Behavior Patterns

Was Du über den Diderot-Effekt und Cross-Selling-Potenziale wissen solltest

Ilja Gurevich
 Lesezeit: 6 Minuten    
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Du kennst den folgenden Effekt bestimmt auch.

Eigentlich wolltest du dir lediglich ein neues Kleidungsstück zulegen.

Doch plötzlich verspürst du den Zwang ein passendes paar Schuhe oder ein fesches Accessoire zuzukaufen. Oder das neue Sideboard, dass schlichtweg nicht zum restlichen Interieur passt und den Kauf eines Teppichs nach sich zieht.

„Wenn wir schon einmal dabei sind …“, ebnen deinen Shopping-Tag.

Dies ist (in der Regel noch) keine Kaufsucht, sondern ein alt bekanntes Prinzip der Konsumpsychologie – der Diderot-Effekt. Und diesen kannst du insbesondere für Cross- und Upsell-Tricks im E-Commerce nutzen.

Inhalt:

1. Warum wir Dinge kaufen, die zusammen Sinn ergeben

2. Beispiele aus dem Alltag

3. Diderot-Effekt als Cross- und Upsell-Werkzeug im E-Commerce

4. Personalisierung für den Diderot-Effekt 2.0

5. Kauflust kennen und überdenken

1. Warum wir Dinge kaufen, die zusammen Sinn ergeben

Der Diderot-Effekt:
Wenn sich Menschen an einen bestimmten Stil gewöhnt oder Gefallen daran gefunden haben, möchten sie diesen immer mit dazu passenden Produkten ergänzen. Der Drang danach treibt und inspiriert sie in ihrem Konsumverhalten.

Wie wir im Grundlagenartikel zu Behavioral Sciences erklärt haben, treffen wir überwiegend irrationale (Kauf-) Entscheidungen. Wir ersetzen Besitz bereits lange bevor er kaputt ist oder nicht mehr funktioniert. Häufig einfach aus dem einfachen Grund, weil wir uns mit dem neuen Produkt besser identifizieren können.

In seinem Buch Culture and Consumption prägte der bekannte Konsumforscher und Anthropologe Grant McCracken den Begriff Diderot-Effekt

McCracken, der auch Firmen wie Nike, IKEA oder sogar das Weiße Haus beriet, bezeichnete das Problem, das einst Denis Diderot plagte, als Urszene der Konsumgesellschaft.

Durch das Verbessern einer bestimmten Einzelheit wird eine Unzufriedenheit mit anderen Details herbeigeführt.

Ein schmerzlicher psychologischer Effekt, dem auch Diderot ganz ohne Werbung zum Opfer fiel und sein Erlebnis (Gründe, meinem alten Hausrock nachzutrauern) niederschrieb.

Denis Diderot | konversionsKRAFT | Diderot Effekt
Wie ein Geschenk den bescheiden lebenden Denis Diderot in den Kaufwahn stürzte. Bild: Wikipedia

„Eine Warnung an alle, die mehr Geschmack als Geld haben“

Unter diesem Titel beschreibt der Namensgeber Denis Diderot im Jahr 1772 seine Begegnung mit dem intrinsischen Kauftrieb.

Da sein alter, lieb gewordener Hausrock von Tintenflecken seines Autorendaseins übersät wurde, bekommt Diderot einen eleganten, neuen Morgenmantel geschenkt.

Statt sich über das neue Kleidungsstück zu freuen, stachen ihm plötzlich seine anderen Habseligkeiten ins Auge, die nicht mit der Eleganz des Mantels mithalten konnten. Daraufhin ersetzte er seine abgenutzten Möbel.

Im Konsumalltag kompensieren oder ergänzen wir daher oftmals verborgene Bedürfnisse. Wir sorgen durch den Kauf für verstärkte Identifikation mit unserem angestrebten Ich.

2. Beispiele aus dem Alltag

Zum iPhone passt ja bekanntermaßen viel besser das iPad und der iMac sowieso …

Und in Zeiten der digitalen Transformation muss es nun wirklich kein plumper LED Fernseher mehr sein, wenn der Markt bereits OLED und QLED hergibt. Wenn wir schon beim TV-Upgrade sind, dann sollte auch die Soundbar ein Upgrade erhalten …

Erkennst du bereits den kognitiven Hinterhalt?

Am Ende stehst du mit dem kompletten Heimkinosystem vorm Verkäufer und zu Hause erklärst du dir und anderen den Rausch mit „Eigentlich wollte ich doch nur …“.

Auch beim Möbel-Shopping ist dir der Effekt bereits entgegengekommen.

Falls du bereits durch die Showrooms von IKEA geschlendert bist, wirst du dich mit so manchen Räumen mehr oder weniger identifiziert haben. Neben den fehlenden Fenstern und den auf 10 nach 10 ruhenden Uhrzeigern beeinflusst die Inspiration durch die Räume unsere Kaufentscheidungen.

Die Produktpräsentationen sind so gestaltet, dass wir uns mit den Räumen identifizieren –  ganz so, als ob wir hier bereits leben würden.

Im Kaufhaus noch modisch in Szene gesetzt, wirkt das neue Kallax-Regal in heimischer Umgebung dann plötzlich ganz anders.

Gedanken wie: „Hätte ich mal noch den Teppich und die Lampe mitgenommen“, schleichen sich ein.

Eine wirkungsvolle Produktpräsentation schafft Raum für Inspiration und Identifikation.

Auch im Bekleidungsgeschäft begegnet uns der Diderot-Effekt.

Neben dem mehrteiligen Anzug von der Stange demonstrieren Schaufensterpuppen aufeinander abgestimmte Kleidungsstücke. Obwohl du dir also nur ein neues Oberteil zulegen wolltest, landet mindestens auch die passende Hose in der Umkleidekabine.

