4 bewährte psychologische Effekte für dein Marketing
Consumer Neuroscience und Neuromarketing sind die aktuellen Trendthemen in wissenschaftlichen Forschungen. Wie auf der NeuroPsychoEconomics in Kopenhagen vorgestellt, ist die Herausforderung prinzipiell klar: In den Kopf der Konsumenten schauen, um herauszufinden, was sie wirklich bewegt.
Die Bereiche Wissenschaft, Ökonomie und Marketing ordnen sich dabei wie folgt in das Dreieck aus Economics, Neuroscience und Psychology ein:
Die Untersuchung der Konsumentenköpfe geschieht mittels verschiedener Methoden wie EEG (Elektroenzephalografie), fMRI (Funktionelle Magnetresonanztomographie) und Eyetracking, auf welche ich hier nicht näher eingehen möchte. Jedoch lassen sich damit viele interessante menschliche Verhaltensweisen nachweisen, deren wir uns bewusst sein sollten und gezielt für unsere Marketingaktivitäten (Neuromarketing) einsetzen können.
Wie Menschen lernen
Zunächst müssen einige Grundlagen verstanden werden. Wenn wir wissen wie Menschen lernen, können wir besser verstehen warum unsere Marketingaktivitäten erfolgreich waren oder nicht. Prinzipiell wird Physisches leichter gelernt, was auf dem Desktop oder über das Smartphone die erste Herausforderung darstellt. Wir können den Nutzern in der Regel nicht die Möglichkeit geben, unsere Produkte vor dem Kauf anzufassen. Was können wir also im Neuromarketing oder für die Conversion Optimierung tun?
Abhilfe können hier detaillierte Produktfotos mit Zoom-Möglichkeit und 360° Ansicht schaffen. Je besser man erkennen kann, was man kauft und wie beispielsweise der Stoff eines Kleidungsstücks aussieht, desto näher kommen wir der “Offline-Erfahrung”. Dies ist allerdings auch von Branche zu Branche unterschiedlich und auch Männer und Frauen ticken unterschiedlich. Das ist nicht neu.
Eine Studie, bei welcher das Lernverhalten von Nutzern beim Spielen von Online-Games untersucht wurde, unterschied 2 Spielertypen: Pro-Selfs und Pro-Socials. Pro-Selfs handeln im Spiel vorwiegend im eigenen Interesse, treffen selbstständig Entscheidungen und sind stark an Belohnungen interessiert. Pro-Socials hingegen agieren gern in der Gruppe, treffen gemeinsam Entscheidungen und sind bereit zu teilen.
Anhand verschiedener Online Game-Situation wurden die Fortschritte und Reaktionen beider Gruppen untersucht. Das Ergebnis: Pro-Selfs haben eine steilere Lernkurve, weil sie von Belohnungen angetrieben werden und aus Fehlern lernen. Allerdings fehlt ihnen das soziale Umfeld für Entscheidungen, was dazu führt, dass Pro-Socials zwar die flachere Lernkurve haben, aber intuitiver handeln, weil sie nicht auf sich selbst gestellt sind. Auf das Online Marketing übertragen bedeutet dies, dass wir uns bewusst sein müssen, dass es verschiedene Nutzergruppen gibt und diese unterschiedliche Lernkurven haben, welche man bedienen muss.
Was Leute mögen und was in Erinnerung bleibt sind zwei paar Schuhe. Eine Werbung kann von den Nutzern gehasst werden, bleibt aber in Erinnerung, weil man sich darüber aufregt und austauscht. Beim Superbowl wurde beispielsweise eine Werbung für Salat gezeigt, welcher auf erotische Weise von einer sexy Blondine gegessen wurde. Abgesehen von dem erotischen Touch der Werbung war diese ziemlich inhaltlos und bekam die schlechtesten Bewertungen aller gezeigten Werbungen beim Superbowl von den Zuschauern. Hinzu kam, dass insbesondere Frauen der Werbung gegenüber äußert negativ eingestellt waren.
