Warum jeder Online-Shop so doof wie ein McDonalds Easy-Order-Terminal ist
Neulich stand ich im McDonalds am Frankfurter Flughafen und hatte wirklich hunger. So richtig. Leider war eine Horde von circa 50 Menschen (gefühlt waren es 500) an den Schlangen. Doch dann entdeckte ich, dass niemand an den “Easy-Order-Terminals” stand. Was dann geschah war einfach unglaublich…
Ich weiß, dieser unglaublich heftige Dramaturgie-Trick ist ausgelutscht. Aber dennoch hatte ich einen recht großen AHA-Moment. Denn tatsächlich konnte ich mit Hilfe des Easy-Order-Terminals sehr schnell meine Bestellung aufgeben. Eine 9er Box mit Chicken-Nuggets, Barbecue-Sauce und Zack: fertig. Nummer 275. Nach nur 45 Sekunden ging ich vorbei an den Horden und holte mir meine Bestellung mit einem triumphalen Grinsen ab.
Ich war happy.
Doch bei Chicken-Nugget Nummer 7 passierte es: Mir wurde plötzlich klar, dass das Easy-Order-Terminal eine erstklassige prozessuale Übersetzung eines Bestellprozesses ist. Die User-Experience ist nicht schlecht, wenn man die kurze Bearbeitungszeit und den flüssigen Ablauf berücksichtigt.
Doch das war nicht das besondere an diesem Gedanken. Das besondere war: Ich verstand auf einmal, wie wichtig der Unterschied zwischen “Kaufen” und “Verkaufen” war, wenn man sich den Prozess anschaut.
Das Terminal ist eine Übersetzung des Kauf-Prozesses. Aber nicht des Verkaufs-Prozesses. Warum? Weil ein guter Verkäufer bei McDonalds sagt “Hallo, herzlich Willkommen bei McDonalds, Ihre Bestellung bitte!” und er ist dabei freundlich.
Für McDonalds macht dieser kleine Unterschied im Blickwinkel wahrscheinlich ein paar Millionen oder gar Milliarden Euro Umsatz aus. Denn:
Verkaufen geht anders.
Der “echte” Verkäufer wird einiges anders machen. Er wird mich fragen, ob ich nicht lieber ein Menü möchte. Es wäre günstiger. Und ob es nicht eine große Cola sein soll. Oder ob ich noch ein Dessert dazu möchte oder einen Kaffe.
Er wird (wenn er gut ist) keine Gelegenheit auslassen, um mir etwas zu “verkaufen”. Und angesichts der Millionen Verkäufer bei McDonalds kommt so einiges zusammen, was da verkauft wird.
Und genau so ist es bei Onlineshops. Die Onlineshops dieser Welt zeigen langweilig eine prozessuale Übersetzung des Sortiments und des Kaufprozesses. Ähnlich wie in einem Aldi-Markt in den achtziger Jahren, wo die Ware einfach auf Paletten gestapelt wurde und man wartet, bis Menschen vorbei strömen und die Ware einfach kaufen.
Doch so funktioniert das nicht mehr.
Längst gibt es selbst bei Aldi aufwändige Produktinszenierungen und Erlebniswelten. Es gibt konsumpsychologische Tricks wie Verknappung und es wird mit Neuromarketing-Tricks gearbeitet, wie z.B. Düfte, Geräusche, Haptik, etc.
Das ist der Unterschied zwischen Kaufen und Verkaufen.
Dabei ist mir eingefallen, dass das alles nichts Neues ist. Schon 2009 habe ich das Modell der ROI-Pyramide entwickelt.
Hier die allererste Version von September 2009:
Inzwischen sieht das Modell so aus:
Ist ja auch egal… worum es eigentlich geht: Online-Marketer, Händler, E-Commerce-Manager dieser Welt: Hört auf, Euch auf den unteren Ebenen aufzuhalten. Baut Online-Shops, die gut verkaufen können und keine Easy-Order-Terminals sind!
Menschen werden auf die Frage “Magst Du es, wenn Dir jemand etwas verkauft?” meist “Nein” sagen. Das ist das Problem an der Usability- und UX-Forschung. Es gibt einen kleinen Widerspruch zwischen dem, was der Kunde wirklich will und dem, was den meisten Umsatz bringt. Wichtig ist, dass am Ende alle happy sind.
Fazit
A/B-Testing alleine bringt nichts. Jedenfalls nicht ohne gute Hypothesen.
Gute User Experience alleine bringt nichts. Jedenfalls nicht, wenn man nicht versteht, wie Nutzer motiviert werden.
Wenn man aber beides miteinander vermischt, dann entsteht eine explosive Mischung:
Mit einer Portion Verhaltensökonomik dazu entsteht eine Mischung, die wirklich die Conversion Rate beeinflusst – weil es auf einmal um “gutes Verkaufen” geht und nicht um Button-Schubsen und Template-Tweaking.
3 Kommentare
Markus Kehrer,
Toller Artikel – und ja, es macht Spaß EasyOrder zu benutzen 🙂
Achim,
Ich kaufe mein MacMenü immer an der Theke. Anschließend habe ich zwar immer eine nicht angepackte Ketchup Packung in der Tüte sowie Bauchschmerzen von der “großen” Pommes und der Apfeltasche, die ich gar nicht wollte. Aber Egal. McDonald hat auf jeden Fall 30% mehr Umsatz mit mir gemacht als ursprünglich von mir geplant:)
Bei Amazon ist es genauso. Neben Andrés Lektüre zur Conversion-Optimierung schmücken mittlerweile 5 weitere Bücher rund um Conversion mein Bücherregal, die ich ohne diese netten “Up- und Cross-Selling Widgets” von Amazon nie gekauft hätte. Ohne Amazon wäre ich wohl noch ein Conversion Dilettant und mein Bücherregal so undekorativ leer 😉
Ina Hedwiger,
Gut auf den Punkt – Automaten sind “Self Care”, also Arbeit an den Kunden delegieren – eher aus Kostengründen oder zur Prozessoptimierung. Kann aber auch extra Umsatz ermöglichen, siehe hier: http://blog.zeix.com/2012/11/09/puenktlich-da-beim-welt-usability-tag-dank-mcdonalds-self-care/
Verkaufen im Sinne des Umwerbens von Kunden und Kundenentwicklung geht sicher anders :-), setzt aber auch passend “lustvolle” Produkte voraus.