3. Diderot-Effekt als Cross- und Upsell-Werkzeug im E-Commerce

Was Offline funktioniert, kann im Falle des Diderot-Effekts für dich online sogar noch raffinierter Anwendung finden. Insbesondere die Fashion-Branche profitiert hierbei vom Gold des digitalen Zeitalters: Daten.

Beispielsweise präsentieren die Online-Versandhändler Zalando und HALLHUBER Looks, die zusammen eingekauft werden können.

Zalando bietet in der Rubrik „Get the look” Styling-Inspirationen von zahlreichen Influencern. Die persönliche Beschreibung des Models hilft dem Besucher sich mit dem Style und dem Menschen dahinter zu identifizieren.

Diderot-Effekt im Shopping-E-Commerce: Der Kauf von Neuem kann dazu führen, unbedingt weitere Produkte kaufen zu müssen.

Folgt man der Person über Social Media Kanäle wie Pinterest und Instagram, bietet letztere seit neustem die Möglichkeit, Produkte des Herstellers zu verlinken und damit In-App-Käufe zu fördern.

Auch auf deinem Markenkanal lässt sich der Diderot-Effekt anwenden, indem eigener Content mit Style-Kombinationen und verlinkten Produkten demonstriert wird.

Wenn du nun auch User-Generated-Content mit einbindest, profitierst du zusätzlich vom konsumpsychologischen Effekt „Self Expression”.

Am offensichtlichsten bietet sich also dein Cross-Selling-Bereich an.

Durch das Kaufverhalten des einzelnen, aber auch der Gesamtheit der User lassen sich sinnvoll ergänzende Produkte auf der Produktdetailseite und im Warenkorb anzeigen.

Amazon verdankte bereits 2006 einen Umsatzanteil von 35 % den Cross-Selling- und Up-Selling-Maßnahmen wie „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch…” und den nachfolgenden Empfehlungen per Push-Benachrichtigung.

4. Personalisierung für den Diderot-Effekt 2.0

Während Schaufenster-Puppen und Social Media Kanäle auf den gesamten Kundenstamm abzielen, lassen personalisierte Inhalte und Werbung weitere Möglichkeiten zu.

Personalisierung ist ein spannender Treiber des Diderot-Effekts und wird bereits auf Websites, in Apps und in Mailings angewendet.

Ist man mit dem Kundenkonto bei Zalando eingeloggt, werden Outfits und Looks aus bereits bestellten und neuen Produkten demonstriert. Im Bestellverlauf lassen sich zusätzliche Kleidergrößen vorfiltern und erzeugen somit ein inspirierendes, personalisiertes und kognitiv leichtes Shopping-Erlebnis.

Ein Nutzer sucht nach Immobilien? Dann wird er früher oder später auch Inspiration für das Interior suchen.

Mit dem gleichen Prinzip könntest du personalisierte Inspirationen per Newsletter versenden. Durch Gifs lassen sich verschiedene Looks dynamisch abbilden.

Wer noch einen Schritt kreativer werden möchte, verbindet Content mit personalisierten Produktempfehlungen.

Nehmen wir als Beispiel einen Hersteller für Küchen- und Kochutensilien. Erstellt das Unternehmen passenden Content in Form von Rezepten, Kochtipps o.Ä., die vom Nutzer gespeichert werden, lassen sich geeignete Produkte über Newsletter, Push-Benachrichtigung oder sogar Produkt-Posts innerhalb von Instagram Guides & Co. einbringen.

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5. Kauflust kennen und überdenken

Der Diderot-Effekt beschreibt das Phänomen, dass ein neu angeschaffter Gegenstand den inneren Zwang auslösen kann, bestehende Besitztümer durch neue oder ähnliche Dinge zu ersetzen.

Inspirationen, Showrooms oder passende bzw. ergänzende Produkte fördern den psychologischen Effekt der Identifikation.

Nutze dieses Wissen, um deine Angebote hinsichtlich der Cross- und Upsell-Potenziale zu prüfen:

  • Kannst du sich gegenseitig gut ergänzende Güter in die nächste Kampagne einbauen?
  • Erzeugen deine Empfehlungen auf Produktdetailseiten den stärksten bzw. am besten ergänzenden Anreiz und fördern sie das Gefühl der Identifikation?
  • Oder sollte der nächste Newsletter clever entlang einer sinnvollen Produktkombination ausstaffiert werden?

Nicht nur im Shopping-Commerce lassen sich durch Personalisierungsmaßnahmen Kombinationen und Empfehlungen mithilfe des Such- und Bestellverlaufs online ausspielen.

Aber Vorsicht, auch Diderot beklagte schon: „Warum habe ich ihn nicht behalten? Er passte mir so gut, dass ich mich ausnahm wie von Künstlerhand gemalt. Der neue, steif und förmlich, macht mich zur Schneiderpuppe? Ich sehe aus wie ein reicher Tagedieb, man sieht mir nicht mehr an, wer ich bin…“

Also achte darauf, was und wie du es promotest 🤓

Über den Autor

Ilja Gurevich

Marketing Specialist

Als Marketing Specialist bei konversionsKRAFT verantwortete Ilja unter anderem die Webinare, den Social Media Auftritt des Unternehmens und das Performance-Marketing.

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1 Kommentar

  1. Gravatar

    Celine,

    Mit dem Diderot-Effekt lässt sich online sehr viel machen. Aber auch als Verbraucher habe ich mich selbst schon in die Falle tappen sehen. Was wiederum bestätigt wie wirkungsvoll es tatsächlich ist.

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