Conversion Optimierung

Für mehr Uplift: Der goldene Zirkel der Conversion-Optimierung

André Morys
 Lesezeit: 5 Minuten    
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Wer kennt das nicht: Man ändert einen kleinen Buttontext und schwupps: 235% Uplift. Ein anderes mal ist es eine Formulierung in der Fußnote und bämm: 368% Uplift.

So oder so ähnlich muss unsere Branche für jemanden aussehen, der sich die wundersamen Beispiele und Case-Studies anschaut. Die Realität sieht anders aus.

Warum?

Weil 99.9% dieser “Low-Hanging-Fruits” bereits geerntet sind. Oder weil es schlicht und einfach gelogen ist. Nicht mit Absicht, sondern aufgrund fehlenden Wissens über Statistik. ( -> Die Conversion-Lüge)

Zu viele Inhouse-Tests liefern keine signifikanten Resultate

Eine von convert.com durchgeführte Analyse von über 700 A/B-Tests brachte es ans Tageslicht: Nur knapp über 30% aller inhouse durchgeführten Experimente brachten überhaupt einen signifikanten Uplift. Mit Hilfe eines externen Dienstleisters konnte die Erfolgsquote zwar mehr als verdoppelt werden, es scheitern jedoch immer noch zu viele Tests.

Warum scheitern Tests?

Es wird einfach viel zu oft viel zu kleinteilig getestet. Die Mär von kleinen Änderungen mit riesigen Auswirkungen ist irgendwo im Kopf der Test-Verantwortlichen hängen geblieben. Das stimmt aber einfach nicht.

In der Realität haben kleine Änderungen auch kleine Auswirkungen. Denn nur das, was überhaupt in den Kopf des Nutzers gelangt und dort dessen Verhalten ändern kann, führt auch zu einem messbaren Resultat.

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Anders gesagt: Nix hilft nix.

Die meisten Veränderungen auf Websites sind für Nutzer überhaupt nicht sichtbar bzw. nicht relevant. Die Hypothesen aus vielen A/B-Tests sind entweder gar nicht vorhanden, viel zu schwach oder falsch umgesetzt.

Ist “viel hilft viel” also die bessere Lösung?

Nein, leider auch nicht. Wir bleiben bei unserem Credo des hypothesenbasierten Testings, dass nur eine klare und eindeutige Veränderung nachvollziehbar bleibt. Das Gegenteil der “wir ändern gezielt eine Sache um zu verstehen, was wirklich funktioniert”-Denke ist das Redesign einer Website. Die Redesign-Insolvenz ist immer noch harte Realität, es spricht nur niemand gerne darüber.

Eigentlich ist es doch ganz einfach.

Wenn wir uns eine Art Landkarte der Änderungsmöglichkeiten anfertigen würden, dann gäbe es folgende Möglichkeiten:

1) Wenig ändern – nahe am Status Quo bleiben. Wenig Kontrast – weniger Möglichkeiten.

2) Alles ändern – möglichst weit weg vom Status Quo gehen. Maximaler Kontrast – unendlich viele Möglichkeiten.

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Punkt 1) entspricht also einem Test mit geänderter Buttonfarbe und 2) einem kompletten Redesign der gesamten Seite. Die Probleme dieser beiden Vorgehensweisen sind bekannt. 1) Führt tendenziell zu Resultaten, die sich nicht signifikant aus dem Rauschen der Daten hervorheben können und 2) führt meist zu signifikantem Verlust an Konversionsrate, weil zu viele gute Dinge weggebügelt wurden.

Wie schafft man eine deutlich höhere Erfolgsquote bei der Optimierung?

Das Ziel ist es, genau das Richtige zu ändern. Ganz im Sinne der Definition des Wortes Effektivität, das oft mit “das Richtige tun” übersetzt wird.

Dabei helfen uns Hypothesen. Eine der häufigsten und wirksamsten Hypothesen ist z.B. das Prinzip der Vereinfachung. “Eine Vereinfachung der Oberfläche hilft dem Nutzer, seine Aufgabe einfacher zu lösen.” Auf Basis der Hypothese können wir nun so viele Elemente wie nötig verändern, um den nötigen Kontrast zu erreichen.

Anders gesagt: Wir verändern auf der einen Seite nur eine einzige Sache, wir nutzen dabei nur ein einziges Prinzip: Zum Beispiel “Vereinfachung”. Wir bleiben streng bei dieser einen Hypothese. Auf der anderen Seite ändern wir alles, was vereinfacht werden sollte. Unser Konzept hat das Ziel, innerhalb der Hypothese den maximalen Kontrast zu erreichen, um wirklich in den Kopf der Nutzer zu gelangen.