Weiterführende Analysen zeigten aber, dass die Zuschauer zwar den Werbespot am schlechtesten bewertet hatten, aber die kommunizierte Marke sich am besten von allen Spots gemerkt werden konnte. Ob man diesen Neuromarketing-Weg für Lernen und Wiedererkennung der Marke gehen möchte oder beispielsweise Sympathie als Markenträger bevorzugt, ist eine strategische Entscheidung, die man für sich selbst treffen sollte.
Wie Werbung wirkt
1. Der Mere-Exposure-Effekt
Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Werbung stärker wirkt, wenn sie wiederholt wird. Dahinter steckt der im Neuromarketing genutzte Mere-Exposure-Effekt:
Effekt des bloßen Kontakts – Allein durch die mehrfache Darbietung von Personen, Situationen oder Dingen, heißt, allein aufgrund von Familiarität, kann die Einstellung eines Menschen zu Dingen positiv beeinflusst werden.
Daher werden auch TV-Spots manchmal häufiger gezeigt als es uns lieb ist.
Spannend ist die Fragestellung, wie die eigenen Werbeclips im Umfeld aufgenommen werden. Also wirkt der eigene Werbespot besser nach einem romantischen oder actionreichen Film oder nach einer Dokumentation? Und welche Werbespots wurden vor dem eigenen bereits gezeigt und könnten ebenfalls Einfluss auf die Wirkung des eigenen haben? Das Thema, wie sich das Placement auf die Werbewirkung auswirkt wird zur Zeit noch untersucht und man wird uns hoffentlich bald mit einer Auflösung der Frage versorgen.
Dass Gesichter (Face Models) auf Nutzer wirken wurde in einer Vielzahl wissenschaftlicher Neuromarketing-Studien und Eyetracking-Analysen belegt. Die Blickrichtung ist dabei entscheidend für die Wirkung. Geht der Blick der dargestellten Person zur Seite auf das zu bewerbende Produkt erhöht dies die Erinnerung an Produkt und Marke. Der direkte Blick zum Betrachter schafft diesen Erinnerungswert nicht. Dieser Wirkung sollten wir uns bewusst sein, wenn wir Landingpages konzipieren und sog. “Heroes” einsetzen, deren Blick auf Call-to-Actions die Klicks erhöhen soll.
Effekte lernen einzusetzen
2. Der Uncanny-Valley-Effekt
Im Zeitalter künstlicher Intelligenzen und Roboter sollte man sich des Uncanny-Valley-Effekts bewusst sein:
Quelle Wikipedia:
Als Uncanny Valley (engl. „unheimliches Tal“) bezeichnet man allgemein einen empirisch messbaren, paradox erscheinenden Effekt in der Akzeptanz von dargebotenen künstlichen Figuren auf die Zuschauer.
Eine künstliche Figur findet nicht mehr Akzeptanz bei uns Menschen, desto menschlicher sie wirkt. Hierfür muss erst eine bestimmte Schwelle überwunden werden, nämlich das “unheimliche Tal”. In Online-Games finden abstrakte, künstliche Avatare daher einen besseren Anklang. Falls du also über die Kreation einer Werbefigur nachdenkst, sei dir bewusst, dass menschlicher nicht gleich linear besser akzeptiert wird. Sondern dass die Akzeptanz am höchsten ist, wenn fast keine Unterscheidung zu Menschen mehr vorhanden ist.
3. Die Verlustangst: Loss Aversion
Im Gegensatz zu Uncanny Valley ist Loss Aversion ein menschliches Verhaltensmuster, welches sich leichter für Conversion Optimierung einsetzen lässt.
Loss Aversion beschreibt die Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. Einen Besitz zu verlieren ist schlimmer, als etwas nicht besitzen zu können. Menschen widerstrebt es, wenn ihnen das genommen wird, was sie bereits besitzen.
