileg, dies jeden Tag tun zu dürfen.

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1 Kommentar

  1. Gravatar

    timbowaffel,

    Interessanter Artikel. Persönlich würde ich mich über mehr Beiträge freuen die auch für kleine Shops hilfreich und umsetzbar sind.
    Welche Möglichkeiten hat man Hypothesen zu validieren wenn man nur 500 Conversions pro Jahr hat. Wie kriegt man bei 2000 pro Jahr genug Qualitative Daten? Eben Fragen und Herausforderungen die sich kleine Shops stellen.

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