Conversion Optimierung

Nudel auf der Nase – Was man in Sachen Konversion von Loriot lernen kann

 Lesezeit: 4 Minuten    
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“Bitte sagen Sie jetzt nichts…!”
Vico von Bülow alias Loriot drehte in den siebziger Jahren einen zeitlosen Sketch mit seiner kongenialen Partnerin Evelyn Haman, alias Hildegard, bei der ein schneidiger, nicht mehr ganz junger Mann, seine Flamme zu einem lauschigen Dinner einlädt um ihr endlich, endlich einen Heiratsantrag zu machen.

Der Charmeur ist fein herausgeputzt, beim Nobelitaliener ist der Tisch festlich gedeckt, der Wein gluckert im Glas und das Licht ist gedämmt. Der Liebhaber in spe hält einen flammenden, offensichtlich gut vorbereiteten Monolog, den er auf seine Angebetete niederregnen lässt. Was er nicht weiß ist, dass er eine hartnäckige Nudel unter oder mitten auf der Nase sitzen hat, die seine Auserwählte sichtlich in den Bann zieht. Und zwar nur die Nudel!

Loriot

Nur ein einziges Mal schafft sie es, den hitzigen Verehrer auf diesen kleinen Fauxpax aufmerksam zu machen, traut sich aber kein zweites Mal, auch weil der Heißsporn den Monolog penetrant durchzieht und dabei immer großspuriger auf seine bevorstehende Karriere als Abteilungsleiter hinweist. Aber irgendwie scheint der Funke bei ihr nicht zu zünden. Infolgedessen machen sich bei ihm Unverständnis und Verzweiflung breit. Am Ende beschwert er sich beim Kellner, weil ihm die Nudel in den Espresso gefallen ist. Ob es der Galan je geschafft hat Hildegard zu verzaubern, bleibt im Dunkel – sehr Wahrscheinlich ist es aber nicht 😉

Das Johari-Fenster

Ein lustiger Sketch – keine Frage. Doch zurück auf dem Boden der Tatsachen lassen sich Fälle beobachten, bei dem das Nichterkennen von Unstimmigkeiten ein echter und wirklich schwerwiegender Nachteil werden kann, das gilt für einzelne Menschen genauso wie für große Organisationen und Unternehmen. Aus der Psychologie kennt man einen Effekt, den das so genannte “Johari-Fenster” erklärt.

Die amerikanischen Sozialpsychologen Josef Luft und Harry Ingham bschrieben bereits 1955, dass es spezifische Verhältnisse unbewusster Persönlichkeits- und Verhaltenswahrnehmungen zwischen einem Selbst und Anderen gibt. Mit Hilfe einer “Fenster-Metapher” (das so genannte Johari-Fenster) wollten die Forscher dieses Verhältnis und die der Person zu Grunde liegenden Verhaltensmuster symbolisch aufzeigen.

Luft und Ingham unterteilen dabei ein Rechteck in vier Felder um die Unterschiede zwischen einer öffentlichen Preisgabe des eigenen Selbst, der unbewussten, aber der Öffentlichkeit zugänglichen Preisgabe (blinder Fleck) und geheimen bis unbekannten Informationen darzustellen.

blinder fleck

Je größer der blinde Fleck, desto katastrophaler Wahrnehmung und Wirkung bei Anderen. Für Unternehmen sind solche blinde Flecken schwieriger zu erkennen und auszumerzen, als für Menschen.

 

Konversionskiller Nr. 1. Ein blinder Fleck von der Größe eines Scheunentors

Ein Beispiel: Ein großer Online-Lampenhändler hatte aus Kostengründen darauf verzichtet zu jeder Lampe ein Funktion einzubauen, mit der die dazugehörigen Leuchtmittel gleich mit bestellt werden konnten.
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Zuviel Pflegeaufwand für die vielen tausenden Lampen, weil man ja durchaus unterschiedliche Leuchtmittel auswählen müsse, so die Begründung. Erst als die Konversions-Optimierer nachweisen konnten, dass in einem Testlabor alle beteiligten Studienteilnehmer die mangelnde Funktion für einen echten Ablehnungsgrund hielten, lenkte der Betreiber ein und änderte das System.
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Jedes Unternehmen hat seine Nudel(n)
Webseiten und deren Betreiber haben eklige Nudeln auf der Nase und zwar grundsätzlich und ohne Ausnahme. Da kann man noch so schick den Tisch decken und den Sekt lustig perlen lassen, die eine oder andere Angebetete wird man wohl nicht überzeugen können.

Welche Nasen-Nudel hat ihr Shop?

Eine kleine Auswahl hässliche kleiner Unstimmigkeiten, die gerne und häufig übersehen werden.
Nudel Nr. 1) Die Sprache die Sie sprechen ist Fachchinesisch, gemischt mit einem farbigen Marketing-Blabla-Dialekt und Sie können glaubhaft belegen, dass Sie denglisch perfekt beherrschen. Dass Dumme ist nur, dass Hildegard Sie gar nicht versteht? Tja, peinlicher geht‘s nicht.
Nudel Nr. 2) Webseiten-Funktionen erreichen endlich den Charme der frühen Neunziger Jahre, während die Dame Ihres Herzen aus diesem Jahrhundert stammt. Puh, das wird eng!
Nudel Nr. 3) Sie glauben mit supersauberen Messystemen und A/B-Test sowie einer Usability schon das Non-Plusultra der Website Gestaltung erreicht zu haben, aber die Seite ist völlig irrelevant für Hildegard? Das teure Restaurant … pardon, der teure Traffic den Sie investiert haben um Hildegard anzulocken, war für die Katz. Dumm gelaufen.

Unser Tipp: Einfach mal jemanden anderen Fragen wie man wirkt und vor allem zuhören, vielleicht will unser Gegenüber ja auch mal was sagen. Und am besten fängt man mit dem Zuhören gleich bei Hildegard an.

Über den Autor

Mitarbeiter Matthias Henrici

Mitarbeiter

Matthias Henrici ist eCommerce-Mann der ersten Stunde. Bereits Anfang der neunziger Jahre entwickelte er wertschöpfende Multimedia-Projekte u.a. für deutsche und internationale Unternehmen. Seit 11 Jahren lehrt er als Dozent für Usability und Neuro-Marketing an deutschen Hochschulen. Matthias Henrici auf XING
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2 Kommentare

  1. Gravatar

    mq,

    Na, das nenne ich mal von hinten durch die Brust ins Auge. Aber immerhin ins Auge. Will sagen: Schöne Matapher. Gefällt mir sehr gut. Jetzt frage ich mich nur wie ich die Nudelgeschichte beim nächsten Kundengespräch einfließen lasse, wenn es wiedermal darum geht wofür Usability-Tests sinnvoll sind.

  2. Gravatar

    Christian Rothe,

    Die Nudel finde auch ich eine schöne Metapher.

    Ein anderer netter Spruch lautet: “Es ist schwierig, dass Etikett zu lesen, wenn man selbst in der Flasche drin sitzt.”

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