Vergesst die Conversion Rate. (5 KPIs direkt aus der Hölle)
Mal ehrlich: Die Conversion Rate ist doch mit Abstand die bescheuertste Kennzahl überhaupt. Was sagt die Zahl überhaupt aus? Ohne einen Bezugspunkt (Benchmark) und die Betrachtung der individuellen Umstände: Gar nichts. Nada. Niente. Rien.
- Mit einer hohen Conversion Rate kann man trotzdem Verlust machen – die Kennzahl korreliert zwar mit dem Deckungsbeitrag – sagt aber nichts über diesen aus.
- Schlechter Traffic aus Suchmaschinen oder von Affiliates kann die Conversion Rate extrem senken – ohne dass es betriebswirtschaftliche Auswirkungen hat
- Ein Test kann einen sagenhaften Uplift von 30% bringen – trotzdem ist die Conversion Rate noch schlecht
Was nutzt uns diese Kennzahl also?
Avinash Kaushik vergleicht die Situation mit einem Rennwagen: Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit abgeklebten Scheiben nur nach Instrumenten (Kennzahlen) fahren – hoffnungslos. Erst der Blick aus dem Fenster macht es möglich, die Situation im Kontext zu erfassen. Die beste Kennzahl wird irrelevant (z.B. eine Conversion Rate von – sagen wir 8%) sobald der Wettbewerber mit seinem Rennwagen in einem erbarmungslosen Tempo an einem vorbei zieht (sagen wir mit 12% Conversion Rate). Erst im Benchmark mit dem Wettbewerber entsteht eine hilfreiche Information für unsere Conversion Optimierung. (“Ich muss Gas geben!)
50% mehr Conversion Rate heißt…
…dass man mehr Geld für Traffic ausgeben kann bei gleichen Cost per Order, dass man effizienter Kunden gewinnen und binden kann, dass man seine Budgets sinnvoller ausgeben kann, etc…. aber: Das Glück liegt im Vergleich. Erst mit dem Benchmark wird die Conversion Rate eine sinnvolle Kennzahl.
Ein paar Alternativen:
Wie kann eine Kennzahl aussehen, die wirklich einen vergleichbaren Indikator für die echte Wirtschaftlichkeit eines digitalen Wertschöpfungsprozesses liefert? Ich habe mal wild phantasiert – dabei sind mit folgende KPIs eingefallen:
- Umsatz/Deckungsbeitrag pro Unique Visit: Wie viel Umsatz bzw. Deckungsbeitrag erwirtschaftet die Website pro eindeutigem Besucher? Auf unterschiedliche Traffic Segmente angewandt sagt diese Zahl viel mehr über die Effizienz der Kanäle aus als die CR. Avinash Kaushik empfiehlt diese Kennzahl zur Überprüfung der Effizienz von Projekten und Kampagnen à la: “Hat diese Maßnahme den Revenue pro Visitor erhöht?”
- BounceValue pro Page: Einstiegsseiten (Entrance Pages) sind vergleichbar mit den Schaufenstern eines Kaufhauses. Mit dem kleinen Unterschied, dass jede Seite eine Entrance Page sein kann. Ein Shop mit 30.000 Artikeln hat also > 30.000 Schaufenster. Die Bouncerate der wichtigsten Entrance Pages verrät uns, welche dieser Schaufenster schlecht sind (weil sie die Besucher nicht in die Seite ziehen). Multipliziert mit dem Wert eines Visits (siehe KPI from Hell Nr. 1) ergibt sich so ein Verlust als Wert in Euro pro Einstiegsseite. Die Zahl ist für die Top 10 Entrance-Pages bei den meisten Seiten eine beeindruckende Zahl…
- Kundenwertverlust pro Seite: Manche Shops verlieren zwischen Warenkorb und Checkout nur 20-30%. Andere hingegen verlieren über 40%, manche gar bis zu 60%. Eine abstrakte Zahl hinter der ein real verlorener Kundenwert steckt. Die Übersetzung dieser Zahl in einen echten Euro-Betrag hilft besser die Prioritäten zu setzen – zumal sich dieser Betrag mit dem Betrag aus KPI-from-Hell Nr. 2 vergleichen lässt. Ein Shop, der 5.000 Warenkörbe à 120 Euro verliert macht einen Verlust von 600.000 Euro pro Tag/Woche/Monat. Übersetzt in Kundenwert (jeder gewonnene Kunde hat einen CLV von 500 EUR) wären es sogar 2.5 Mio Euro pro Tag/Woche/Monat.
