Strategie

Warum wir uns für eine Team-First-Strategie (und gegen Customer-First) entschieden haben

Lisa Benner
 Lesezeit: 8 Minuten    
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Exzellente Customer Experiences sind der Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg und kontinuierlichem Wachstum. 

Aber was ist der Schlüssel zu diesen exzellenten Customer Experiences?

Oder besser gefragt: wer? In unserem Vortrag beim growth marketing SUMMIT haben Gabriel Beck und Robert Weller eine Studie der Harvard Business School zitiert, die vier für den Erfolg im digitalen Zeitalter kritische Qualitäten von Organisationen identifiziert hat:

Harvard Business School Studie zu digitalen Erfolgsfaktoren
Kritische Qualitäten von Organisationen für den Erfolg im digitalen Zeitalter (Quelle: HBS)

Auf den ersten Blick liest sich das mühelos und klingt erstrebenswert. Aber wer sich intensiver damit beschäftigt, wird schnell Fragen stellen:

  • Was ist nötig, um Entscheidungen (ausschließlich) auf Basis von Daten treffen zu können – und zwar unternehmensweit?
  • Wie werden Entscheidungen aktuell getroffen und von wem?
  • Woran erkenne ich crossfunktionale Zusammenarbeit und was kann ich tun, um sie zu verbessern?
  • Wie stellen wir kontinuierliches Lernen sicher? Wer will was lernen? Wer sollte was lernen?

In diesem Artikel geben wir Antworten auf einige dieser Fragen. Vielmehr noch wollen wir aber auf einen bestimmten Aspekt aufmerksam machen, der leicht zu übersehen ist:

Drei dieser vier Qualitäten beziehen sich exklusiv auf die eigenen Mitarbeitenden im Unternehmen. Lediglich „customer focus“ – oder auch: Kundenzentrierung – besitzt eine externe Komponente; und wird sehr stark von den übrigen drei beeinflusst.

Wir sind nicht zuletzt deshalb überzeugt davon, dass die strategische Ausrichtung an unterschiedlichen Bezugsgruppen eine eindeutige Reihenfolge aufweist: An erster Stelle steht das Team, an zweiter Stelle stehen Kund:innen und an dritter Stelle stehen etwaige Shareholder. Und mit dieser Meinung sind wir nicht allein.

Harvard Professor Jeffrey Pfeffer verweist in seinem Plädoyer für einen „Employee first-Ansatz“ auf zahlreiche Studien und Beispiele, aus denen Unternehmen als Gewinner hervorgehen, die bspw. in die Ausbildung ihres Teams und die Dezentralisierung von Entscheidungen investieren. 

Vineet Nayar, CEO of HCL Technologies, Ltd. und Autor des Buches “Employees first, Customers second” ist dahingehend ebenfalls eine wegweisende Person. Sein 360-Grad-Feedback (dazu gleich mehr) ist sogar für das gesamte Unternehmen einsehbar – ein Vorbild für Transparenz und wie daraus Vertrauen entstehen kann.

Employees first.

Employee-first – oder wie wir es nennen: #TeamFirst – ist unsere Strategie; unsere Überzeugung. Wir sprechen dabei aber nicht über Tischkicker oder Obstkörbe, sondern haben unser eigenes „Betriebssystem“ entwickelt:

Team First Flywheel von konversionsKRAFT
Unser Team First-Flywheel: das Betriebssystem für die Entwicklung unserer Organisation und Unternehmenskultur

Wer mit Maslows Bedürfnispyramide vertraut ist, erkennt hier unter anderem die verschiedenen Ebenen wieder. Wir legen großen Wert auf faire Gehälter und gleichmäßige Auslastung als Grundlage, wollen aber auch soziale Bedürfnisse im Umgang miteinander und individuelle Bedürfnisse im Sinne der beruflichen und vor allem persönlichen Erfüllung (Purpose) bedienen.

Bevor wir also überhaupt nach außen auf Shareholder (die in unserem Fall Teil des Teams sind) oder Kunden schauen und uns überlegen, wie wir ihnen zum Erfolg verhelfen können, widmen wir uns dieser Aufgabe zuerst im Inneren.

Denn wie sagte es der amerikanische Autor Zig Ziglar so schön:

You don’t build a business. You build people, and people build the business.

Das Wir beginnt bei dir.

Bevor aus dir und mir ein wir werden kann, müssen wir uns kennenlernen. Eine Frage, die ich daher in Kennenlernen-Gesprächen mit potenziellen neuen Kolleg:innen gerne stelle, ist:

Was erfüllt dich? Was ist dir für deine Perspektive bei uns wirklich wichtig?

