Strategie

Aufgedeckt: 9 psychologische Verkaufstricks im Multichannel-Marketing

Patrick Weisbecker
 Lesezeit: 8 Minuten    
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Das Internet hat uns etwas gebracht, was für viele Fluch und Segen zugleich ist: Transparenz. Der vollinformierte Kunde geistert als abschreckende Vorstellung durch die Köpfe vieler Online Händler.

Längst wird eine Kaufentscheidung nicht mehr nur im Ladengeschäft getroffen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man von Geschäft zu Geschäft gehastet ist, um Produkte zu vergleichen.

Hinzu kommt, dass die Konsumenten nicht mehr nur vor dem Desktop-PC sitzen und in aller Seelenruhe recherchieren. Konsumenten kaufen wann und vor allem von wo sie wollen ein. Die Trendthemen im Multichannel-Marketing in 2016 sind daher auch Buzzwords wie „seamless commerce“ oder „everywhere commerce“. (Hier geht es zu weiteren E-Commerce Designtrends in 2016).

Doch wie gestaltet sich diese nahtlose Kommunikation mit den Kunden? Wie bindet man die Zielgruppe an das Unternehmen, wie schlägt man die Brücke zwischen online und offline?

Was ist „Everywhere Commerce“?

Im „Everywhere Commerce“ kann ein Kunde zu jeder Zeit und an jedem Ort in einen Kaufentscheidungsprozess einsteigen kann. Ganz unabhängig davon, ob er nun gerade online ist, oder nicht. Mit zunehmender Vernetzung wachsen die einzelnen On- und Offlinekanäle zudem immer stärker zusammen.

Einer Studie zufolge verwenden mittlerweile 85% der Smartphone-Nutzer ihr Mobiltelefon beim Kauf in einem Ladengeschäft. 55% geben sogar an, dass das Smartphone die Art und Weise, wie sie offline einkaufen, beeinflusst (Quelle).

Unternehmen müssen ihre Marketingmaßnahmen scheinbar nahtlos in den Alltag des Nutzers integrieren, so dass einen Kundenkommunikation zu jeder Zeit und auf jedem Device möglich ist. Je nach Zielgruppe kann der Medienwechsel dabei eine tragende Rolle spielen, da ein Kaufentscheidungsprozess nicht immer linear verläuft. Die Analyse der Customer Journey und wichtiger Touchpoints gehört daher für viele Unternehmen zum täglichen Geschäft, um Kundenbedürfnisse besser verstehen zu können.

Infografik: Customer Journey im Multichannel-Marketing

Vorteile im Multichannel-Marketing gezielt nutzen

In Zeiten einer absoluten Reizüberflutung im Werbebereich und stetig wachsender Konkurrenz setzen größere Unternehmen bereits seit längerem verstärkt auf medienübergreifende Kommunikationsstrategien. Dabei werden die Vorteile aber auch Eigenheiten von unterschiedlichen Medien genutzt, um die Marke zu positionieren und Einstiege in den Kaufentscheidungsprozess zu schaffen.

Je nach Kanal kommen dabei verschiedene Persuasion Techniken zum Einsatz, die dazu beitragen können, Bedarf zu wecken und / oder eine Kaufentscheidung herbeizuführen.

Konsumpsychologische Techniken im Multichannel Einsatz

Eine Erklärung zu Persuasion Techniken und was eine gute Technik ausmacht finden Sie im Artikel „Wie uns Reiseportale mit Persuasion Techniques beeinflussen“.

Im Folgenden finden Sie 3 Beispiele für den guten Einsatz von Persuasion Techniken in der Kommunikationsstrategie des Modekonzerns ESPRIT.

I. On- und Offline verknüpfen mit Apps

Neben der mobilen Webseite kann eine App als Bindeglied zwischen Ladengeschäft und Onlineshop fungieren und Mehrwerte bieten, die bei einer mobilen Webseite so nicht möglich sind. Im Beispiel von ESPRIT fällt hierbei die Möglichkeit auf, Produkte im Laden zu scannen, um online nach verfügbaren Größen und einer Bezugsquelle zu schauen.

ESPRIT App

1. Consistency / Commitment 

Jeder Mensch strebt nach konsistentem Denken und Handeln. Der erste Eindruck zählt, und eine einmal gewählte Richtung wird selten korrigiert.

Consistency / Commitment im Praxis-Einsatz: Gerade die Installation der App stellt den Nutzer zunächst einmal vor eine Hürde, die eine Entscheidung voraussetzt. Hat sich die App jedoch erst einmal in der Alltag des Nutzers integriert, so trägt sie auch zur Kaufentscheidung bei.