Die Verlustangst tritt nicht nur ein, wenn man etwas bereits besitzt, sondern auch wenn man etwas glaubt zu besitzen. Das können Produkte im Warenkorb sein oder Artikel, die bereits zuhause liegen, man aber eigentlich zurücksenden wollte, weil man nicht alle behalten kann und eigentlich nur die Auswahl wollte. Verluste werden von Menschen oft höher gewertet als Gewinne. Deshalb versucht man Situationen zu vermeiden in denen Verluste drohen. Dies ist wissenschaftlich bewiesen und findet seine Praxis im Neuromarketing. Also wenn beispielsweise nur noch ein Artikel auf Lager ist und dieser bereits im Warenkorb liegt, hat man Angst genau diesen zu verlieren, wenn man sich zu spät entscheidet.
4. Das hyperbolische Diskontieren
Der vierte, spannende Effekt von der NeuroPsychoEconomics ist das sog. “Hyperbolic Discounting”.
Man neigt dazu, kleinere Belohnungen, die eher verfügbar sind anzunehmen, als auf größere Belohnungen länger zu warten.
Dies ist so, weil man die Gegenwart stark überbewertet und gleichzeitig die Zukunft zu stark abwertet („diskontiert“). Untersuchungen zeigten, dass kleinere Zahlungen gegenüber späteren, größeren Zahlungen präferiert werden, wenn die früheren Zahlungen eine sofortige Konsummöglichkeit bieten. Allerdings kehrt sich dies ins Gegenteil um, wenn beide Zahlungen später als sofort verfügbar sind.
Zum Beispiel werden 100 Euro heute 200 Euro morgen vorgezogen, aber es werden 200 Euro in zwei Wochen und einem Tag vorgezogen anstatt 100 Euro in zwei Wochen zu erhalten. Kommen weitere Bedingungen wie beispielsweise Hunger hinzu, ist dieses Phänomen noch stärker, da wir dann entscheidungsmüde sind (“cognitive fatigue bias“). Nicht hungrige Leute handeln an dieser Stelle überlegter und bevorzugen mehr Geld, aber zu einem späteren Zeitpunkt.
Im Bereich Conversion Optimierungen könnten folglich Aktionen, Gewinnspiele oder Belohnungen auf Basis dieses Neuromarketing-Ansatzes konzipiert und der Effekt genutzt werden.
In dem Growth Ambassador Programm tauschen wir uns regelmäßig mit der Community über die erfolgreiche praktische Anwendung von verschiedenen Behavior Patterns aus. Bewirb dich, um Patterns wie Loss Aversion erfolgreich zu implementieren und deine Website zu einem Best Practice zu machen!
Fazit
Zusammenfassend sollten wir uns im Neuromarketing Folgendem bewusst sein:
- Physisches wird leichter gelernt, daher muss geprüft werden, wie im digitalen Bereich ein besserer Lerneffekt erzielt werden kann
- pauschale Ergebnisse für Männer und Frauen sowie unterschiedliche Branchen sind nicht möglich
- verschiedene Nutzergruppen haben unterschiedliche Lernkurven
- was Leute mögen und was in Erinnerung bleibt sind zwei paar Schuhe
- Werbung wirkt stärker, wenn sie wiederholt wird (Mere-Exposure-Effekt)
- die Blickrichtung von Heroes ist entscheidend: indirekter Blick auf das zu bewerbende Produkt bewirkt bessere Erinnerung an Produkt und Marke
- wir müssen prüfen, wie wir Effekte wie Uncanny Valley, Loss Aversion und Hyperbolic Discounting für Conversion Optimierung nutzen können
Welche menschlichen Verhaltensweisen nutzt du für deine Marketing-Aktivitäten? Ich freue mich über dein Feedback!
1 Kommentar
Patrick Lemke,
Die Frage, die sich mir immer wieder stellt ist, ob es wirklich besser ist, wenn die Marke zwar im Gedächtnis behalten wird, aber man etwas negatives damit verbindet. Gerde im Zeitalter von sozialen Netzwerken, in dem Bewertungen eine wichtige Rolle spielen ist so etwas von sehr großer Bedeutung.