Nicht jede:r hat sofort eine Antwort darauf. Aber der Impuls, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, ist uns wichtig. Denn alle Kolleg:innen hier bei konversionsKRAFT erstellen in ihren ersten Wochen und Monaten gemeinsam mit ihrer jeweiligen Führungskraft einen sogenannten Contributionplan für die eigene Weiterentwicklung. Darin halten wir fest, welchen Beitrag ein:e Kolleg:in leisten kann und möchte, wie die berufliche und persönliche Weiterentwicklung aussehen kann und wie wir, als Arbeitgeber, unser Team dabei unterstützen können. Das ist wichtig, um eine gemeinsame Vision zu entwickeln und eine stetige Fortschrittskontrolle (vorrangig jede:r für sich selbst) zu ermöglichen. 

Wöchentliche Meetings zwischen Mitarbeiter:innen und ihrer Führungskraft (wir nutzen zur Vorbereitung individuelle Reflexionsfragen und die Plattform 15Five) sorgen dafür, dass wir Entwicklungsfortschritte gemeinsam kontinuierlich voranbringen und schaffen Vertrauen zur eigenen Führungskraft. Dieses Vertrauen und die daraus entstehende Sicherheit ist wiederum die Grundlage für eine offene, ehrliche und vor allem konstruktive Feedbackkultur. 

Ein weiteres Tool, das wir zu diesem Zweck nutzen, ist sogenanntes 360-Grad-Feedback. Alle Kolleg:innen erhalten in regelmäßigen Abständen Feedback von Personen, die anhand konkreter Beobachtungen konstruktives Feedback geben können. So können sie ihr Selbstbild mit einem Fremdbild abgleichen. Im Gespräch mit ihren Führungskräften werden dadurch individuelle Stärken und Potenziale für die Weiterentwicklung aufgedeckt, die wiederum in den Contributionplan einfließen und in konkrete kurz- und mittelfristige Maßnahmen überführt werden.

Um dieses Feedback noch besser verstehen zu können, fügen wir mit sogenannten Team-Management-Profilen eine weitere Dimension hinzu: persönliche Präferenzen oder auch Vorlieben, wie wir gerne arbeiten. Eine Alternative sind bspw. die Teamrollen nach Belbin; wir entschieden uns jedoch aufgrund der weltweiten, wissenschaftlich validierten Datengrundlage für das Team-Management-System (TMS).

Die TMS-Autoren Charles Margerison und Dick McCann stellten fest, dass jeder Mensch drei von insgesamt acht Tätigkeitsbereichen besonders gerne macht. Sie definierten daraufhin die folgenden acht Teamrollen, die wir mithilfe eines wissenschaftlich validierten Fragebogens mit 60 Fragen identifizieren können:

Rollen im Team Management System
Die acht TMS-Teamrollen nach Margerison & McCann (Bildquelle: team.energy)

Wir nutzen diese Information an vielen Stellen, zum Beispiel 

  • in der Vorbereitung auf Meetings: Wie arbeiten die Kolleg:innen im Termin am liebsten? Strukturiert oder flexibel? Wie viel soll ich vorbereiten? Diskussion oder Moderation? 
  • In der täglichen Kommunikation via Slack: Wie viel Hintergrundinfos benötigt diese Person? Präsentiere ich Daten & Fakten oder gleich erste Lösungsvorschläge? Lieber kompakter Text oder doch eine kurze Sprachnachricht oder sogar Videobotschaft?
  • in der Zusammenarbeit: Welche Person hat welche Stärken? In welcher Rolle fühlt sich eine Person am wohlsten? Wie adressieren wir Störgefühle? Wie können wir einzelne Kolleg:innen am besten proaktiv unterstützen? Wie arbeiten wir am effektivsten und effizientesten zusammen? Wie können wir unser Team stärken? 

Der Übergang vom Ich zum Wir ist damit fließend.

Unsere Tools zur persönlichen Weiterentwicklung

  • Contributionpläne: Alignment individueller, motivierender Entwicklungsziele für die persönliche und fachliche Weiterentwicklung und dem eigenen Beitrag zum Unternehmenswachstum. Fortschritte werden regelmäßig über das Jahr besprochen, um nachhaltige Effekte zu erzielen.
  • 360°-Feedback: Regelmäßiger Abgleich der Eigen- und Fremdwahrnehmung auf Basis von Feedback der Führungskraft und Kolleg:innen; zur Definition geeigneter Entwicklungsmaßnahmen.
  • Check-ins: Wöchentliche Meetings auf Basis von individuellen Reflexionsfragen zu Erfolgen, zur Zusammenarbeit, zur persönlichen Zufriedenheit und Wirksamkeit.
  • Team Management-Profile: Erfasst individuelle Vorlieben (z. B. Arbeitsbereiche, Arbeitsweisen, Aufgaben) und definiert anhand dessen eine von acht Hauptrollen im Team. Effektive Teams vereinen – so die Theorie – aus möglichst viele dieser Rollen.