2. Flow

Wenn eine Aufgabe und die Schwierigkeit, diese Aufgabe zu bewältigen, in einem angemessenen Verhältnis stehen, wird die dabei entstehende Mühe vergessen.

Flow – im Praxis-Einsatz: In dem Moment, wo der Nutzer vor Ort im Laden feststellt, dass seine Größe nicht mehr verfügbar ist, stellt diese Tatsache eine Unterbrechung im Nutzerfluss dar. Durch die Funktionen der App kann diese Unterbrechung jedoch wieder ausgebügelt werden. Zudem steigt die Kaufwahrscheinlichkeit im Falle einer Verfügbarkeit.

3. Loss Aversion & der Endowment Effekt

Einen Besitz oder einen bestehenden Vorteil zu verlieren ist schlimmer, als etwas erst gar nicht besitzen zu können. Menschen wollen stets verhindern, dass ihnen etwas genommen wird, was sie bereits besitzen und schätzen.

Menschen erachten Dinge als wertvoller, die sie bereits besitzen als etwas, was sie noch nicht haben.

Loss Aversion / Endowment Effekt – im Praxis-Einsatz: Die Tatsache, dass der Wunschartikel im Laden bereits ausverkauft ist, wird die Kaufentscheidung positiv beeinflussen, da der Nutzer sich bereits als Besitzer ansieht.

Conversion Tipps

Es gibt viele Punkte, an denen ein Nutzer mit der Marke und/ oder einem Produkt in Kontakt kommen kann. Die Vorteile sollten dabei von Anfang an gut kommuniziert werden, da der erste Eindruck einen großen Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess hat. Was sind die Elemente, die einem Nutzer innerhalb der ersten 10 Sekunden ins Auge fallen (Preissignale, Trust-Siegel, ein Markenversprechen etc.) und können diese Elemente eine Entscheidung positiv beeinflussen?

Im Rahmen der Customer Journey sollte der Nutzer ohne größere Anstrengungen zu seinem Ziel gelangen. „Flow“ Gerade im Onlineshop spielt die Navigation, so wie der Checkout eine tragende Rolle. Auch sollten die Artikel aus dem Katalog bei einem Medienwechsel schnell wieder auffindbar sein.

II. Kundenbindung mit einer Kundenkarte

Die Kundenkarte gehört irgendwie schon zum alten Eisen und verschwindet nicht selten in der hintersten Ecke einer Schublade. Angereichert mit dem richtigen Mehrwert kann aber auch die Kundenkarte gezielt für die Kundenbindung genutzt werden.

ESPRIT Kundenkarte

4. Unlocking

Wenn es die Möglichkeit gibt, etwas vorher Unzugängliches zu erreichen, versuchen Menschen Zugang dazu zu erhalten, um so davon profitieren zu können.

Unlocking – im Praxis-Einsatz: Durch das Sammeln von Statuspunkten bietet ESPRIT seinen Kunden die Möglichkeit auf eine Karte mit besseren Konditionen und mehr Benefits. Dadurch bindet das Unternehmen die Kunden auch stärker an den eigenen Shop als Vertriebskanal.

5. Reward

Für erledigte Aufgaben belohnt zu werden erhöht die Motivation, weitere Aufgaben zu erledigen. Dabei ist es wichtig, dass die Belohnung nicht nur materiell sondern auch emotional von Bedeutung ist.

Reward – im Praxis-Einsatz: ESPRIT belohnt den Nutzer für die Kartennutzung mit Rabattaktionen und kostenlosen Benefits und bleibt so in den Köpfen der Kunden verankert.

6. Consistency/ Commitment 

Jeder Mensch strebt nach konsistentem Denken und Handeln. Der erste Eindruck zählt, und eine einmal gewählte Richtung wird selten korrigiert.

Consistency/ Commitment – im Praxis-Einsatz: Durch Besitz und Nutzung der Karte zeigt der Nutzer seine Zugehörigkeit zu Marke und Produktwelt. Gerade im Zusammenspiel mit den beiden zuvor genannten Pattern wird die Nutzung der Kundenkarte gefördert.

Conversion Tipps

Ob Plastikkarte, oder Kundenkonto. Ist der Nutzer erst einmal Kunde, so sollte man mit ihm in „Kontakt“ bleiben. Vorteilsaktionen und andere Belohnungen „Reward“ können helfen, eine Bindung zu seinen Nutzern aufzubauen und diese an die Marke zu binden.

Sind diese Belohnungen dabei noch an bestimmt Ziele gebunden, „Unlocking“ so kann sich dieser Effekt (die richtige Zielgruppe vorausgesetzt)  noch verstärken.