- DB pro Trafficsegment: Wie oft wird die Conversion Rate pro Segment errechnet – aber was sagt diese Zahl wirklich aus? Maximal geht es um einen Indikator für die Qualität des Traffics, der daraus abzuleiten ist. Doch die betriebswirtschaftlich härtere Währung ist der Deckungsbeitrag. So kann die Conversion Rate für einen bestimmten Kanal zwar sehr hoch sein – wenn der Traffic auch entsprechend teuer ist könnte der Deckungsbeitrag niedrig oder gar negativ sein. Mit der Conversion Rate “lügen” sich die Shopbetreiber den Erfolg in die Tasche.
- Testeffizienz in Euro: Wie viele Tests werden pro Jahr gemacht? Was kosten sie? Wie viel Uplift bringen Sie? Erst nach dem X-ten Test zeigt sich, wie gut die CRO Prozesse wirklich laufen. Binsenweisheiten und oberflächlicher Conversion-Voodoo stößt dann schnell an seine Grenzen. Auf lange Sicht verfolgen CRO Prozesse das Ziel kontinuierlicher Uplifts. Die Uplifts sind in Euro messbar. Ebenso bekannt sind die Kosten für die Tests – daraus lässt sich die Effizienz der Testingprozesse in Euro (EUR pro % Uplift) oder als Kosten-Umsatz-Relation (KUR) messen. Vertrauen Sie also in Zukunft nicht mehr irgend welchen banalen “X% Uplift” Geschichten sondern hinterfragen Sie den wahren ROI der Prozesse
Fazit
Es gibt härtere und vor allem aussagekräftigere Kennzahlen als die “einfache” CR. Für alle gilt: alle Daten existieren, man muss sie nur zusammen bringen. Die meisten wirklich “härteren” Kennzahlen zeichnen sich dadurch aus, dass sie näher mit dem primären Geschäftsmodell und dessen Zielen verbunden sind: Gewinn. Es ist daher ratsam, jede Kennzahl in Euro auszudrücken – sofern es möglich und wirklich sinnvoll ist. Erst dadurch ensteht ein Bezug, der in Wirklichkeit knallhart existiert: Die Verbindung zwischen Website und Bankkonto bzw. Jahresabschluss.
Wer sich dafür interessiert, findet hier noch einen Artikel über Web Analyse und Kennzahlen:
Noch ein Tipp: Mit einer richtigen Datenstrategie kannst du dein digitales Wachstum erhöhen. Beispielsweise kannst du Uplifts durch erfolgreiche Personalisierung generieren. Wie du eine geeignete Datenstrategie auswählst, erfährst du in einem Video des Ambassador Programms. Neben zahlreichen Videokursen, die dir Wissen von unseren Expert:innen vermitteln, gibt es regelmäßige Meetups mit der Community, in denen du dich mit anderen Fach- und Führungskräften austauschen kannst. Wir freuen uns auf deine Bewerbung!
Wer kennt weitere gute Kennzahlen?
Die hier erwähnten Kennzahlen passen eventuell nicht zu verschiedenen Geschäftsmodellen. Vielleicht habe ich auch noch Aspekte übersehen oder es gibt noch bessere Zahlen, die mit den Unternehmenszielen besser verbunden sind. Wer hat noch mehr Ideen?
Bitte macht mit und hinterlasst Eure Vorschläge in den Kommentaren!
16 Kommentare
Erik Meierhoff,
Klasse Artikel, danke! Ähnlich der notwendigen DB-Betrachtung sehe ich auch die Wiederkaufsrate – viel zu wenige binden diese in die Erfolgsmessung von Kampagnen ein.