Ich habe in den ersten drei Monaten hier schon extrem viel Neues über mich gelernt, weil ich mich systematisch mit mir selbst befasse – als wichtiger Teil meiner eigentlichen Arbeit.

– Anton Graichen (seit April 2023 Consultant bei konversionsKRAFT)

Teamwork makes the dream work.

Vom Einzelnen schließen wir auf das Ganze. Um ein valides Gesamtbild der aktuellen Situation und der Entwicklung in den vergangenen Monaten zu erhalten, führen wir viermal im Jahr eine Teamumfrage zur Zufriedenheit (wir arbeiten mit einer Q12-Umfrage) durch. So finden wir auch heraus, was unser Team benötigt, um eine stärkere (emotionale) Bindung aufzubauen und bessere Leistungen zu erzielen.  

Die Fragen sind dabei prinzipiell standardisiert (siehe bspw. hier). Entscheidend ist, dass das Feedback vom Team nicht nur gesammelt, sondern auch wieder dorthin zurückfließt und z. B. in Form von Workshops aufgearbeitet wird. Fragen wie “Welche Aufgaben können wir im Team umverteilen, damit wir noch mehr Stärken-basiert arbeiten können?” oder „Wie schaffen wir aktiv Gelegenheiten, um dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln?” stehen dabei oft im Fokus der einzelnen Teams.

Wichtig ist uns aus Managementsicht auch zu verstehen, wie sich unsere Unternehmenskultur entwickelt und wie wir diese Entwicklung aktiv begleiten können.

Dafür ist natürlich auch der persönliche Austausch wichtig, den wir insbesondere im Rahmen von Offsite-Teamevents, Veranstaltungen wie dem growth marketing SUMMIT oder der räumlichen Zusammenarbeit in Co-Working-Spaces fördern. Zudem schaffen wir virtuelle Räume für spontane Begegnungen in unserem internen Kommunikationstool (etwa Slack Huddles oder experimentell Plattformen wie Welo). Verschiedene Meeting-Routinen komplettieren dieses Angebot, etwa:

  • virtuelle “Random Coffees” (jeden Montag werden dafür zwei Kolleg:innen einander zugelost, wie im Screenshot unten zu sehen), 
  • wöchentliche allgemeine Team-Meetings (vergleichbar mit Stand-ups und Retros, wie wir sie aus der Agile-Methodologie kennen) und/oder Projekt-spezifische Working Sessions, 
  • Team-übergreifende Austauschrunden und sogenannte “Uplinks” für den Wissen- und Erfahrungstransfer (einzelne Kolleg:innen präsentieren dabei Erfolge und Learnings aus Projekten oder geben neue Impulse),
  • All-Hands-Meetings und Info-Frühstücke für die gesamte Organisation.
Slack Random Coffee

Fazit: Team-first ist ein Investment, das sich auszahlt.

Wie du siehst, sind es viele Faktoren, die erst in Summe die vier eingangs beschriebenen Qualitäten aus der Harvard-Studie “freischalten”. 

Wir tun all dies, so wie wir es in unserem TeamFirst-Flywheel statuiert haben, damit bei uns die besten Talente in einem optimalen Umfeld als Kollektiv zusammenarbeiten und gemeinsam herausragende Resultate erzielen.

Wir tun es aber auch, um unseren Kund:innen ein Vorbild zu sein; sie zu inspirieren und ihnen aus der Zusammenarbeit heraus Impulse zu geben, um den eigenen Kulturwandel anzustoßen und voranzutreiben. Denn nur durch diesen Culture Shift werden es Organisationen schaffen, crossfunktional zusammenzuarbeiten, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und kontinuierlich zu lernen – um dadurch auch in Zukunft weiterzuwachsen.

Wir lieben, was wir tun und wir leben, was wir lieben.

Und so soll es auch sein.

Über den Autor

Lisa Benner

Mitglied des Management Teams / Director People & Culture

Lisa Benner ist Director People & Culture und Teil des Management Teams bei konversionsKRAFT. Mit ihrer Leidenschaft für gelebte Unternehmenskultur beschäftigt sie sich seit 2017 mit der Frage, was Menschen und Teams im beruflichen Kontext erfüllt, wie sie sich weiterentwickeln und stärkenbasiert zusammenzuarbeiten können. Als akkreditierte Team Management Trainerin begleitet und coacht sie Teams in ihrer Teamentwicklung. 

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