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Eine Veränderung (oder Variation), die den nötigen Kontrast hat, um das Verhalten von Konsumenten zu verändern, und die gleichzeitig eindeutig einer klaren Hypothese folgt, befindet sich weit entfernt genug vom Status Quo, um einen signifikanten Uplift zu erzielen.

Diese optimale Entfernung vom Status Quo nenne ich einfach den “goldenen Zirkel”. Das wäre der Kreis in der Mitte. Ich weiß, so heißt schon das bekannte Modell für inspirierende Kommunikation. Macht ja aber nix, mir gefällt der Name einfach gut.

Typische Optimierungs-Fehler anhand des Modells erklärt

Ein schlechter multivariater Test ohne Hypothese (wie er viel zu häufig durchgeführt wird!) vertauscht einfach nur Elemente oder gibt ihnen andere Eigenschaften. So ein Test erzeugt wahnsinnig viele Variationen rund um den Status Quo und multipliziert auch noch den statistischen Fehler aufgrund der Menge an Variationen.

Ein komplettes Redesign verändert ebenfalls ohne klare Hypothese einfach alles und ist einer von unendlich vielen möglichen Zufallspunkten auf dem äußersten Kreis.

Eine optimale Variation ist kontraststark genug und folgt einer klaren Hypothese.

Die Hypothese ist ein Prinzip, das sich bei Erfolg skalieren lässt. Kein Prinzip – keine Skalierung.

Test- und Optimierungsstrategie

Das Modell erlaubt uns auch, eine klare Optimierungsstrategie fest zu legen. Zu Beginn lassen sich unterschiedliche Hypothesen gegeneinander testen, um fest zu stellen, welcher Aspekt den größten Einfluss auf das Nutzerverhalten hat. Man könnte die verschiedenen Hypothesen auch mit Vektoren auf der Landkarte vergleichen.

Der Kontrast muss groß genug sein, um vom lokalen Optimum aus ein globales Optimum erreichen zu können.

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Im zweiten Schritt bietet es sich an, daraus ein Prinzip abzuleiten und zu kombinieren. Das Gewinner-Prinzip wird also verstärkt und skaliert. Die Abhängigkeiten der Hypothesen werden gelöst. Auch hier kann es unterschiedliche Varianten geben.

Im dritten Schritt wird das Prinzip dann ultimativ über weitere Elemente hinweg skaliert. Die Vielfalt der Hypothesen garantiert den Uplift im ersten Test. Das Verfolgen eines Gewinner-Prinzips verstärkt diesen Uplift in den folgenden Tests.

Checkliste:

  • Überprüfe, ob es zu einem Test eine eindeutige Hypothese gibt
  • Nutze z.B. ein Framework, um kontrastreiche Optimierungshypothesen aufzustellen.
  • Stelle sicher, dass Varianten einer Hypothese eindeutig folgen, es sollen keine zusätzlichen Veränderungen vorgenommen werden
  • Jede Variante soll das Prinzip der Hypothese in maximalem Kontrast abbilden
  • Verstärke Gewinnerprinzipien in nachfolgenden Tests
  • Skaliere die Resultate auf Basis des erkannten Prinzips
  • Habe viel Spaß und genieße den Erfolg wenn Du wirklich 235% Uplift schaffst!
  • Wenn Du Lust hast: Messe Deine Erfolgsquote und vergleiche sie mit der Zeit davor, als Du noch per Trial&Error getestet hast 🙂

Über den Autor

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André Morys

Vorstand (Vors.)

André Morys (geb. 1974) ist Gründer und Vorstand (Vors.) von konversionsKRAFT, Deutschlands führender Agentur für Conversion-Optimierung und strategische Beratung in puncto digitales Wachstum. Darüber hinaus ist André Morys Initiator und Gründer der GO Group Digital, die ein weltweites Netz von Experten für digitale Transformation bildet.

Zu seinen Veröffentlichungen zählen “Die digitale Wachstumsstrategie” (2018) und „Conversion Optimierung” (2011) sowie zahlreiche Fachbeiträge in einschlägigen Medien zu Online-Marketing. Er ist zusätzlich als Dozent an der Fachhochschule Würzburg tätig und hält zahlreiche Keynotes und Vorträge auf nationalen und internationalen Kongressen zu den Themen digitales Wachstum, E-Commerce und Optimierungsstrategien.