In eigenen Projekten konnte ich vielfach feststellen, daß nicht die Neukundenkampagnen mit der höchsten CR die Wiederkäufer gebracht haben, sondern gerne auch mal “unspektakuläre Kampagnen” aus dem Mittelfeld. Mittel- und langfristig erwirtschafteten diese Neukunden jedoch einen viel höheren DB als die Kunden aus den “Topkampagnen”!
Beste Grüße,
Erik Meierhoff
Christian Rothe,
Allein schon durch die Reduktion der gebuchten Begriffe bei Adword-Anzeigen kann ich die Conversions Rate nach oben bringen: Ich miete einfach alle Keyword-Begriffe ab, die zu einer eher schlechten Conversion Rate führen – schon habe ich nur noch “gute” Besucher in meinem Shop und damit eine höhere Conversion Rate.
In Summe ist die Conversion Rate besser, der Umsatz aber niedriger. Und eventuell zahle ich pro neu gewonnenem Kunden jetzt sogar mehr: Wenn ich nämlich für die Adwords / Keywords mit schlechter Conversion Rate so wenig Geld bieten muss, dass ich es mit ihnen insgesamt weniger kostet einen Neukunden zu gewinnen als bei den “guten” Adwords.
Beispielrechnung:
Keyword 1: 5% Conversion Rate, 50 Cent pro Klick
Keyword 2: 2% Conversion Rate, 15 Cent pro Klick
Ein Verzicht auf Keyword 2 und eine Konzentration auf Keyword 1 würde die durchschnittliche Conversion Rate in meinem Shop steigern. Allerdings kostet es mit Keyword 1 durchschnittlich 10 Euro, einen Neukunden zu gewinnen. Bei Keyword 2 ist der Neukunde dagegen schon für 7,50 Euro zu haben.
“Adword-Kosten pro Neukunde” ist für uns eine sehr wichtige Kennzahl beim Management unseres Shops.
Tom Knobe,
Glaube das sollte Budgets heissen 🙂
André Morys,
Hi Tom, danke für den Tipp, ich habe es korrigiert!
Gabriel Beck,
CHAPEAU André!
Ich gebe Dir in einem Punkt vollkommen Recht: Online Marketing Verantwortliche rennen fälschlicherweise allzu oft genau dieser “magischen” Kennzahl der Conversion Rate hinterher.
Allerdings muss ich widersprechen, was die Vergleichbarkeit von Conversion Rates betrifft.
Ich weiß zwar, dass der Wettbewerb eine bessere Conversion Rate hat (lt. Beispiel 12%), das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass er auch mehr Umsatz, DB, etc. einfährt.
Wenn sich der Wettbewerber zum Beispiel nur auf Longtail-Keywords beschränkt, die zudem sehr transaktionsorientiert sind, dann ist die Conversion Rate erfahrungsgemäß auch höher. Allerdings wird er dabei nicht die Masse der Sales (–> Umsatz etc.) einfahren, die ich selbst mit einer geringeren Conversion Rate erziele.
Joachim Graf hat das Ganze auf Eurem Conversion Camp 2010 schön auf den Punkt gebracht: Es ist ein Schw***-Vergleich!
André Morys,
Gabriel, Danke für Dein Feedback! Dein Einwand ist richtig – in der Theorie. In der Praxis vergleicht niemand seine Conversion Rate…
Erik Meierhoff,
Passend zur DB-Betrachtung auch Seth Godin vor zwei Wochen:
sethgodin.typepad.com/seths_blog/2011/11/lifetime-value-of-a-customercost-per-customer.html
David Kuruc,
Tolle Inputs, Danke.
Externe Benchmarks sind meiner Ansicht nach immer problematisch, nicht nur weil von Gabriel ausgeführt schwer vergleichbar sonder auch weil die Fokussierung dann auf dem Mitberwerber gerichtet wird. Ich hör noch unseren Dozenten predigen: “Richtet eure Aufmerksamkeit auf die eigenen Stärke/Schwächen und nicht auf den Mitbewerb.” Hat was. Wie im Artikel auch angetönt: Interne Benchmarks, Performance der Kennzahl im Vergleich zum Durchschnitt der Site/ des Segments und natürlich wie sich diese über die Zeit verändert.