III. Kommunikation über Soziale Medien

Social Media verkommt gerne zum virtuellen Kummerkasten für genervte Kunden und kann dem Firmenimage nachhaltig schaden. Auf der anderen Seite bietet der Kanal auch eine gute Möglichkeit, mit Kunden und Nutzern in einen Dialog zu treten und sie so an das Unternehmen zu binden.

Social Media Kampagne von ESPRIT

7. Self Expression 

Wie funktioniert das Prinzip?

Menschen suchen nach Möglichkeiten ihre Persönlichkeit, ihre Gefühle und ihre Ideen ausdrücken zu können.

Self Expression – im Praxis-Einsatz: Mit seiner #ImPerfectKampagne, die über alle Kanäle ausgespielt wird, bietet ESPRIT Nutzern eine Bühne um sich selbst zu Präsentieren und steigert so die Identifikation mit der Marke.

8. Social Proof

Wie funktioniert das Prinzip?

Menschen sind Herdentiere. Je mehr Menschen etwas nutzen oder tun, desto eher wird es von anderen Menschen akzeptiert, als positiv empfunden und nachgeahmt.

Social Proof – im Praxis-Einsatz: Über 1.400.000 Menschen (gemessen an den Facebook-Likes) können sich doch nicht irren. Gerade im Bereich Social Media gibt sich ESPRIT sehr viel Mühe bei der Kundenbindung. Insgesamt bietet der daraus resultierende Content aber wiederum Potential für andere Kanäle, welches aktuell nicht genutzt wird.

9. Order & Harmony

Wie funktioniert das Prinzip?

Menschen stehen geordneten, gut strukturierten und sortierten Dingen positiver gegenüber als Unordnung und Chaos.

Order & Harmony – im Praxis-Einsatz: Das Gestaltungskonzept von Homepage und Printkampagne wird auch bei Facebook beibehalten. Trotz breit gefächertem Angebot hat alles seine Ordnung und wirkt wie aus einem Guss.

Conversion Tipps

„Order & Harmony“ fällt in den Bereich Orientierung. Dabei sollte auf eine gestalterische Ordnung geachtet werden. Texte und Informationen sollten schnell erfassbar sein.

Durch Kommentarfunktionen, Nutzerfotos und den Einsatz von Social Media kann der Nutzer emotional gebunden werden, da er sich mit seinem Produkt und der Marke identifizieren kann. „Self Expression“.

Insgesamt hat ESPRIT das Rad sicherlich nicht neu erfunden. Im Zusammenspiel mit der  #ImPerfect Kampagne liefert ESPRIT jedoch eine medienübergreifende Kommunikationsstrategie ab, welche den Nerv der Nutzer trifft und die Vorteile einzelner Kanäle gezielt nutzt, um Synergieeffekte zu schaffen.

Fazit

Gerade im Zusammenspiel mit Persuasion Techniken ergeben sich im Multichannel-Marketing viele Möglichkeiten, die einen Kaufentscheidungsprozess maßgeblich beeinflussen können. Die folgenden Fragen können bei der Potentialermittlung helfen:

  • Was sind die Werte, Wünsche und Erwartungen meiner Zielgruppe?
  • Welche Kanäle nutzt die Zielgruppe in der Regel?
  • Wie können die Kanäle sinnvoll verbunden werden? (Mehrwert)
  • Welche Persuasion Techniken passen zu Zielgruppe & Kanal?

Die Einsatzmöglichkeiten von Persuasion Techniken sind sehr vielfältig und haben je nach Kanal und Zielgruppe unterschiedliche Auswirkungen auf das Kaufverhalten. In den meisten Fällen empfiehlt es sich, die Änderungen im Vorfeld zu testen.

Über den Autor

Patrick Weisbecker

Patrick Weisbecker

Senior UX Consultant / Expert User Experience

Patrick Weisbecker ist Senior UX Consultant mit Schwerpunkt User Experience bei konversionsKRAFT. Gemeinsam mit seinen Kunden entwickelt er Strategien und Konzepte, die auf verhaltenspsychologischen Triggern aus der Konsumpsychologie aufbauen. Sein Ansatz basiert auf der Zusammenführung von Business- und Nutzerzielen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit.  

Bei Fragen können Sie Ihn gerne jederzeit auf Xing kontaktieren.

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2 Kommentare

  1. Gravatar

    Tim,

    …wieder einmal ein fantastischer Artikel mit viel Inspiration und Input.

    Danke und beste Grüße aus Hannover,

    Tim

  2. Gravatar

    David,

    toller Artikel, schön zusammengefasst und auf das Thema übertragen!

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