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8 Kommentare

  1. Gravatar

    Franz Joachim Zimmermann,

    Erster guter Ansatz im E-Commerce bezüglich Neuro-Marketing. Und das, obwohl Herr Morys noch gar nicht auf meiner Kundenliste steht. Mit kollegialem Respekt, Franz Joachim Zimmermann – Goldener Zirkel ®

  2. Gravatar

    Nils Schütte,

    Danke für den super Artikel. Das Problem wird deutlich, allerdings ist es wohl einfacher gesagt als getan das theoretische Lösungsmodell “richtig” in die Tat umzusetzen. Bsp.: Die Hypothese/das Prinzip ist “Führe den Kunden mit möglichst kurzem Klickpfad ans Ziel.” Im ersten A/B-Test wird sich dieses Prinzip evtl. bestätigen. Daher möchte ich das Prinzip skalieren und kürze den Klickpfad (z.B. durch flachere Navigationshierachien) so weit, dass die Übersichtlichkeit darunter leidet. Insofern sollte man unbedingt bedenken, dass die Skalierung des einen Prinzips oftmals zum Nachteil eines anderen eigentlich “richtigen” Prinzips ausfällt.

  3. Gravatar

    Dubulu,

    Im Grunde ist ein erfolgreicher Shop das Produkt vieler Hypothesen, die sogar oft gegensätzlicher Natur sind. Der Hypothes “Den Kunden mit möglichst kurzen Klickpfaden zum Ziel führen” steht die Hypthese des Content-Marketings entgegen: “Biete viele nützliche Informationen und je länger sich ein Kunde mit dem Shop/der Sache beschäftigt, um so mehr taucht er in deine Welt und wird am Ende kaufen”. Das Supermarktprinzip, da will man vermeiden, dass der Kunde sofort zur Kasse rennt und schöne lange im Laden bleibt. Für ein gutes Ranking sind auch lange Verweilzeiten auf einem Shop eher nützlich und erwünscht. Insofern geht es aus meiner Sicht immer um Balance und Ausgewogenheit. Anderes Beispiel: Im Vordergrund wird der Shop von Experten optimiert, die Verkäufe ziehen an und die Anzahl der Rücksendungen steigt ebenfalls prozentual mit an. Das kann am Ende dazu führen, dass man weniger verdient, weil man zusätzliche Mitarbeiter einstellen muss.

    Im Grunde ist der Beitrag jedoch völlig richtg: Ohne Hypothese und deren konsequente und messbare Umsetzung ist die Optimierung nur ein wildes Rumgeschraube nach den Prinzipien “Hoffnung” und “Glück”.

  4. Gravatar

    André Morys,

    @Nils: Ja, richtig, manche Hypothesen können gegeneinander laufen. Ein typisches Beispiel ist im E-Commerce die Wirkung günstiger Preise versus hohe Qualität. Für Konsumenten gibt es einen optimalen Punkt dazwischen.

    Für derlei Fragen sind multivariate Tests übrigens eigentlich gedacht – hier lassen sich Kreueffekte messen und der optimale Mix aus mehreren Faktoren bestimmen.

  5. Gravatar

    André Morys,

    @Dubulu: Danke erstmal. Und nochmal zur Hypothese mit den kurzen Klickpfaden: Ich halte das für ein irreführendes Beispiel. Klickpfade müssen nur dann wirklich kurz sein, wenn der Content langweilig ist. Diese Denkweise kommt aus dem Usability-getriebenen Ansatz “vermeide alle Barrieren”.

    Es geht aber auch anders: guter Content motiviert zum Lesen und zum Scollen. Ein Beispiel: http://www.fiftythree.com/pencil

    Das ist ähnlich wie bei Videos. Es heißt immer, ein gutes Video sei maximal X Sekunden lang. Völliger Bullshit. Das gilt nur für schlechten und irrelevanten Content.

    Viele Menschen schauen sich freiwillig Videos an, die mehrere Stunden lang sind. Sie zahlen an der Kinokasse dafür sogar Geld.

  6. Gravatar

    P,B& J Otter,

    obacht
    hab mal ne frage : wie ist der goldene zirkel konkret auf die aufgabenstellung zur conversion optimierung bei einer webseite wie zum beispiel saturn anzuwenden ?

    lg P,B& J Otter

  7. Gravatar

    André Morys,

    Naja – genau so wie auf jede andere Seite auch; vielleicht verstehe ich die Frage aber auch nicht?

  8. Gravatar

    Thilo Schinke,

    @André Morys: Hast du ein Beispiel, wie die Test- und Optimierungsstrategie in der Praxis aussehen kann?

    Wenn wir bei deiner Hypothese “Eine Vereinfachung der Oberfläche hilft dem Nutzer, seine Aufgabe einfacher zu lösen.” bleiben, würde ich Schritt 1 (das Testen der Vektoren/Hypothesen) so verstehen, dass wir dort auch gegensätzliche Hypothesen testen. Sobald wir wissen, welche unserer Hypothesen korrekt ist, testen wir verschiedene Varianten der Gewinner-Hypothese und skalieren anschließend das ganze. Korrekt?

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