André Morys,
@David: 8% Conversion Rate werden erst pathologisch wenn ich weiß, dass alle Wettbewerber >12% CR haben. Der externe Benchmark ist also nicht nur sinnvoll sondern überlebenswichtig (Competitive Intelligence). Allerdings müssen Zahlen vergleichbar sein.
@Gabriel: da 97% ihre Conversion Rate nicht verraten und die restlichen 3% die Zahl nicht vergleichbar machen bleibe ich bei meiner These, dass das alles nicht wirklich etwas bringt. Wir haben vor 2 Jahren diese Studie gemacht bei der wir für die Vergleichbarkeit gesorgt haben. Ich weiß wie schwer es ist…
Gabriel Beck,
Doch – das tun sie…. immer wieder! Es werden sogar Conversion Rates innerhalb des Warenkorbs verglichen…
David Kuruc,
>97% ihre Conversion Rate nicht verraten und die restlichen 3% die Zahl nicht vergleichbar machen
wie repräsentativ?
>Der externe Benchmark ist also nicht nur sinnvoll sondern überlebenswichtig
Für wen genau 🙂 Sicher super um die Augen zu öffnen. Ich glaube jedoch der Effizienzdruck kundenseitig kommt eher vom Umfeld – denn sobald die Margen schwindenden…Sieht man auch am Unterschied D/CH in manchen Branchen.
Interne Benchmarks sind zwar selbstreferenziell aber robust und aussagekräftig im jeweiligen Kontext
Freddy Staudt,
“Es ist daher ratsam, jede Kennzahl in Euro auszudrücken – sofern es möglich und wirklich sinnvoll ist. Erst dadurch ensteht ein Bezug, der in Wirklichkeit knallhart existiert” – Selbst das kann heute schon als optimistisch gelten 😉
Im Ernst: Gute Anregungen, danke!
Matthias Henrici,
So stimmig die Idee Umsatz/Deckungsbeitrag pro Unique Visit auch klingt, so setzt sie voraus, dass man überhaupt einen solchen Wert sauber berechnen kann. Der Deckungsbeitrag besteht ja selbst aus einer Unzahl von Mischfaktoren (Faktorverbrauch, Opportunitästkosten, usw…) was in der Praxis speziell für kleinere Online-Shops ungleich schwieriger zu erfassen ist. Das sollte man unbedingt beherrschen, solange man das nicht kann ist man mit der “einfacheren Zahl’ CR besser bedient.
Damian,
Super Artikel. Endlich mal eine Bewertung mit der Big Picture Sicht.
Mein Favorit ist übrigens die
Werbekosten/Nachfrage-Relation.
Z.b. bei Marketing Kampagnen: Mit wielviel Werbekosten mache erzeuge ich wieviel Nachfrage. Dies ergibt einen simplen Faktorswert, welcher sich sehr gut über Quellen, Branchen und Produktkategorien vergleichen lässt.
Gruss und weiter so, liebe euren Blog seit längerem 🙂
Martin,
Der Artikel ist großartig und die Kommentardisskussion ebenfalls. Es zeigt doch dass das Thema trotz allen Erklärungsversuchen immer noch ein Fischen im trüben darstellt. Verlässliche Daten als Grundlage bekommen und dann noch auswerten mit allen weichen und harten Faktoren, sowie der Einbezug von Branchenunterchieden erklärt vielleicht, weshalb der Stein der Weisen noch nicht gefunden ist. Aber einige gute Ansätze für alternative Vergleichszahlen sind zumindest angesprochen.
Internet Marketing | Rüdiger Kladt,
Konversion ist das, was ich als Konversion definiere. Also – Ziele definieren, Kosten der Zielerreichung messen, fertig! Eine bessere Konversion liegt vor, wenn die Konversionskosten niedriger sind.
Was sinnvolle Ziele sind, muss jeder selbst entscheiden.